Milorad Dodik bei der Parade in Ostsarajevo am 9. Jänner, dem vom Verfassungsgericht verbotenen Feiertag der Republika Srpska.

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Sie gehört zu jenen tapferen Frauen, die man in allen Staaten Südosteuropas finden kann: Kämpferinnen für Menschenrechte, Transparenz, Demokratie und Minderheiten in schwierigen politischen Umständen, die von meist nationalistischen, zuweilen auch autokratisch agierenden Männern dominiert werden. Die Analystin Tanja Topić arbeitet schon seit vielen Jahren in der bosnischen Stadt Banja Luka für die SPD-nahe deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung.

In dieser Funktion kritisiert sie unter anderem auch die Politik des Kreml-Freunds Milorad Dodik, der der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD vorsitzt. Am 24. Mai 2021 griff Dodik Topić direkt an. Er behauptete, dass Topić "erwiesenermaßen" eine "Agentin des deutschen BND", also des Bundesnachrichtendienstes, sei. Er, Dodik, habe ihr geholfen, diese Beschäftigung zu finden, habe aber nicht damit gerechnet, dass sie untertänig gegenüber "den Ausländern, die hierherkommen," sein werde.

"Quisling"

Er bezeichnete Topić zudem als "Quisling", also als jemandem, der mit dem Feind kollaboriere: "In jedem Fall versäumt sie keine Gelegenheit, bestimmte Lügen vorzubringen", meinte Dodik weiter. Sie arbeite "für die Interessen eines anderen Staates". Der mächtige Chef der SNSD sagte zudem, Frau Topić und ihre Familie seien "isoliert". "Sie sind aus der Gesellschaft ausgestoßen – und dies nicht, weil die Leute um sie herum das wollen, sondern weil sie eben so sind."

Wegen der Unterstellung, dass Topić für den BND arbeite, was ein strafrechtlich relevantes Delikt sein kann, forderte diese Dodik auf, seine Aussagen zurückzunehmen. Als er das nicht tat, verklagte sie ihn wegen Beleidigung und Verleumdung. Für Spionage, ein Delikt, welches Dodik Topić indirekt unterstellte, ist ein Strafmaß von zehn bis 20 Jahren vorgesehen. Tatsächlich wurde Topić infolgedessen mehrmals von Unbekannten auf der Straße provoziert und als Spionin bezeichnet. Sie erzählt etwa, ein ihr unbekannter Mann habe sich genähert und zu ihr gesagt: "Kleine, auf dich wartet ein Schuss in die Stirn." Dodiks Aussage habe demnach dazu geführt, dass sie auch von anderen Bürgern als eine Art Staatsfeindin gesehen werde.

Ausländische Agenten

Die verbale Attacke Dodiks gegen Topić erinnerte zudem an die Angriffe von Politikern auf NGOs in Ungarn oder aber auch in Russland. In Russland können seit 2012 Organisationen und seit auch 2020 Privatpersonen als "ausländische Agenten" registriert werden. Seit 2020 genügt für dieses Label eine angebliche "Beeinflussung" aus dem Ausland. Human Rights Watch stellte fest, dass die Zahl der registrierten Organisationen und Personen sich im Jahr 2021 verachtfacht habe.

Dodiks Verteidiger lehnte in der Gerichtsverhandlung die Klage als "gänzlich unbegründet" ab und erklärte, bei den Aussagen handele es sich um "Werturteile" und "Meinungen", die auf "grundlegenden Wahrheiten" beruhen würden. "Werturteile" wie "Quisling" oder "Agent" seien im Übrigen "fast alltäglich" und hätten "einen allgemeinen Platz in der öffentlichen Meinung und allgemein einen Platz in der lokalen politischen Kultur auf dem Balkan". Dodik missfalle es, dass die Klägerin für Ausländer arbeitet, die von der Masse der Öffentlichkeit in dem bosnischen Landesteil Republika Srpska als feindlich wahrgenommen werden.

"Kritischer Kommentar"

In dem Urteil, das Anfang Dezember vom Amtsgericht in Banja Luka veröffentlicht wurde, folgte der Richter den Argumenten von Dodiks Anwalt. Die Klage von Topić wurde als "vollends unbegründet" abgewiesen, was andere Juristen verwunderte. Die Klägerin sei eine "öffentliche Person", daher sei "die Grenze des kritischen Kommentars" ihr gegenüber erweitert, argumentierte das Gericht. Der deutsche Jurist Reinhard Priebe hat bereits in einem Bericht im Jahr 2019 die schweren Mängel im bosnischen Justizsystem, insbesondere in Bezug auf politische Einflussnahme, zusammengefasst. Es folgten allerdings keine der dringend empfohlenen Reformen.

Der frühere Präsident des Hohen Justiz- und Staatsanwaltschaftsrats, Milan Tegeltija, ist heute Berater von Dodik. Dodik selbst fiel zuletzt damit auf, dass er dem russischen Diktator Wladimir Putin einen Orden verleihen ließ und am 9. Jänner, dem vom Verfassungsgericht verbotenen Feiertag der Republika Srpska, eine Parade in Ostsarajevo abhalten ließ. Zu dieser Parade kam auch der Sohn des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, Danilo Vučić. Er stand auf der Bühne zwischen Vertretern der Republika Srpska (RS).

Regenschirm statt Gewehr

Über Vater Vučić wurde kürzlich wegen Filmaufnahmen diskutiert, die ihn zeigen, als er während des Bosnienkriegs (1992–1995) in Sarajevo war. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie der Chef der Serbischen Radikalen Partei, Vojislav Šešelj, Tschetniks besuchte, die sich oberhalb der Stadt befanden und hinunterschossen.

Auf den Aufnahmen sieht man Aleksandar Vučić , wie er sich wegdreht und mit einem umgehängten Maschinengewehr aus dem Feld der Kamera verschwindet. Vučić selbst behauptete kürzlich, dass die Aufnahmen gefälscht seien, dass es sich um eine Fotomontage handle und dass er damals kein Gewehr, sondern einen Regenschirm getragen habe. Ein Journalist warf in der Folge die Frage auf, ob der Regenschirm automatisch oder halbautomatisch gewesen sei. (Adelheid Wölfl, 9.2.2023)