Seit Anfang Jänner leitet Michael Wimmer das Training der Austria. Die Gespräche mit den Spielern sind geführt, jetzt geht es um Punkte.

Michael Wimmer hat es nicht leicht. Sein Vorgänger Manfred Schmid war in Favoriten eine Vereinsikone, der 42-Jährige ist ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Schon im ersten Ligaspiel am Sonntag gegen Austria Klagenfurt steht der Neue in der Generali-Arena (17 Uhr) unter Druck.

STANDARD: Sie stehen erst seit kurzem in der ersten Reihe, waren zuvor als Jugend- und Co-Trainer im Einsatz. Gefällt Ihnen das Rampenlicht?

Wimmer: Es hat auch Schattenseiten. In Stuttgart sagte ich bei einem Pressetermin, mittelfristig möchte ich auch einmal Cheftrainer werden. Tags darauf schlug ich die Zeitung auf, es hieß: "Wimmer will Boss werden". Das klang für mich überheblich, das bin nicht ich. Da musste ich schlucken.

STANDARD: Welche Gedanken haben Sie sich gemacht, als der Anruf aus Wien kam?

Wimmer: Ich habe nach der Zeit als Interimstrainer in Stuttgart gewusst, dass ich nicht mehr zurück ins zweite Glied will. Ich wollte Cheftrainer bleiben. Wenn dann so ein Traditionsverein wie die Austria anruft, wäre es fahrlässig, sich nicht damit zu beschäftigen.

STANDARD: Wie setzt man sich mit einem neuen Verein auseinander? Dreht man Wikipedia auf?

Wimmer: Ich habe die Austria schon ein bisschen verfolgt. Mit Lukas Mühl und Manuel Polster kannte ich ja bereits zwei Spieler aus Deutschland. Natürlich geht man bei einer Anfrage mehr ins Detail. Man googelt, man beschäftigt sich mit der Historie. Jogi Löw, Christoph Daum, Peter Stöger, Herbert Prohaska – es ist eine Ehre, sich unter diesen Trainernamen einzureihen.

STANDARD: Wie geht man so einen neuen Job als Trainer an? Wo setzt man die Prioritäten?

Wimmer: Die Prioritäten liegen zunächst klar im sportlichen Bereich. Mir war es wichtig, mit jedem Spieler ein Gespräch zu führen. Dabei geht es nicht nur um Fußball. Ich will wissen, wie der Spieler tickt. Hat er kleine Kinder? Ist er verheiratet? Was hat er erlebt? Der Mensch steht bei mir im Vordergrund.

Foto: APA/Eva Manhart

STANDARD: Was macht die Qualität der großen Trainer aus? Ist es die sportliche oder die soziale Kompetenz?

Wimmer: Es ist beides gleichermaßen wichtig. Wenn ich keinen Zugang zum Menschen habe, dann kann ich ihm meinen Inhalt auch nicht vermitteln. Dann hat er kein Ohr für mich. Der Sportler muss merken, dass ich ihm helfen kann.

STANDARD: Sie sind einen guten Monat im Amt. Genug Zeit, um sich ein klares Bild zu machen?

Wimmer: Man kann sich ein Bild von der Mannschaft machen. In der Geschäftsstelle hat man alle begrüßt und ein Gesicht zu den Namen. Um den Verein im Detail kennenzulernen, braucht man mehr Zeit.

STANDARD: Ihnen wird nicht verborgen geblieben sein, dass die Austria wirtschaftlich angeschlagen ist. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Wimmer: Vielleicht bin ich naiv, aber damit habe ich mich nicht beschäftigt. Jeder Verein schleppt sein Päckchen herum. Ich glaube, damit muss man in dem Geschäft leben.

STANDARD: Ihr Vorgänger Manfred Schmid wurde gegen den Willen der wütenden Fans abgesägt. Erschwert das Ihr Amt?

Wimmer: Ich habe für die Fans Verständnis. Schmid ist eine Vereinsikone. Er war hier als Spieler und Co-Trainer Meister. Es ist doch eine gute Sache, wenn die Fans hinter dem Trainer stehen. So eine Situation kann man sich als Coach nur wünschen. Für mich persönlich ändert die Vorgeschichte nichts. Unter Druck steht man als Trainer immer.

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STANDARD: Suchen Sie den Kontakt zu den Fans?

Wimmer: Ich bin für Gespräche immer offen. Aber ich muss jetzt erst mal in Vorleistung gehen. Ich muss den Fans zeigen, dass ich mich mit dem Verein identifiziere. Und dass wir erfolgreich sein können.

STANDARD: Es bleiben sechs Spiele, um sich für die Meistergruppe zu qualifizieren. Sie fangen quasi mit dem Showdown an.

Wimmer: Eine Aufwärmphase wird es nicht geben. Wir haben sechs Endspiele und das klare Ziel, am Ende über dem Strich zu stehen. Wir müssen liefern.

STANDARD: Sie wollen intensiv, mutig, dynamisch und zielstrebig spielen. Würde das nicht jeder Trainer sagen?

Wimmer: Mit Sicherheit. Man erfindet den Fußball nicht immer wieder neu. Wir wollen frech spielen. Die Fans müssen sehen, dass wir mit Mut auf den Platz gehen. Das würde ich schon so stehen lassen.

STANDARD: Kann man Mut herbeireden? Kommt der nicht über das Selbstvertrauen? Und kommt das nicht wiederum über Erfolge?

Wimmer: Das sehe ich auch so. Deswegen sind die Ergebnisse in den Tests nicht so unwichtig, wie man es oft darstellen möchte. Wir haben gegen Schachtar Donezk und Partizan Belgrad bestanden. Das ist eine Basis. Und dann braucht es gelungene Aktionen in der Liga.

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STANDARD: Sie gelten als emotionaler Trainer. Wird man Sie so in Favoriten erleben?

Wimmer: Ja. Wenn ich von meinen Jungs erwarte, dass sie einen aktiven Fußball spielen, dann will ich das auch vorleben. Ich kann auch explodieren. Das steckt in mir. Vielleicht ist es manchmal zu viel, aber da kann ich nicht aus meiner Haut.

STANDARD: Wie viel Emotionen tun dem Fußball gut?

Wimmer: Die Wertschätzung und der Respekt müssen immer gewahrt bleiben. Es braucht eine gewisse Balance zwischen gesunder Emotionalität und kühlem Kopf.

STANDARD: Kann der kühle Kopf verlorengehen, wenn man verliert oder in Rückstand gerät?

Wimmer: Definitiv. Das hat man auch in unseren Testspielen gesehen. Wenn das Spiel nicht funktioniert, verlieren wir die Ordnung. Es kann passieren, dass wir in einen wilden Zustand übergehen. Das sollte nicht vorkommen.

STANDARD: Wie gestaltet sich Ihr Verhältnis zu Sportvorstand Jürgen Werner und Sportdirektor Manuel Ortlechner? Will man Ihnen schon die Aufstellung diktieren?

Wimmer: Die Gespräche verliefen von Anfang an sehr gut. Es wäre vermessen, keinen Rat anzunehmen. Am Ende des Tages treffe ich aber die Entscheidung bei der Aufstellung. Da gibt es keine Diskussion. (Philip Bauer, 9.2.2023)