"Wir suchen Menschen, die mit uns zusammen Jesus nachfolgen und in einen missionarischen Lebensstil gerufen sind." Mit dieser eher ungewöhnlichen Jobdescription wirbt die Loretto-Gemeinschaft um Kandidatinnen und Kandidaten für offene Stellen. Zu den nötigen Voraussetzungen gehören "die Bereitschaft, sich auf den Weg der Jüngerschaft mit uns einzulassen" und ein "aktives, persönliches Gebetsleben".

Das Auftreten der Lorettos gleicht dem einer freikirchlichen Erweckungsbewegung, auch die intensive popmusikalische Untermalung ihrer Gottesdienste ist für österreichische Verhältnisse außergewöhnlich. Die Vermarktung ist hip, Predigten werden via "Youtube Church" übertragen und richten sich vorwiegend an junge Menschen, denen ein einzigartiger Lifestyle in sozialem Umfeld schmackhaft gemacht werden soll. "Jüngerschaft und Leadership rund um den Küchentisch" lautet eine typische Loretto-Parole.

Jünger und Jungfrauen

Ihre Wertvorstellungen sind hingegen katholisch konservativ, als Ideal gilt ihnen Verzicht auf Sex vor der Ehe, Pornografie wird als große Gefahr angeprangert. Institutionell sind die Lorettos seit 2017 als Verein in der katholischen Kirche verankert. Für Aufsehen sorgte vergangenes Jahr eine reich inszenierte "Jungfrauenweihe" im Salzburger Dom, bei der eine Protagonistin der Bewegung als Zeichen ihrer exklusiven Beziehung zu Jesus ein ewiges Keuschheitsgelübde ablegte und sich bei der Zeremonie demonstrativ auf den Boden warf.

Ein Bild von der letztjährigen "Jungfrauenweihe" einer Loretto-Anhängerin im Salzburger Dom.
Foto: Wilbild/ Herbert Rohrer

Salzburg hat sich in den vergangenen Jahren überhaupt zum Zentrum des Vereins entwickelt, dort hat Loretto nicht nur die Dombuchhandlung übernommen, sondern auch die "Home Akademie" ins Leben gerufen, die zur Ausbildung der Glaubenspraxis bei ihrem Nachwuchs sogenannte "Jüngerschaftsprogramme" anbietet.

Seit dem Wintersemester gibt es nun ein Universitätsstudium, für das die Lorettos auf allen Kanälen die Werbetrommel rühren: den Bachelor in "Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation" an der Theologischen Fakultät der Uni Salzburg, einer öffentlichen Hochschule.

Abmachung und Auftrag

Zur Information über das dreijährige Studium, das laut Curriculum etwa zur Entwicklung von Strategien und Strukturen einer "zeitgemäßen Vermittlung" des christlichen Glaubens befähigen soll, betreibt die Home Akademie sogar eine eigene Website. Wer sich dort über das Fragenformular mit Anliegen rund um das Studium meldet, wird per Mail direkt mit der Home Akademie verbunden.

Die Theologin Bernadette Lang wurde vergangenes Jahr zur "ewigen Jungfrau" geweiht. Nun beantwortet sie Fragen zum neuen Bachelorstudium "Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation" der Uni Salzburg.
Foto: Wildbild / Herbert Rohrer

Die Uni Salzburg steht zu diesem Zusammenspiel: Die Inhalte der Werbemaßnahmen seien mit Home "akkordiert", es gebe daneben ohnehin auch eine von der Uni Salzburg selbst betriebene Website, über die man Infos zum Studium bekomme. Das aufwendig gestaltete Werbevideo, das man dort sieht, hat allerdings die Medienabteilung von Home angefertigt. Studienprogrammleiter Alexander Zerfaß bestätigt dem STANDARD, dass es einen entsprechenden Auftrag der Fakultät an Home gegeben habe und nennt als Grund die "professionelle Arbeit, die dort geleistet wird".

Doch wer hat dafür bezahlt? Loretto-Proponentin Bernadette Lang antwortet, man habe der Uni Salzburg für das Video keinerlei Kosten verrechnet. Daraus lässt sich schließen, dass es sich beim Werbewert des Videos um eine Spende zugunsten der Uni handelt. Auf wiederholte Anfragen wollte die Uni dem STANDARD jedoch partout nichts zur Verbuchung der externen Leistung sagen.

In Österreich sind die öffentlichen Universitäten gesetzlich auch nicht verpflichtet, Informationen über die Herkunft und Zwecke von privaten Mitteln zu veröffentlichen. Solche Zuflüsse sind prinzipiell legal und an den Hochschulen meist auch erwünscht, Konkretes bleibt dem Publikum aber verborgen. Das gilt für Zuwendungen von Unternehmen ebenso wie etwa jene von religiösen Vereinen.

Interessen und Inputs

Das Zusammenwirken von Uni und Loretto beschränkt sich beim neuen Studium nicht auf PR-Aufgaben. Theologie-Dekan Michael Zichy schildert dem STANDARD zur Vorgeschichte des Studiums, dass bei der Diskussion "über sinnvolle Studienprofile und Anstellungsmöglichkeiten von Absolvent*innen im kirchlichen Bereich" verschiedene kirchliche Institutionen kontaktiert worden seien. Dabei habe es auch einen "konstruktiven Austausch" mit Home gegeben, zumal in deren Umfeld von Anbeginn viel Interesse an dem Studium bestanden habe. Zichy ist aber wichtig zu betonen, dass der Studienplan von der zuständigen Curricularkommission der theologischen Fakultät eigenständig entwickelt worden sei – das Curriculum wurde auch entlang der formalen Vorschriften vom Uni-Senat beschlossen.

Für die Verantwortlichen der Uni Salzburg stellt das Bachelorstudium "4C" (Christian Culture, Change &Communication) eine fachlich innovative Kombination dar, die für künftige Stellen im kirchlichen Bereich sinnvoll sei
Foto: APA/Gindl

Die Loretto-Gemeinschaft stellt die eigene Rolle bei der Konzeption des Studiums allerdings recht tatkräftig dar. Man habe gemerkt, dass sich viele Absolventen der eigenen Programme eine Arbeit im kirchlichen Bereich vorstellen können und habe deshalb im Rahmen der Bischofskonferenz für neue Ausbildungsformate plädiert. Die Uni soll dann "massives Interesse" signalisiert und auf die Home Akademie zugekommen sein: "Wir konnten sehr klaren Input geben, aus welchen Komponenten sich das Studium zusammensetzen sollte", schreibt Loretto-Aktivistin Lang und nennt etwa "christliches Grundverständnis, Change-Management und Organisationsentwicklung". Das Studium sei nun eine hervorragende Fortbildungsmöglichkeit für jene, die "Kirche und Organisation neu denken wollen".

Hoher Loretto-Anteil

Bei den Lorettos kommt dieses Angebot offenbar besser an als irgendwo sonst. Lang gibt freimütig an, dass von den aktuell 31 Studierenden rund 85 Prozent "aus dem Kontext und Dunstkreis der Home Akademie" kämen. Studienprogrammleiter Zerfaß bestreitet das nicht: Es sei "zutreffend, aber doch wohl nicht ehrenrührig", dass der Studiengang im Umfeld von Home auf "gute Nachfrage stößt". Das Studium sei qualitativ hochwertig und glänze durch eine innovative Kombination von Theologie, Betriebswirtschaft und Kommunikationswissenschaft. Eine Vereinnahmung des Studiums durch die Begehrlichkeiten einer externen Gruppierung schließt Zerfaß kategorisch aus, die Verankerung an der öffentlichen Hochschule verbürge Unabhängigkeit.

Mayr-Melnhof verneint Einbindung

Mit mehr universitärer Bereitschaft zur Transparenz ließen sich solche Aussagen von außen womöglich leichter beurteilen. Da wäre etwa die Frage nach der Verbindung zwischen der Mayr-Melnhof-Salzburg-Privatstiftung und der Uni Salzburg. Der aus einer alten Industriellendynastie stammende Georg Mayr-Melnhof hat die Loretto-Gemeinschaft 1987 gegründet und ist noch immer in wesentlichen Funktionen aktiv. Seine Stiftung dürfte sich jahrelang als Financier der Uni Salzburg engagiert haben, auf der Uni-Website taucht sie als Fördergeberin für ein von 2013 bis 2019 laufendes Forschungsprojekt am Zentrum des Christlichen Ostens auf.

Die Uni will dem STANDARD auch im Fall der Stiftung zu gegenwärtigen oder vergangenen Drittmitteln keine Auskunft geben. Mayr-Melnhof selbst sagt, er glaube, dass die noch von seiner 2010 verstorbenen Mutter festgelegten Geldflüsse ungefähr 2017 ausgelaufen seien. Über die Höhe dieser Zuwendungen habe er "keine Ahnung", das neue Bachelorstudium werde definitiv nicht von der Stiftung begünstigt. In Überlegungen zur Studiengründung sei er nicht involviert gewesen.

Geld von der Kirche

Sehr wohl finanziell gefördert wird das neue Studium von der Erzdiözese Salzburg. Deren Konsistorium – das kollegiale Leitungsgremium – hat laut Pressesprecher beschlossen, der Uni dafür jährlich rund 70.000 Euro zu geben, die Kooperationsvereinbarung ist freilich nicht einsehbar.

Den obersten Verwalter des segensreichen Budgets der Diözese dürften die aufstrebenden Missionare übrigens gut kennen: Finanzkammerdirektor Cornelius Inama war in der Gründungsphase Ende der 1980er-Jahre im einst kleinen Kreis der Loretto-Gemeinschaft dabei. (Theo Anders, 19.2.2023)