Es wurde als Revolution in der Modebranche gefeiert: Unterwäsche für jede Körperform und -größe, beworben von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Altersklasse. Es ist ein Versprechen für mehr Inklusion, Diversität und Selbstvertrauen, mit dem die US-Sängerin Rihanna offensiv für ihre Marke Savage X Fenty wirbt. Rihanna ist bekannt für zahlreiche Wohltätigkeitsprojekte. Dessous, die Frauen bestärken, passen in ihr Portfolio.

Wäre da nicht das Problem mit dem Kaufprozess. Auf der Homepage der Marke werden Lingerie-Sets und BHs zu günstigen Preisen (zwei für 29 Euro) beworben – diese Rabatte gibt es aber nur in Kombination mit einer "VIP-Mitgliedschaft". Nimmt die Kundin diese nicht, dann kostet ein Kleidungsstück schnell einmal 60 bis 100 Euro.

Was im Onlineshop des Labels allerdings lange Zeit nicht klar ersichtlich war: Die scheinbar vergünstigende VIP-Mitgliedschaft kostet monatlich 50 Euro. Weshalb seit dem Start von Savage X Fenty zahlreiche Kundinnen in einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft landeten, ohne sich dessen bewusst zu sein. "Einem werden VIP-Mitgliedschaften untergejubelt, die dann 50 Euro im Monat kosten!" oder "Habe zwei E-Mails geschrieben, keine von ihnen wurde jemals beantwortet", schreiben etwa Kundinnen in der Bewertungsplattform Trustpilot.

Monatsabo um 50 Euro

Ein ähnliches Prinzip gilt auch beim Modeprojekt der Schauspielerin Kate Hudson. Ihr Sport-Label Fabletics wirbt damit, "für alle leistbare, modische und passende athletische Kleidung" zu bieten. Zwei Sportleggings sind etwa für nur 24 Euro zu haben. Bei dem fast unschlagbaren Preis blieb es für die meisten nach Abschluss der Bestellung aber nicht. Auch Fabletics verlangt für reduzierte Preise eine VIP-Mitgliedschaft. Diese wird im Warenkorb so inkludiert, dass sie vielen nicht auffällt. Wer die Order für die Günstig-Leggings abschickt, steckt kurzerhand in einem monatlichen Abonnement für knapp 50 Euro. Die Regeln sind dabei ungewöhnlich: Zwischen dem 1. und dem 6. eines Monats können Mitglieder das Abo pausieren, für den aktuellen Monat wird dann kein Betrag vom Konto abgebucht. Der Kunde muss sich also an diese Bedingungen erinnern und seine Abo-Pause rechtzeitig anmelden.

Auch das vom amerikanischen Model Kimora Lee Simmons gegründete Modeunternehmen Justfab, das im vergangenen Jahr mit Shoedazzle, der Schuhmarke von Reality-Star Kim Kardashian (Bild) fusioniert wurde, nutzt ein ähnlich schwer zu durchschauendes VIP-Abo-Konzept.
Foto: Jordan Strauss/Invision/AP

Auch das vom amerikanischen Model Kimora Lee Simmons gegründete Modeunternehmen Justfab, das im August des vergangenen Jahres mit Shoedazzle, der Schuhmarke von Influencerin und Reality-Star Kim Kardashian, fusioniert wurde, nutzt ein ähnlich schwer zu durchschauendes VIP-Abo-Konzept. Für die Vermarktung all dieser Promi-Marken verantwortlich ist das US-Start-up Techstyle Fashion Group, das sich auf VIP-Abo-Modelle im Internet spezialisiert hat. Mittlerweile regt sich bei Konsumentenschützern Widerstand gegen die zu undeutlich ausgewiesenen Abo-Modalitäten. Die gemeinnützige Organisation Better Business Bureau zählt nach eigenen Angaben mehrere Tausend Kundenbeschwerden allein in den USA zu Justfab. Auch eine Analyse von Beiträgen quer durch soziale Medien wie Youtube, Tiktok, Twitter und Facebook, auf Bewertungsplattformen und Blogs zeigt, wie viele Menschen den Bestellvorgang falsch verstehen und ungewollt in einem Abo landen.

Alarm in sozialen Medien

"Achtung an meine Mädels da draußen, Achtung bei Fabletics-Leggings, okay?", warnt eine 22-jährige Tiktokerin aus Düsseldorf mit 26.000 Followern. "Ich hatte mal bei Instagram das Angebot 'zwei Leggings für 25 Euro' gesehen und bestellt. Nach ein paar Wochen kam eine E-Mail, dass man bei meinem Paypal 50 Euro abgebucht hat. Ich dachte, die Mitgliedschaft wäre ein Newsletter oder so!"

Fast 3.000 Kommentare sammeln sich unter dem kurzen Videobeitrag. "Der Kündigungsprozess war schwierig. Die wollten mir eine halbe Stunde einreden, dass ich doch nicht kündigen bräuchte", schreibt eine Userin. Eine andere Posterin erklärt, man könne doch mit der Abo-Gebühr im Onlinestore einkaufen, das Geld sei also nicht weg. Tatsächlich ist es möglich, die bezahlten 50 Euro als Credits für weitere Kleidung zu verwenden. Aber wer braucht jeden Monat neue Sportkleidung, Unterwäsche und Schuhe? Zumal übermäßiger Konsum immer unpopulärer wird, wie eine neue Studie der Arbeiterkammer (AK) und von Greenpeace Österreich zur Textilindustrie belegt. Mehr als 80 Prozent der 1.500 Teilnehmenden sahen Kleiderüberproduktion als massives Übel und sehr belastend für die Umwelt an. "Es braucht Änderungen im Verhalten und gesetzliche Regeln", sagt AK-Konsumforscherin Nina Tröger.

Intensives Marketing

Youtuberin Sashka, die knapp 600.000 Abonnentinnen hat, testet und analysiert in Videos regelmäßig Konsumtrends. Auch sie ist vor einigen Jahren unwissentlich in ein Abo bei Savage X Fenty getappt. Anfang 2022 veröffentlichte sie ein Video zur Qualität und zum Preis der Artikel. "Ich bin unglaublich enttäuscht von der Marke", sagt sie. "Dass die Preise an Dreistigkeit nicht zu überbieten sind, das kann ich keinem vorlügen. Wieso muss ich jeden Monat BHs kaufen oder daran denken, rechtzeitig zu pausieren?" Es sei auch nicht ihre Pflicht, das Kleingedruckte zu lesen, sagt ein Rechtsvertreter der Ursus-Rechtsanwaltskanzlei in Berlin, die sich auf VIP-Abos fokussiert. "Viele unserer Mandanten merken erst nach Monaten, dass der Betrag abgebucht wurde", sagt der Anwalt. "Das europäische Gesetz sieht vor, dass man nicht mit Überraschungen rechnen muss."

Doch dank der raffinierten Marketingstrategie sind Savage X Fenty und Fabletics nach wie vor höchst erfolgreich. In Kooperation mit Mikroinfluencerinnen, die zwischen 1.000 und 50.000 Follower auf Tiktok, Instagram oder Youtube haben, locken die Labels immer mehr Neukundinnen. Über die zwar kleineren, aber zahlreichen Accounts verbreitet sich die Werbung rasant in immer neuen Zielgruppen. Wer nach den Marken sucht, wird mit Anprobier- und Sportvideos junger Frauen überhäuft, die von den Leggings oder BHs von Kate Hudson oder Rihanna schwärmen.

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Show von Rihannas Marke Savage X Fenty: Rabatte gibt es nur in Kombination mit "VIP-Mitgliedschaften".
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Emma McInty

Ende 2022 legte ein US-Gericht die Geschäftspraktiken von Savage X Fenty als irreführendes Marketing aus, eine Zahlung von 1,1 Millionen US-Dollar Strafe wurde fällig. Wohl auch deshalb sind die Abo-Bedingungen auf der Homepage nicht mehr so verdeckt, sagt Karl Gladt von der Internet-Ombudsstelle in Wien. Aufgrund des Drucks von Verbraucherschutzstellen nahmen die Eigentümer kleine Änderungen im Bestellprozess vor: Seit letztem Jahr erscheint im Warenkorb nicht mehr nur der Button "Kaufen", sondern auch "Kostenpflichtige Mitgliedschaft bestätigen". Dennoch bemängelt Verbraucherschützer Gladt, dass der Preis von über 50 Euro Mitgliedschaft im Bestellprozess immer noch nicht klar genug hervorgeht. "Im kleingedruckten Fließtext ist die Summe versteckt, das ist nicht rechtskonform", sagt Gladt.

Offen für Rückzahlung

Laut Fabletics sei die Homepage so transparent wie möglich aufgebaut. Gerrit Müller, Geschäftsführer von Fabletics Europa, betont im Gespräch mit dem STANDARD, dass im Online-Shop immer sichtbar steht, "worum es in der Mitgliedschaft geht und dass man monatlich kündigen und pausieren kann, wenn man gerade nichts kaufen will". Würde eine Person die Information über die Mitgliedschaft übersehen und das mitteilen, wäre der Kundenservice offen für eine Rückzahlung. "Wir haben kein Interesse daran, Kunden zu verprellen", sagt Müller. "Unser Geschäftsmodell ist nicht die Mitgliedschaftsgebühr, sondern der Verkauf der Leggings und Klamotten."

Natürlich gebe es auch Konflikte, die würden aber auch ohne Anwalt gelöst. Zudem würde ein Star wie Rihanna nur Geschäfte eingehen, die ihrem Image nicht schaden. "Wenn sie sich nicht sicher wäre, dass die Kundinnen glücklich sind mit dem, was sie bekommen, hätte sie nicht mitgegründet." Das wäre eben inklusive und diverse Unterwäsche – die ihren Preis hat. (Melanie Raidl, 8.2.2023)