Die Reichen und Superreichen Spaniens werden zur Kassa gebeten – etliche Regionen wehren sich.

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Am 31. Dezember 2022 trat in Spanien eine umstrittene neue "Reichensteuer" in Kraft. Sie trägt wörtlich übersetzt den Namen "Temporäre Solidaritätssteuer auf große Vermögen" (kurz ITSGF). Vorerst ist sie nur für zwei Jahre wirksam (bis Ende 2024). Sie betrifft laut Aussendung des Finanzministeriums in Madrid rund 23.000 Spanier sowie jene, die ihren steuerlichen Hauptwohnsitz im Lande haben, und soll knapp 1,5 Mrd. Euro einbringen.

Wer zwischen drei und fünf Millionen Euro Nettovermögen hat, muss demnach 1,7 Prozent davon extra an den Fiskus abliefern. Der ITSGF-Satz steigert sich für jene, die fünf bis zehn Mio. Euro besitzen, auf 2,1 Prozent. Wer mehr als zehn Millionen Euro hat, für den gilt ab dieser Schwelle der Satz von 3,5 %. Wie die Wirtschaftszeitung Cinco Días vorrechnet, muss jemand, der exakt zehn Millionen Euro Vermögen hat, pro Jahr 139.000 Euro auf dieses bezahlen. Daraus ergibt sich, dass 1,7 % für die ersten zwei besteuerten Millionen bis fünf Millionen Euro (34.000 Euro) fällig werden und 2,1 % bis zehn Millionen Euro (105.000 Euro).

Madrid will raus

Wobei dieser Betrag geringer ausfällt, weil die bereits bestehende Vermögenssteuer ("Impuesto sobre el Patrimonio") davon abgezogen wird, um eine gesetzeswidrige Doppelbesteuerung auszuschließen. Aus demselben Grund abgezogen werden im Ausland bezahlte Steuern auf dasselbe Vermögen. Was Multimilliardäre wirklich zahlen müssen, das ist gerade Gegenstand vieler Diskussionen im Land.

Reichster Mann Spaniens ist Amancio Ortega (er hat die Inditex-Gruppe gegründet, zu der beispielsweise Zara oder Massimo Dutti gehören), Forbes schätzt sein Vermögen auf 70 Milliarden Euro. Er müsste rund 2,6 Milliarden Euro an ITSGF-Steuer bezahlen – abzüglich bezahlter Vermögens- und anderer Abgaben im Ausland wie Holland oder Malta.

Die Linkspartei Unidas Podemos ("Gemeinsam können wir", kurz UP) will mit diesem Thema seit Jahren punkten. Die größte Oppositionspartei, der rechtskonservative Partido Popular (PP), war vehement gegen die Einführung der Reichensteuer. Allen voran: PP-regierte Regionen wie die wirtschaftlich stärkste Region des Landes, die Hauptstadtregion Madrid unter Rechtspopulistin Isabel Díaz Ayuso. Eine von ihr in Auftrag gegebene Studie stützt ihre These, dass die Millionärssteuer Auslandskapital abschrecken würde und sich mit einem Investitionsrückgang von 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro in der Region niederschlagen würde. Madrid, Andalusien, Galicien oder etwa Murcia erwägen beispielsweise nach wie vor, die spanische Form der Grundsteuer ("Impuesto sobre Bienes Inmuebles", kurz IBI) drastisch zu senken.

Gegen den Gleichheitsgrundsatz?

Andalusien, wo der PP unter dem wiedergewählten Juan Manuel "Juanma" Moreno Bonilla Mitte des Vorjahres erstmals die absolute Mehrheit errungen hat, überlegt gemeinsam mit Madrid eine Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die Millionärssteuer ITSGF, mit der Argumentation, sie sei verfassungswidrig. Konkret wird ins Treffen geführt, sie verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei diskriminierend. Zudem bedeute ihr Inkrafttreten am Silvestertag, dass sie rückwirkend für 2022 wirksam werde, sagt Steueranwalt Carlos Lacaci von der Kanzlei Lacaci & Delgado Abogados in der Wirtschaftszeitung elEconomista.es. Das erzeuge Rechtsunsicherheit, kritisiert der Anwalt und rät Betroffenen, "individuell gegen die ITSGF-Steuer Klage einzureichen".

Die Vermögenssteuer wurde in der Region Madrid schon 2009 unter Ex-Regionalpräsident Esperanza Aguirre (2003–2012) abgeschafft, de facto wird der bezahlte Betrag zur Gänze von der Region refundiert. Bei der Abschaffung der Vermögenssteuer zog Moreno Bonilla Ende 2022 nach, und auch Galicien will diesen Schritt setzen. Die nordwestspanische Heimat von PP-Parteichef Alberto Nuñez Feijóo ist seit jeher Bastion der Rechtskonservativen, er hofft, dass er bei den Parlamentswahlen spätestens Ende des Jahres den Nachfolger von Premierminister Pedro Sánchez (PSOE) stellen kann. Für Sánchez und seine Koalitionspartner von der Linkspartei UP wird es darauf ankommen, wie man seine Sozialmaßnahmen als Erfolge ins Zentrum des Wahlkampfs rücken kann – gegen die Strategie des PP.

Geld zur Entlastung

Die Linksregierung in Madrid hat eine lange Liste an Maßnahmen beschlossen, um die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für die Bevölkerung abzufedern. So wurde die Mehrwertsteuer in vielen Bereichen deutlich gesenkt (bei Strom, Gas und Festbrennstoffe von 21 auf fünf Prozent) oder mit 1. Jänner gar gänzlich ausgesetzt. Das geschah bei Grundnahrungsmitteln wie Brot, Milch, Käse, Eiern, Obst und Gemüse. Die Mehrwertsteuer auf Olivenöl und Nudeln wurde von zehn auf vier Prozent herabgesetzt.

Mitte Februar bekommen Haushalte mit einem Jahreseinkommen von unter 27.000 Euro eine Einmalzahlung. Von der Steuerbehörde werden 200 Euro ausgezahlt, um die Preisanstiege bei Lebensmitteln abzufedern. Zudem müssen Banken für Zins- und Gebühreneinnahmen Übergewinnsteuern zahlen, und neben dem Gaspreisdeckel zur Stromkostensenkung, der seine Wirksamkeit bewiesen hat, werden zur Einnahmensteigerung der Staatskasse auch Energie-, Gas- und Mineralölkonzerne mit "Übergewinnsteuern" belegt. (Jan Marot aus Granada, 8.2.2023)