Wien – Es hätte ein Treffen der beiden Männer für eine Aussprache werden sollen. Wenig später waren beide tot, DER STANDARD berichtete. Der 43-jährige ehemalige ÖFB-Spieler Volkan Kahraman wurde am Mittwoch auf offener Straße in Simmering mit einer Faustfeuerwaffe erschossen. Die Pistole soll jener Mann betätigt haben, den Kahraman zuvor im Lokal getroffen haben soll – ein 46-Jähriger, der dann Suizid beging. Als Motiv deute alles auf Eifersucht hin, teilte die Polizei nach ersten Zeugeneinvernahmen am Donnerstag mit. Eine behördliche Bestätigung, dass einer der Toten Volkan Kahraman ist, gab es auch am Donnerstag nicht. Es wurde aber auch nicht dementiert.
Viele Zeugen
Die Ermittlungen des Landeskriminalamts Wien, Außenstelle Süd, sind noch im Gange. Am Donnerstag standen weitere Einvernahmen von Zeugen und Angehörigen an. Entgegen erster Aussagen sei es nicht schon im Lokal zu Auffälligkeiten gekommen, teilte die Polizei mit. Zunächst hatte es noch geheißen, schon im Café sei es zu Streit gekommen. Die beiden Männer hätten gemeinsam das Lokal verlassen. Dann sei es zu den tödlichen Schüssen gekommen.
Herkunft der Tatwaffe
Der 46-jährige Schütze hatte für die Tatwaffe, eine kleinkalibrige Pistole, keine gültigen Papiere. Die Ermittlungen konzentrieren sich deswegen unter anderem auf die Herkunft der illegalen Waffe. Lässt sich ein Verkäufer ausforschen, könnte er wegen Beihilfe zum Mord belangt werden. Dass weitere Personen direkt in den Tathergang involviert gewesen sein könnten, schließt die Polizei derzeit aus. Eine Obduktion der Leichen wurde angeordnet.
Weil es am Mittwoch nach der Tat zu Handgreiflichkeiten und Wortgefechten zwischen Angehörigen der beiden Toten gekommen war, ließ die Polizei die Häuser der beiden Familien durch die Wega und die Bereitschaftseinheit bewachen. "Das ist die Regel in solchen Fällen", hieß es bei der Polizei. Die Umgebung rund um den Tatort in der Etrichstraße werde weiter im Auge behalten.
Toxischer Cocktail
Eifersucht ist eines der häufigsten Motive bei Gewalttaten. Harald Oberbauer spricht – ohne den aktuellen Fall zu bewerten – von einem "toxischen Cocktail", in dem "Unsicherheit, Gekränktheit und Verlustängste wie in einem Kochtopf brodeln". Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut leitet an der Universitätsklinik Innsbruck die österreichweit einzige "Eifersuchtssprechstunde" und hat viel Erfahrung auf diesem Gebiet.
Generell gehöre Eifersucht zur biologischen Grundausstattung, oft sei sie sogar beziehungsfördernd, so Oberbauer im STANDARD-Gespräch. Zum Problem werde das Gefühl dann, wenn die Situation als bedrohlich empfunden werde, also Eifersucht das Selbstwertgefühl so weit untergrabe, dass sie zu Existenzängsten führe.
Angst vor Zerstörung
Auch Adelheid Kastner, Primarin der Klinik für Psychiatrie an der Linzer Kepler Universität, erklärt Eifersuchtsverbrechen mit gesteigerter Angst vor Zerstörung. "Manche Menschen können nicht damit umgehen, wenn ihnen vermittelt wird, dass sie entbehrlich sind."
Aggression anderen gegenüber sei nur eine mögliche Variante, betonen Oberbauer und Kastner. Andere reagierten mit depressiven Verstimmungen oder autoaggressivem Verhalten. Wobei all diese Reaktionen quasi negative Spitzen darstellten. "Die meisten Menschen sind imstande, sich ohne Drama zu trennen", sagt Kastner. Tendenziell sei zu beobachten, dass eher Männer eigene Unsicherheiten mit aggressivem Verhalten kompensierten. Was sich praktisch durch alle Gesellschaftsschichten ziehe.
Oft Alkohol im Spiel
Nicht selten spiele Alkohol eine Rolle, wenn menschliche Kontrollmechanismen versagten und eine Situation eskaliere. Zur Prävention werden in der Eifersuchtssprechstunde unter anderem Methoden besprochen, die zur Hebung der Selbstsicherheit führen. "Wer weiß, dass er unter Alkoholeinfluss aggressiv werde, sollte die Finger davon lassen", lautet die Empfehlung von Oberbauer. (Gudrun Springer, Michael Simoner, 9.2.2023)
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