Megayachten wie diese hier in den Gewässern vor Hongkong können sich nur die Allerreichsten leisten. In diesen Einkommenssphären ist die Intelligenz nicht der bestimmende Faktor für den Erfolg.

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Finanziell erfolgreichen Menschen unterstellt man gerne auch hohe Intelligenz. Bei den wohlhabendsten Mitgliedern unserer Gesellschaft – so nehmen viele bereitwillig an – muss es sich doch auch um schlaue Leute handeln, nicht? Dass dieses Vorurteil existiert und verbreitet ist, konnten einige Studien und Experimente der letzten Jahrzehnte belegen.

Vielleicht ist es aber auch mehr als nur ein Vorurteil – immerhin fanden nicht wenige Untersuchungen entsprechende Parallelen zwischen den intellektuellen Fähigkeiten und dem Einkommen. Haben also die Spitzenverdiener und diejenigen mit den prestigeträchtigsten Jobs im Schnitt tatsächlich den größten Verstand? Man sollte es hoffen.

Extreme Einkommen

Die Job- und Verdienstsphären am obersten Ende der sozialen Pyramide sind für alle darunter Liegenden von enormer Bedeutung: In allen westlichen Ländern ist der Anteil der Höchsteinkommen seit den 1980er-Jahren gestiegen. In den USA heimst ein Prozent der Milliardäre 20 Prozent des Volkseinkommens ein. In Schweden sind es immer noch neun Prozent. Diese extrem hohen Einkommen und die damit verbundenen prestigeträchtigen Aufgaben gehen meist mit größter wirtschaftlicher und politischer Macht einher – eine möglichst hohe Intelligenz dieser Entscheider wäre also zumindest wünschenswert.

Einige sozialwissenschaftlichen Modelle erklären extremen beruflichen Erfolg freilich eher mit dem Vorhandensein familiärer Ressourcen in Kombination mit Glück als durch besondere Fähigkeiten. Wäre dem tatsächlich so, dann müsste mit steigendem Verdienst bzw. beruflicher Position die Begabung eine immer geringere Rolle spielen. Ein Team um Marc Keuschnigg von der schwedischen Universität Linköping hat mit seiner aktuellen Studie dafür nun einen handfesten Beleg gefunden.

Fragen und fehlende Daten

Aufgrund früherer Untersuchungen bestehe ein breiter theoretischer und empirischer Konsens darüber, dass im Durchschnitt Löhne und berufliches Prestige mit den kognitiven Fähigkeiten ansteigen, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "European Sociological Review". Kaum erforscht sei dagegen die umgekehrte Frage: Wie intelligent ist ein durchschnittlicher Höchstverdiener, wie variieren also die kognitiven Fähigkeiten mit dem beruflichen Erfolg?

Diese Lücke in der Literatur ist dem Fehlen verlässlicher Daten geschuldet, denn eigentlich bräuchte man dafür repräsentative Informationen zu den kognitiven Fähigkeiten von Menschen auf allen Ebenen des Arbeitsmarkterfolgs, insbesondere der höchsten Einkommensklassen. Aber gerade die Daten zu diesen Spitzenverdienern sind Mangelware. Ein Glück für das Forscherteam, dass das schwedische Militär im Rahmen der obligatorischen Wehrpflichtuntersuchungen auch die kognitiven Fähigkeiten testet.

Intelligenztests von fast 60.000 Männern

Damit lagen Keuschnigg und seinen Kollegen Arnout van de Rijt (European University Institute, Italien) und Thijs Bol (Universität von Amsterdam, Niederlande) Daten von gut 59.000 Männern vor, die im Alter von 18 bis 19 Jahren einen Intelligenztest durchlaufen hatten. Diese kombinierten sie mit Daten zu Gehältern und beruflichem "Prestige" von Männern im Alter von 35 bis 45 Jahren. Das resultierende opulente Zahlenwerk aus elf Jahren erlaubte es den Forschern sogar, winzige durchschnittliche Fähigkeitsunterschiede zwischen benachbarten Ebenen des beruflichen Erfolgs aufzuspüren.

Die Analyse lieferte mehrere bemerkenswerte Ergebnisse: So bestätigte sich einmal mehr eine starke Beziehung zwischen den intellektuellen Fähigkeiten und dem Lohnniveau. Allerdings schien sich dieser Zusammenhang ab einem gewissen Einkommen langsam zu verflüchtigen. Oberhalb von 60.000 Euro pro Jahr stagniert die Eigenschaft Intelligenz sogar auf einem bescheidenen Niveau von +1 Standardabweichung; die Korrelation wird beinahe vernachlässigbar.

Das "dümmere" oberste Prozent?

Bei 60.000 Euro im Jahr fand man also keine intellektuellen Unterschiede mehr zu jenen, die mehr als das verdienten. Interessanter noch ist der Befund für das oberste Prozent der Spitzenverdiener. Diese Gruppe schnitt bei den Intelligenztests im Verhältnis sogar etwas schlechter ab als die Einkommensschichten direkt unter ihr.

Keuschnigg und seine Kollegen räumen allerdings ein, dass ihre Studie in mehrfacher Hinsicht Lücken aufweist, insbesondere durch die mangelnde Vielfalt in der Stichprobe. Die Beschränkung der Analyse auf Männer beeinträchtige die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung, schreiben die Autoren, und hoffen daher auf weitere Untersuchungen mit vielfältigeren Stichproben.

Wo Intelligenz keine Rolle mehr spielt

Insgesamt fühlen sich die Forscher jedoch durch die Ergebnisse in ihren Annahmen bestätigt: Höhere Intelligenz kann zwar viel dazu beitragen, dass jemand in die höheren Einkommensregionen emporsteigt. Geht es aber um das wirklich große Geld, den endgültigen monetären Erfolg, dann spielen die kognitiven Fähigkeiten offenbar nicht mehr eine so große Rolle.

Andere Einflussgrößen geben dort bei der Karriereentwicklung den Ton an, die Wissenschafter tippen vor allem auf den sozialen Hintergrund und kumulative Vorteile. Wie sich nun zeigte, kann das sogar so weit führen, dass die "Topspieler der ersten Liga" im Schnitt etwas weniger intelligent sind als Mitglieder der Einkommensschichten gleich darunter. Das heißt letztlich aber nicht, dass diese Menschen "dümmer" wären als der Durchschnitt, sie sind nur eben auch nicht wirklich intelligenter als der überwiegende Rest von uns. (tberg, 9.2.2023)