"Almwirtschaft und Wolf passen nicht zusammen", meint Neos-Klubobmann Dominik Oberhofer.

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Innsbruck/Wien/Brüssel – Der Wolf hat am Mittwoch einmal mehr den Tiroler Landtag umgetrieben. Alle Fraktionen bis auf die Grünen stimmten einem Antrag auf Gesetzesnovelle der schwarz-roten Landesregierung und der oppositionellen FPÖ zum Abschuss von Problem- und Risikowölfen per Verordnung zu. Trotzdem entbrannte eine lebendige Debatte um die Rechtssicherheit. Heftige Kritik hagelte es im Landtag zudem für Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die sich für den Wolf starkgemacht hatte.

Der für die Jagd zuständige Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbund-Chef, Josef Geisler (ÖVP), sprach von einem rechtlichen Grenzgang, der mit der Änderung des Jagdgesetzes und dem damit einhergehenden Wegfall der Möglichkeit, vor Gericht Beschwerde einzulegen, einhergehe. Allerdings gebe es zahlreiche Wissenschafter, die den Wolf nicht mehr als schützenswert – wie in der EU-FFH-Richtlinie festgehalten – erachten würden. Er argumentierte, dass das Land Wölfe, entgegen dem Vorwurf der Naturschutzorganisation WWF, "nicht pauschal zum Abschuss freigeben" würde. "Das ist eine glatte Unwahrheit", weiterhin würde man Rissbilder und die einzelnen Fälle betrachten. Nicht begeistert zeigte er sich außerdem über einen Brief, in dem sich Ministerin Gewessler gemeinsam mit elf EU-Amtskollegen angesichts der Biodiversitätskrise für den Schutz des Wolfes starkgemacht habe. Dies sei für ihn "unverständlich".

Eigenlob und Kritik an Gewessler

Noch härter fiel die Kritik an Gewessler indes von Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) aus. Wenn eine Ministerin in die Slowakei fliege und elf weitere Minister "aufstachelt" und gegen die Interessen Tirols agiere, "muss ich mir schon die Frage stellen, ob solche Personen noch richtig im Amt sind". Lob fand er indes naturgemäß für die Arbeit der Landesregierung: "Wir haben in dieser zentralen Frage buchstäblich geliefert", meinte er. Er war der "festen Überzeugung", dass der heutige Tag für die Bauernschaft "ein Tag der Freude" sei. Für Dornauer stand fest, dass die FFH-Richtlinie "nach 30 Jahren an die neuen Lebensrealitäten" angepasst werden müsse, denn es könne nicht sein, "dass ganz viele junge Landwirte die Stalltüre für immer schließen".

Der frühere Koalitionspartner der ÖVP, Grünen-Klubobmann Gebi Mair, sah nun aufgrund der fehlenden Begutachtung und dem Wegfall der Beschwerdemöglichkeit "Rechte der Bürger ausgehebelt", denn "eine Begutachtung für ein Gesetz dient ja nicht der Folklore". Für Mair sei die Gesetzesänderung ungeeignet, weil sich der Wolf aus rechtlicher Sicht "in einem ungünstigen Erhaltungszustand" befinde. Das sei eben nichts, "was sich der Gebi Mair oder der WWF ausdenkt". "Kaufen Sie nicht den Wolf im Schafspelz in diesem Gesetz", appellierte er an die Abgeordneten und übergab Geisler einen Sack voll Sand, den dieser den Bäuerinnen und Bauern in die Augen gestreut habe.

"Rechtliche Grenzüberschreitung"

FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger sah dagegen ein eindeutiges Wolfsproblem in Tirol. Die FPÖ habe bereits mehrmals Versuche zur Änderung des Jagdgesetzes gestartet. Zu Einwänden bezüglich einer möglichen EU-Rechtswidrigkeit zeigte sich Abwerzger unbeeindruckt: "Wenn man drei Gutachter fragt, bekommt man im besten Fall vier verschiedene Antworten."

Für Liste-Fritz-Klubobmann Markus Sint sei die rechtliche Fragwürdigkeit der Punkt, warum die Novelle "Licht und Schatten" bringe. Das Gesetz hätte nämlich "selbstverständlich eine Begutachtung gebraucht", man könne dies auch nicht mit Zeitmangel begründen. Sint war der Ansicht, dass dies eine "bewusste, rechtliche Grenzüberschreitung ist". Wenn es zu einer Aufhebung komme, werde die Landesregierung bestimmt sagen: "Das böse Brüssel, aber wir arbeiten rechtlich sauber." Der Klubchef sprach sich zudem für eine Änderung des Schutzstatus des Wolfes und damit für eine europäische Lösung aus. Neos-Klubobmann Dominik Oberhofer meinte hingegen nur knapp: "Almwirtschaft und Wolf passen nicht zusammen. Am Ende des Tages hat der Wolf keinen Platz." Heute sei eben der Tag, an dem die Politik entscheide.

Fürsprache des Landwirtschaftsministers

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) leistete seinen Parteikollegen jedenfalls Schützenhilfe. "Problemwölfe, die wiederholt Nutztiere reißen und in Siedlungsgebieten auftauchen, müssen entnommen werden können", erklärte er in einer Reaktion gegenüber der APA. Dies gelinge nur, wenn man an allen Schrauben "auf Landes- und EU-Ebene" drehe. Die Tiroler Novelle sei ein "schlagkräftiger Vorstoß".

Die vergangene schwarz-grüne Landesregierung hatte während seiner Zusammenarbeit heftig um das Thema Wolfsabschüsse gerungen. Als Kompromiss wurde ein Fachkuratorium eingerichtet, das über den Umgang mit Problemtieren entscheiden sollte. Anschließend wurde ein Bescheid erstellt, der jedoch mehrmals erfolgreich von Naturschutzorganisationen beeinsprucht worden war. In Kärnten versucht man mittlerweile ebenfalls, den Problemwölfen via Verordnung den Garaus zu machen. Bisher wurden zwei Wölfe auf Basis einer Verordnung abgeschossen, wobei einmal das falsche Tier erwischt worden war.

WWF ortet Europarechtswidrigkeit

Gänzlich anders hingegen die Reaktion der Naturschutzorganisation WWF. "Die Jagdgesetz-Novelle, mit der Wölfe schneller und ohne Debatte getötet werden sollen, ist klar europarechtswidrig. Streng geschützte Tiere per Verordnung ohne Einzelfallprüfung und ohne Einspruchsmöglichkeit zum Abschuss freizugeben widerspricht dem europäischen Artenschutzrecht, das auch in Österreich gilt", hieß es gegenüber der APA. Sogar das kürzlich vom Land Tirol selbst beauftragte Rechtsgutachten von Europarechtler Walter Obwexer habe bestätigt, dass es immer eine Einzelfallentscheidung per Bescheid brauche. (APA, 8.2.2023)