ORF-Generaldirektor Roland Weißmann dürfte bei dem Treffen mit Medienministerin Susanne Raab ein massives Einsparungskonzept vorgelegt haben.

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2021 hatte Roland Weißmann "Lust auf Zukunft". Mit dem so betitelten Konzept bewarb sich der ehemalige stellvertretende ORF-Finanzchef und Chefproducer um die Führung von Österreichs mit Abstand größtem Medienunternehmen. Als zentrale Ziele definierte Weißmann Verlässlichkeit, Verantwortung und Transparenz – und "Mut". Unterstützt von einer bürgerlichen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat gelang die Ablöse von Alexander Wrabetz.

Und heute?

Die Zukunft des Generaldirektors versprach schon lustigere Zeiten. Die zentralen Ziele – Verlässlichkeit, Verantwortung und Transparenz – sind durch mehrere Affären infrage gestellt. Mut brauchten das Haus und seine jeweiligen Chef schon immer, in den nächsten Wochen mehr denn je.

Denn just dem mit bürgerlicher Mehrheit gewählten ORF-General bläst frostiger ÖVP-Wind entgegen. Medienministerin Susanne Raab forderte medienwirksam einen "ORF-Rabatt" . Donnerstagvormittag gab es dazu ein Gipfeltreffen. "Das Geld", sagt Raab,"wachse für den ORF "nicht auf Bäumen". Die Position ist nach STANDARD-Infos innerhalb der ÖVP nicht unumstritten und wird dem Lager von Kanzler Karl Nehammer und ÖVP-Kommunikator Gerald Fleischmann zugerechnet.

Weißmann dürfte bei dem Treffen, über das offiziell nichts verlautbart wurde, ein Konzept mit massiven Einsparungen für einen schlankeren, aber digitaleren ORF vorgelegt haben. Kolportiert werden 250 Millionen Euro Einsparungen über die nächsten fünf Jahre. Abgefedert könnte das durch eine Art der Refundierung von GIS-Befreiungen werden, ähnlich 2010, vermutlich wieder befristet.

Worum geht's?

Bis 2024 muss ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) umgesetzt werden, wonach auch die Streamingnutzung von ORF-Angeboten künftig kostenpflichtig sein muss. Zur Diskussion stehen die Erweiterung der GIS auf streamingfähige Geräte, die Einführung einer Haushaltsabgabe oder die Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget. Zudem steht eine Warnung des Generaldirektors im Raum, wonach der ORF ab 2024 vor "einer der größten Finanzierungskrisen in seiner Geschichte" stehe und auf Basis des gegenwärtigen Finanzierungsmodells die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht mehr garantiert werden könne.

Die Lust auf Zukunft dürfte sich im Haus am Küniglberg aber noch aus weiteren Gründen in Grenzen halten:

  • Nach mehreren Affären ist das ORF-Image angeschlagen. Da ist zum einen die Chat-Affäre um Matthias Schrom. Dessen Rückzug dürfte zudem nur vorübergehend sein. Der ehemalige ORF-2-Chefredakteur ist im Rennen um den neu zu bestimmenden Sportchef. Beste Chancen werden allerdings Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter und dem ehemaligen Sky-Moderator Thomas Trukesitz eingeräumt.

  • Zum anderen wirkt die ÖVP-Blamage um den ORF-Landesdirektor Robert Ziegler nach, der allzu willfährig die Partei und insbesondere deren Landeschefin Johanna Mikl-Leitner ins Bild gerückt hatte. Auch Ziegler musste zurücktreten. Ein Problem sehen darin inzwischen sogar die Landesparteien. Am Mittwoch wurde im Salzburger Kulturausschuss ein SPÖ-Antrag zum ORF-Gesetz einstimmig beschlossen. Die Salzburger Landesregierung soll sich demnach dafür einsetzen, dass bei der Bestellung der ORF-Landesdirektoren auf die Einholung einer Stellungnahme des jeweiligen Landes verzichtet wird.

  • Bremsen musste Weißmann zuletzt allzu eifrige Mitarbeiter wegen ihrer Nebenbeschäftigungen, die "geeignet waren, in der Öffentlichkeit den Zweifel mangelnder Unabhängigkeit zu erwecken". Nadja Mader, die etwa "Niederösterreich heute" im ORF präsentiert, moderierte u. a. für die Wirtschaftskammer und Raiffeisen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach auf ihrer Webseite eine Empfehlung für sie aus. Vera Russwurm, Moderatorin von "Vera" im ORF, moderierte im Jänner den Wahlkampfauftakt der ÖVP Niederösterreich. Obwohl Russwurm als freie Mitarbeiterin diese Beschäftigung nicht genehmigen lassen musste, entsteht doch eine schiefe Optik.

  • Für Negativschlagzeilen sorgen weiters Kettenverträge, mit denen der ORF Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Eine gesetzlichen Sonderregelung erlaubt, unendlich oft diese befristeten Arbeitsverträge abzuschließen Solche Verträge ersparen es dem ORF, die Beschäftigten längerfristig anstellen zu müssen, und ermöglichen prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Permanenz. Nicht gut kam in dem Zusammenhang eine jüngst aufgeflammte Diskussion um die Firmenpension des ehemaligen ORF-Generaldirektors Alexander Wrabetz – mit 8000 Euro monatlich.

  • Zu Spendierfreudigkeit regt der ORF seit Jahren mit der Aktion "Licht ins Dunkel" an. Nicht zur Freude von Behindertenverbänden. Die kritisieren ein antiquiertes Almosenimage. Die Initiative impliziere, dass Menschen mit Behinderungen ein Leben im Schatten führen. Behinderung werde als Defizit, als etwas Schlechtes dargestellt. Immerhin: Bei einer Diskussion am runden Tisch gelobte der ORF Besserung. In Sachen Modernisierung ist zweifellos noch Luft nach oben.

  • Der Zeitpunkt für die Spardiskussion ist zudem denkbar ungünstig. Ein neues Filmanreizmodell soll für den großen Film- und Serienboom sorgen. Der ORF spielt als größter Auftraggeber des Landes dabei eine wichtige Rolle. "Der ORF ist der wichtigste Partner für die Film- und Musikwirtschaft und ein unglaubliches Schaufenster", sagte zuletzt der Produzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu, der als Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer das Modell mitverhandelt hat. Langfristige Planungssicherheit könne in Österreich nur der ORF leisten: "Die Produzentinnenlandschaft lebt und stirbt mit dem ORF." (Doris Priesching, 9.2.2023)