Der Sensationsmann zwischen zwei Gesamtweltcupsiegern.

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So sehen Weltmeister aus.

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Courchevel – Eine WM hat ihre eigenen Gesetze. James Crawford fährt seit 2016 in der Elite, einen Sieg hat der 25-jährige Kanadier aus Toronto bisher aber nur im Europacup gefeiert – vergangene Saison bei einer Abfahrt in Saalbach. Am Donnerstag aber schlug auf der L’Eclipse in Courchevel seine Stunde, als er sämtliche Asse düpierte und sich überraschend Gold im Super-G holte.

Crawford war diese Saison bei Abfahrten als Dritter in Beaver Creek und als Zweiter in Bormio schon zweimal auf dem Podest, insgesamt in seiner Karriere erst dreimal. Seine Podestpremiere im Weltcup hatte er vergangene Saison als Zweiter im Super-G von Kvitfjell gefeiert, nachdem er bei Olympia in Peking mit Bronze in der Kombination überrascht hatte. Ergebnisse wie diese werden in Kanada nicht entsprechend gewürdigt. Der frühere kanadische Abfahrtsrennläufer und Kitzbühel-Sieger Ken Read berichtet dem STANDARD, dass Crawfords zweiter Platz in Bormio den zwei großen Tageszeitungen in der Olympiastadt Calgary keine Zeile wert war. Dass sein Sohn Jeffrey als Elfter unmittelbar vor Vincent Kriechmayr (12.) landete, wird in der Eishockeynation wohl auch kaum registriert werden, vielleicht der WM-Titel von Crawford. Immerhin besorgte der 25-Jährige aus Toronto die zweite WM-Goldene für Kanada nach dem Triumph von Erik Guay in St. Moritz 2017 ebenso im Super-G.

Als Kind waren seine Vorbilder Guay und John Kucera, und er hat auch Didier Cuche und Bode Miller gern im Fernsehen zugesehen, als er zwischen zehn und 15 war. Mit NHL-Star Connor McDavid von den Edmonton Oilers spielte er gemeinsam in einem Schulteam Eishockey. "Er ist nicht sicher, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, aber ich habe mich mit 15 für den Skisport entschieden", sagt Crawford.

Viel gelernt

Also zog er nach Whistler in der Provinz British Columbia, um seine Skikarriere voranzutreiben. Von Read habe er viel gelernt. Seine Tante Judy Crawford war auch Rennläuferin, startete im Weltcup und bei Olympia, landete aber nur einmal, 1973 in Grindelwald, als Slalomdritte auf dem Podest. Sie sagte zu ihm: "An vierte Plätze erinnert sich niemand, wenn du etwas schneller sein kannst, dann mach es."

Crawford ist nicht der Typ "Crazy Canuck", der unterwegs sein letztes Hemd riskiert. Er wirkt fokussiert und ruhig. "Ich realisiere allmählich, was ich geschafft habe. Es ist eine wunderbare Erfahrung", sagt er. Er habe Jahre davon geträumt, ganz oben zu stehen, viel riskiert, und es sei aufgegangen. Die Schneebedingungen seien ähnlich wie in Lake Louise und haben ihn zuversichtlich gemacht. "Es braucht viel Erfahrung, um in Speedrennen erfolgreich zu sein. Ich habe nicht so viel Erfahrung, aber Zuversicht ist auch enorm wichtig. Ich wusste, was ich tun muss, um erfolgreich zu sein, aber ich wusste auch, dass Kilde und die anderen Favoriten bei allen Bedingungen sehr schnell sind. Ich habe gerade genug gemacht, um sie zu schlagen."

Trainiert wird Crawford von Kucera, der 2009 Abfahrtsweltmeister in Val d’Isère war. "Er weiß, was zu tun ist. Wir haben niemanden im Team, der sehr viel Erfahrung hat, aber John weiß, was zu tun ist. Er pusht uns in die richtige Richtung."

Nach dem bisherigen Saisonverlauf war eher mit Aleksander Aamodt Kilde oder Marco Odermatt zu rechnen. Doch der Norweger musste sich um eine Hundertstel geschlagen geben und mit Silber begnügen. Und der Schweizer verpasste als Vierter Bronze um elf Hundertstel. Die hoch eingeschätzten Eidgenossen stehen damit nach Tag vier erst mit einer Medaille (Silber durch Wendy Holdener in der Kombination) da. Dafür holte Lokalmatador Alexis Pinturault mit Bronze seine zweite Medaille nach Kombinationsgold für die Grande Nation.

Kilde trauert Gold nicht nach: "Ich habe Silber gewonnen und nicht Gold verloren", sagte er. Immerhin holte der 30-Jährige seine erste WM-Medaille überhaupt, nachdem er bei Olympia in Peking Silber in der Kombination und Bronze im Super-G gewonnen hatte. Von den Österreichern schlug sich mit Raphael Haaser der Kombinations-Bronzemedaillengewinner als Fünfter am besten. Marco Schwarz (Sechster) vergab seine Medaillenchance kurz vor dem Ziel. (Thomas Hirner aus Courchevel/Meribel, 9.2.2023)

Ergebnisse des WM-Super-G der alpinen Ski-Männer am Donnerstag in Courchevel:

1. James Crawford (CAN) 1:07,22

2. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) 1:07,23 +0,01

3. Alexis Pinturault (FRA) 1:07,48 +0,26

4. Marco Odermatt (SUI) 1:07,59 +0,37

5. Raphael Haaser (AUT) 1:07,80 +0,58

6. Marco Schwarz (AUT) 1:07,81 +0,59

7. Adrian Smiseth Sejersted (NOR) 1:07,84 +0,62

8. Loic Meillard (SUI) 1:07,87 +0,65

9. Andreas Sander (GER) 1:07,89 +0,67
. Brodie Seger (CAN) 1:07,89 +0,67

11. Jeffrey Read (CAN) 1:07,92 +0,70

12. Vincent Kriechmayr (AUT) 1:08,09 +0,87

13. Mattia Casse (ITA) 1:08,32 +1,10

14. Daniel Hemetsberger (AUT) 1:08,39 +1,17

15. Stefan Babinsky (AUT) 1:08,50 +1,28

16. River Radamus (USA) 1:08,52 +1,30

17. Kyle Negomir (USA) 1:08,70 +1,48

18. Ryan Cochran-Siegle (USA) 1:08,74 +1,52

19. Stefan Rogentin (SUI) 1:08,78 +1,56

20. Christof Innerhofer (ITA) 1:08,79 +1,57

21. Nils Allegre (FRA) 1:08,83 +1,61

22. Elian Lehto (FIN) 1:08,87 +1,65

23. Blaise Giezendanner (FRA) 1:08,88 +1,66

24. Henrik Von Appen (CHI) 1:08,90 +1,68

25. Rok Aznoh (SLO) 1:08,95 +1,73

26. Guglielmo Bosca (ITA) 1:08,96 +1,74

27. Romed Baumann (GER) 1:09,10 +1,88

28. Miha Hrobat (SLO) 1:09,15 +1,93

29. Simon Jocher (GER) 1:09,18 +1,96

30. Travis Ganong (USA) 1:09,36 +2,14

Ausgeschieden: Dominik Paris (ITA), Martin Cater (SLO), Broderick Thompson (CAN), Atle Lie McGrath (NOR), Josef Ferstl (GER), Gino Caviezel (SUI)