Die USA wollen mit grünen Investitionen ihre Wirtschaft ankurbeln. Europa fühlt sich ausgeschlossen.

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Der Himmel hat sich unerwartet bewölkt, und Robert Habeck gibt gerade im Anzug etwas dünn bekleidet ein Statement vor dem Weißen Haus ab, als die Beamten drinnen in der Regierungszentrale eine "Faktensammlung" verschicken. "Bidens Wirtschaftsplan geht auf", steht über dem Papier, in dem die Re-Industrialisierung des Landes gelobt und eine Präzisierung des Infrastrukturgesetzes angekündigt wird: Der öffentliche Ausbau von Straßen, Schienenwegen und Stromleitungen solle künftig nur noch mit Baumaterial made in America erfolgen.

Die Gleichzeitigkeit der Pressemitteilung und des Auftritts des deutschen Vizekanzlers am Montagmittag ist reiner Zufall, und wirklich überraschend kommt die neue Auflage nicht. Doch die Szene verdeutlicht das Dilemma, in dem sich der Grünen-Politiker befindet. Eigentlich ist Habeck nach Washington gekommen, um auf Änderungen an Bidens Klimagesetz zu drängen, das "grüne" Subventionen von 369 Milliarden Dollar nur für E-Autos, Wärmepumpen oder Stromspeicher vorsieht, die ganz oder überwiegend in Amerika gefertigt wurden. Doch nationaler Protektionismus ist in den USA gerade schwer in Mode.

Nüchterner Realismus

So macht sich der Wirtschaftsminister denn auch keine Illusionen: "Das Gesetzgebungsverfahren ist abgeschlossen, und die amerikanische innenpolitische Lage lädt nicht dazu ein, dieses Verfahren neu zu eröffnen", stellt Habeck vor laufenden Kameras mit Bezug auf das "Inflationsreduzierungsgesetz" (IRA) genannte Klimapaket nüchtern fest. Das Regelwerk bleibt unverändert.

Worum es bei seinen Gesprächen mit mehreren Ministern nun gehe, seien die Ausführungsbestimmungen. Dort haben die Europäer bereits eine Klausel durchgesetzt, die zumindest Leasingfahrzeuge von den Auflagen befreit. Nun geht es um die Schaffung möglicher Schlupflöcher für Rohstoffe.

Der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, links im Bild) versucht gemeinsam mit Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire in Washington europäische Interessen durchzusetzen.
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Anders als der französische Präsident Emmanuel Macron, der vor seinem Besuch im Dezember mächtig auf die Pauke haute und der amerikanischen Regierung vorwarf, sie spalte mit ihrer "super-aggressiven" Politik gegenüber europäischen Unternehmen den Westen, kommt der deutsche Vizekanzler als freundlicher Diplomat.

Green New Deal "hochwillkommen"

"Immer besser" sei die Zusammenarbeit mit Washington seit dem Amtsantritt von Joe Biden geworden, lobt er und spricht von neuem Vertrauen "auf hohem Niveau". Auch für das Klimagesetz findet er äußerst freundliche Worte: "Die Amerikaner machen damit etwas Ähnliches, was Europa schon einige Jahre zuvor gemacht hat, nämlich einen Green New Deal. Das ist hochwillkommen."

Doch für Joe Biden ist das Gesetz mehr. Es ist sein Hebel, die amerikanische Abhängigkeit vom strategischen Rivalen China zu reduzieren und gleichzeitig dringend benötigte heimische Jobs zu schaffen. Das macht den Konflikt so kompliziert. Und es nötigt die Europäer, ihre Kräfte zu bündeln: Gemeinsam mit dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire wurde Habeck am Dienstag bei Bidens Wirtschaftsberater Brian Deese, bei Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und Finanzministerin Janet Yellen vorstellig.

Selbstverständlich ist da nichts: "Deutschland und Frankreich sind nicht automatisch immer einer Meinung", räumt der Berliner Wirtschaftsminister mit Blick auf die Energiepolitik oder die Rüstungsindustrie ein. Gerade deswegen sei es so wichtig, dass man in Washington als starkes Duo auftrete. Es geht nicht nur um mögliche Ausnahmen beim Klimagesetz.

Drängen auf Rohstoffpartnerschaft

Die beiden Politiker wollen auch auf eine gemeinsame transatlantische Strategie beim Abbau seltener Erden drängen. "Eine Art Rohstoffpartnerschaft, eine grüne Brücke über den Atlantik", nennt Habeck das. Ob er vielleicht Chancen für ein Freihandelsabkommen mit den USA sehe, wird der Minister irgendwann gefragt. Da winkt er ab. So etwas Umfassendes werde es kaum geben. Aber gemeinsame Standards und Normen für die grüne Industrietechnik – das wäre ein Riesenfortschritt. Die amerikanische Bereitschaft dazu will er bei seinen Gesprächen ausloten. Überraschend kommt am Dienstagnachmittag noch ein Termin bei Außenminister Antony Blinken dazu. Man kann das durchaus als politisches Zeichen werten, wie wichtig die Biden-Regierung trotz aller Differenzen den deutschen Verbündeten nimmt.

Am Dienstagmorgen stehen Habeck und sein später angereister Kollege Le Maire erst einmal gemeinsam vor ihrem Hotel auf der Straße. "Ich bin hier mit meinem Freund Robert Habeck, um die Interessen der europäischen Industrie zu verteidigen und sicherzustellen, dass es fairen Wettbewerb gibt", zeigt sich der Franzose kämpferisch. Heute ist der Himmel blau. Doch Habeck hat vorsichtshalber einen Mantel angezogen.

Le Maire sagte nach ersten Gesprächen später, Deutschland und Frankreich hätten mit den USA "substanzielle Fortschritte" erzielt für gleiche Regeln. Es sei von beiden Seiten die Notwendigkeit anerkannt worden, volle Transparenz herzustellen für die gewährten Subventionen und Steuervorteile, betonte Frankreichs Wirtschaftsminister. Auch solle die EU bei den Vorgaben zu kritischen Rohstoffen bestimmter Produkte bessergestellt werden, darüber seien beide Seiten einig gewesen. "Jetzt ist es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen." (Karl Doemens aus Washington, red, APA, 7.2.2023)