Bei der Migration müsse man differenzieren, sagt Plakolm: zwischen jenen, die sich in Österreich integriert hätten, und jenen, die dazu nicht bereit seien. "Und da liegen Welten dazwischen."

Foto: Robert Newald

In Claudia Plakolms Büro mit Blick über die Innenstadt ist das Klima aufgeheizt – die Sonne strahlt unerbittlich durch die riesige Glasfront. Trotz der Minusgrade draußen herrschen drinnen Sommertemperaturen. Für Klimakleberinnen hat die Jugendstaatssekretärin von der ÖVP dennoch kein Verständnis.

STANDARD: Bei Ihrem Antritt haben sie angekündigt, "Pacemakerin" für Jugendthemen sein zu wollen, und Klimaschutz als "Thema Nummer eins" genannt. Kürzlich haben Sie Klimaaktivistinnen als "Chaostruppe" und "respektlos" bezeichnet. Klingt nicht nach Tempomachen beim Thema Nummer eins.

Plakolm: Ich finde ihre Aktionen auf vielen Ebenen respektlos. Genau deshalb wenden sich etliche Menschen kopfschüttelnd ab. Dass das Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz groß geworden ist, haben wir einer jungen Generation zu verdanken, die die Älteren mitgenommen hat. Die Klimakleber ruinieren da enorm viel Engagement.

STANDARD: Aber tun sie das wirklich? Es bucht doch niemand wegen der Aktionen extra Langstreckenflüge oder fährt mehr mit dem Auto.

Plakolm: Aber es verärgert die Menschen ganz massiv. Die sagen: Gehts doch auf euer eigenes Eigentum. Und bevor ihr jetzt einen stundenlangen Stau verursachts, machts doch lieber sachliche Politik für den Klimaschutz. Darum geht es mir auch. Und wir müssen uns als Österreich absolut nicht verstecken. Allein wenn man sich anschaut, was wir im letzten Jahr zusammengebracht haben. Vom Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu sechs Milliarden Euro im Energiewendetopf für die Industrie.

STANDARD: Die vereinbarten Klimaziele liegen aber völlig außer Reichweite, weil die Politik zu langsam agiert. Ist es da nicht naheliegend, dass die Jungen den Druck erhöhen, weil es um ihre Zukunft geht?

Plakolm: Ich glaube, gerade in diesen Wintern muss man keinem mehr weismachen, welche Auswirkungen der Klimawandel hat. Davor kann niemand die Augen verschließen. Und wir haben uns als Bundesregierung sehr ambitionierte Ziele gesteckt und sind auf einem guten Weg.

STANDARD: Österreich ist auf dem Weg, sein Klimaziel bis 2040 zu verfehlen, wie das Wifo kürzlich warnte.

Plakolm: Viele der Maßnahmen, die wir getroffen haben, werden erst jetzt spürbar. Das gilt zum Beispiel für die CO2-Bepreisung durch die ökosoziale Steuerreform oder das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Und natürlich ist es mit den aktuellen Maßnahmen auch nicht getan. Vieles ist noch in Verhandlung. Man muss aber auch die Kirche im Dorf lassen: Wir sind in Österreich für 0,2 Prozent des weltweiten CO2-Fußabdruckes verantwortlich. Wenn wir jetzt sagen, wir verbannen die Avocado vom Frühstückstisch und es gibt keinen Griechenlandurlaub mehr, verbessern wir das Klima auch nicht.

Nach jetziger Gesetzeslage hätte Teichtmeister später Kindergärtner oder Sportlehrer werden können, sagt Plakolm.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Morgen wäre der Prozess gegen Florian Teichtmeister gestartet, konnte nun aber wegen einer Erkrankung des Angeklagten nicht beginnen. Nur Tage nachdem der Fall bekannt geworden war, stellte die Regierung eilig ein Kinder- und Jugendschutzpaket vor, an dem offenbar schon länger gearbeitet wurde. Warum braucht es dafür einen prominenten Fall?

Plakolm: Wir haben über fast sechs Monate an diesem umfassenden Paket gearbeitet, und es waren mehrere Ministerien involviert. Ich bin froh und erleichtert, dass wir jetzt endlich strengere Strafen und flächendeckende Berufs- und Tätigkeitsverbote für Täter haben.

STANDARD: Es gibt Menschen, die würden das wenig positiv als "Anlassgesetzgebung" bezeichnen.

Plakolm: Der Fall Teichtmeister hat womöglich einiges beschleunigt – so traurig es auch klingen mag, dass es einen Anlassfall gebraucht hat, damit manches schneller verhandelt wird. Aber gerade daran, wie umfassend das Paket geworden ist, sieht man die vielen Monate, die drinstecken.

STANDARD: Die Strafen für Täterinnen und Täter werden erhöht. Fachleute und Studien weisen aber darauf hin, dass Missbrauchstäter sich nicht vom Strafmaß abschrecken lassen.

Plakolm: Das Paket sieht auch viele Präventionsmaßnahmen vor. Und die bundesweite Kinderschutzkampagne wird ihren Beitrag dazu leisten, als Gesellschaft zu zeigen, dass wir beim Thema null Toleranz haben und eine klare, harte Linie ziehen. Auch wenn Strafen vielleicht nicht abschreckend sind, verurteilt sicher jeder Kindesmissbrauch und seine Darstellung zutiefst. Und das muss sich auch in einem Gesetz widerspiegeln.

STANDARD: Auch Täter sollen noch gezielter therapiert werden. Das kann nur gut sein, aber wäre es nicht noch entscheidender, Menschen mit pädophilen Neigungen in Therapie zu bringen, bevor sie zu Straftätern werden?

Plakolm: Wir werden das bestehende Angebot, etwa bei Männerberatungsstellen, ausbauen. Und wir werden Menschen, die diese Neigung haben und sich Hilfe suchen, dabei unterstützen. Was mir wichtig war: Kinderschänder dürfen nie wieder mit Kindern zu tun haben, nie wieder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen arbeiten. Da gab es eine Gesetzeslücke. Denn bisher galt das lebenslängliche Berufs- und Tätigkeitsverbot nur, wenn man schon zum Tatzeitpunkt mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat. Teichtmeister hätte also später theoretisch Kindergärtner oder Sportlehrer werden können. Diese zynische Gesetzeslücke schließen wir jetzt. Laut vieler Experten ist diese Neigung kaum therapierbar.

STANDARD: Bei pädophiler Neigung kann die Therapie aber helfen, nicht zum Täter zu werden.

Plakolm: Es ist definitiv wichtig, dass mehr Menschen in diese Therapien gehen. Die Rückmeldungen aus den Einrichtungen bestätigen auch, dass Nachfrage und Bewusstsein dafür steigen. Von der anderen Seite betrachtet: Das stärkste Mittel der Täter ist die Scham der Missbrauchten. Deshalb müssen wir das Bewusstsein und das Selbstbewusstsein der Kinder stärken, dass es absolut nicht okay oder normal ist, missbraucht zu werden. Über 80 Prozent der Missbrauchsfälle passieren im engsten Umfeld, in der Familie. Da ist die Hemmschwelle besonders hoch, sich Hilfe zu holen. Genau hier müssen wir die Kinder ermutigen.

STANDARD: Das ist entscheidend. Warum aber nicht noch zusätzlich eine Kampagne: "Wenn Sie Angst haben, zum Täter zu werden, melden Sie sich bei dieser und jener Beratungsstelle"?

Plakolm: Mein Fokus als Jugendstaatssekretärin liegt natürlich aufseiten der Kinder und Jugendlichen. Aber wie gesagt: Wir werden auch die bestehenden Angebote zur Täter- und Präventionsarbeit noch weiter ausbauen.

STANDARD: Als kürzlich der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sagte, wenn deren Eltern nicht migriert wären, wäre "Wien noch Wien" – was haben Sie sich da als Jugendstaatssekretärin gedacht?

Plakolm: Ich finde diese Antwort an eine Schülerin zutiefst falsch, und ich war irritiert. Weil man schon auch differenzieren muss: zwischen den Menschen, die bereit sind, sich zu integrieren, und sich integriert haben – in der Gesellschaft, auf dem Arbeitsmarkt, in der Schule; und denjenigen, die nicht bereit sind, sich in Österreich zu integrieren. Und da liegen Welten dazwischen.

STANDARD: Wo würden Sie sich eigentlich innerhalb Ihrer Partei verorten? Eher im liberaleren oder im konservativeren Flügel?

Plakolm: Man kann mich wohl schwer in eine Schublade stecken, weil ich nach Themen entscheide, was das Richtige ist. Beim Blutspendeverbot für Homosexuelle, das wir jetzt Gott sei Dank aufgehoben haben, habe ich den Stein ins Rollen gebracht. Da würde man wohl sagen, ich war eher liberal. Wenn es um die Schaffung von Eigentum in Form der eigenen vier Wände geht, bin ich wieder konservativer. Ich glaube, ich habe klar gezeigt, dass es mir um die Sache geht.

Für ihre klaren Aussagen zum Recht auf Abtreibung habe sie aus ihrer Partei keine negativen Rückmeldungen bekommen, sagt die Staatssekretärin.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Als das US-Höchstgericht das landesweite Recht auf Abtreibung kippte, nannten Sie das Urteil im STANDARD einen "erschreckenden Rückschritt ins Zeitalter der Engelmacherinnen". In Österreich werde man die Gesetzgebung "unter Garantie nicht einschränken". Ungewöhnlich klar für eine ÖVP-Politikerin. Haben Sie danach ein paar Anrufe von älteren Parteikollegen bekommen, denen das vielleicht nicht so gefallen hat?

Plakolm: Ich habe eigentlich nur bestärkende Rückmeldungen für dieses Statement bekommen – vor allem von Frauen innerhalb der Partei. Für Männer war das eher selten ein Thema. Es ist aber generell bezeichnend, dass sich fast nur Frauen dazu zu Wort melden.

STANDARD: Ihr Parteichef, Kanzler Karl Nehammer, ist gerade mit schmerzhaften Wahlniederlagen und schlechten Umfragen konfrontiert. Sie gelten als ÖVP-Zukunftshoffnung. Lust, Ihre Partei zu übernehmen?

Plakolm: Ich habe Lust, Jugendstaatssekretärin zu sein und jetzt punkto leistbaren Wohnens etwas weiterzubringen. Das ist mein Neujahrsvorsatz für 2023.

STANDARD: Und wenn man Sie fragen würde?

Plakolm: Die Frage stellt sich nicht. Wir haben einen super Bundeskanzler, der verlässlich ist und gerade in schwierigen Zeiten gezeigt hat, wie wichtig es ist, aufeinander zuzugehen.

STANDARD: Sebastian Kurz arbeitet im Hintergrund offenbar eifrig an Comebackplänen. Würden Sie es eigentlich begrüßen, wenn er wieder zurückkommt?

Plakolm: Man liest und hört dazu zwar viel. Bestätigt ist aber nichts – weder in die eine noch in die andere Richtung. Und Fragen stellen sich dann, wenn sie sich tatsächlich stellen. Darum halte ich von diesen Mutmaßungen gar nichts. Das ist ein bisschen wie Bogenschießen im Dunkeln: Vermuten wir einmal, dass da etwas im Busch ist.

STANDARD: In einem legendären Social-Media-Post kurz vor Ihrem Amtsantritt haben Sie scherzhaft gesagt, dass man bis 30 idealerweise ein Haus gebaut, ein Kind gezeugt und einen Baum gepflanzt haben sollte. Sie sind vor kurzem 28 geworden – schon Stress mit Hausbau oder der Botanik?

Plakolm: Ich habe schon mehrere Hundert Bäume in meinem Leben gepflanzt. Ich hoffe, das eine kompensiert das andere und verleiht mir etwas Nachsicht, wenn ich das andere nicht pünktlich bis zum 30er schaffe.

STANDARD: Wenn Hausbau: eher im Mühlviertel, wo Sie aufgewachsen sind, oder doch in Wien, damit Sie Bundesparteichefin werden können?

Plakolm: Ganz klar: das Mühlviertel.

STANDARD: Also langfristig in die Landespolitik? Weil um nach Wien zu pendeln, ist es aus dem Mühlviertel doch ein bisschen weit.

Plakolm: Sogar das hat es schon gegeben. (Martin Tschiderer, Sophie Mooseder, 7.2.2023)