Einsame Hütte im Wald: In "Knock at the Cabin" steht angeblich die Apokalypse bevor.

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Was als beschaulicher Urlaub in den Wäldern Pennsylvanias beginnt, nimmt für die kleine Wen (Kristen Cui) und ihre Väter Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) eine unerwartete Wendung. Denn plötzlich klopft ein Hüne an ihre Hütte, der sich als Leonard (Dave Bautista) vorstellt. Doch seine Erscheinung ist weniger ominös als das, was er ihnen mitteilt.

Universal Pictures

Im neuen Film des Meisters unerwarteter Wendungen, M. Night Shyamalan, werden menschliche Ausdauer und spiritueller Glaube auf den Prüfstand gestellt. Leonard ist nicht nur Überbringer einer biblischen Botschaft, er dringt auch mit seinen drei Begleitern in die Hütte ein. Doch niemand wolle der Familie etwas Böses. Vielmehr seien Wen und ihre Väter auserwählt, die Welt zu retten, verkündet Leonard. Die Apokalypse stehe bevor – es sei denn, die Familie entscheide sich, einen von ihnen zu opfern.

Im Dunkeln tappen

Was sich anfangs wie ein Home-Invasion-Thriller durch Sektenmitglieder anfühlt, wird zunehmend vage. Was hat es wirklich mit den vier Fremden auf sich? Einerseits ist da ihre Brutalität, andererseits kochen und kümmern sie sich um ihre Geiseln. Der wahre Zwiespalt ergibt sich aus den Gesprächen. Es liegt ein Zittern in Leonards Stimme, als wolle er selbst nicht glauben, was er hier einfordert. Außerdem wirken die Eindringlinge nicht wie psychotische Monster. Leonard ist Volksschullehrer, und auch seine Begleiter haben allesamt ganz gewöhnliche Berufe.

Shyamalan lässt den Zuschauer wie gewohnt lange im Dunkeln tappen. Sagen die Eindringlinge die Wahrheit? Ist man hier in einem Psychothriller oder einem Katastrophenfilm gelandet? Durch die Kameraarbeit werden diese Zweifel verstärkt: Mit ihren Close-ups der Gesichter, den schiefen Winkeln und dem unscharfen Hintergrund laden sich die Bilder zusätzlich mit Unsicherheit und Verzweiflung auf.

Begabter Wrestler Bautista

Das isolierte Kammerspielsetting ist das ideale Vehikel für die schauspielerischen Darbietungen. Insbesondere Dave Bautista beweist nach Blade Runner 2049 erneut, warum er aktuell der talentierteste Schauspieler mit Wrestling-Vergangenheit ist. Eben das Schauspiel macht Knock at the Cabin zu Shyamalans bester Arbeit seit langem. Seine frühen Filme wie The Sixth Sense waren stets von einer vielschichtigen Menschlichkeit gezeichnet, die innerhalb der letzten Jahre sukzessive der Effekthascherei gewichen ist.

Dennoch kann der Film dieses Momentum nicht bis zum Finale aufrechterhalten. Das mag daran liegen, dass Shyamalan und seine Co-Drehbuchautoren Steve Desmond und Michael Sherman das letzte Drittel der Romanvorlage von Paul Tremblay komplett umgeschrieben haben.

Abziehbild des 21. Jahrhunderts

Nach dem starken, ambiguen Beginn gibt sich Shyamalan dann doch wieder einem von Katastrophen gebeutelten Bilderreigen hin: Überschwemmungen, Pandemien, Flugzeugabstürze. Sein Film ist ein Abziehbild eines 21. Jahrhunderts, für das man möglicherweise schon zu abgestumpft ist.

So lässt sich Knock at the Cabin in manchen Momenten wie eine zynische Wunschvorstellung lesen: Hätten doch gewöhnliche Menschen nur die biblische Macht, den Weltuntergang zu stoppen. Letztendlich verschenkt der Film sein Potenzial und lässt sein Publikum mit einem nagenden Gefühl der Enttäuschung zurück. (Susanne Gottlieb, 9.2.2023)