"Das wäre natürlich ein Traum für uns, aber es sind leider nicht die richtigen Zeiten dafür." Mit diesen Worten beantwortet Wakako Uefuji, Programm-Managerin Mazda MX-30 R-EV, die Frage, ob in einer nächsten Ausbaustufe eine Neuauflage des legendären letzten Wankel-Sportlers RX-8 (2003–2012) denkbar wäre. Kota Matsue, Vice President und General Manager im R&D Center MME (Mazda Motor Europe), ergänzt: "Für so ein Thema würden sich sofort eine ganze Menge begeisterter Ingenieure melden."

Wir befinden uns auf der Brüsseler Motorshow, besagter MX-30 R-EV feiert dort seine Weltpremiere, und es findet sich Gelegenheit zu einer Frage-Antwort-Stunde mit den Projektverantwortlichen.

Der MX-30 R-EV bei der Weltpremiere in Brüssel. An Spezifika wie den gegenläufig öffnenden Türen ändert sich nichts, das Auto wird aber etwa 130 Kilogramm schwerer.
Foto: Andreas Stockinger

Worum geht es? Der lange erwartete, an digitalen und analogen Stammtischen gleichermaßen heiß diskutierte Wankel-Elektro-Mazda ist startbereit. In Österreich, um dies gleich vorwegzunehmen, kommt der Wagen im ersten Halbjahr in den Handel, die Preise stehen leider noch nicht fest. Jedenfalls, statt 200 Kilometer Reichweite stehen plötzlich über 600 an, damit wird der MX-30 künftig eine ganz neue Klientel ansprechen.

600 Kilometer? Fahren andere längst batterieelektrisch, mögen Sie einwenden. Möglich, aber nicht viele, schon gar nicht hochsommers und tiefwinters – und in ganz anderen preislichen Gefilden. Und da kommt für Uefuji der MX-30 R-EV ins Spiel. Er sei ein Angebot für jene, die zwar die Elektromobilität im Auge hätten, denen aber immer noch die Reichweiten, der aus ihrer Sicht eingeschränkte Aktionsradius Sorgen bereiteten.

Nimm die Hälfte

Also der Reihe nach. Werner von Siemens trifft Felix Wankel, Elektromotor Verbrenner. Plug-in-Hybrid, sagt Mazda. Anstatt des bisherigen Pakets von 107-kW-E-Maschine und 35,5 kWh-Akku haben wir hier einen auf 125 kW erstarkten E-Motor vor uns, einen Generator und einen völlig neu entwickelten Wankelmotor mit 55 kW (75 PS) und drei Liter Hubraum. Gratulation, gut aufgepasst, Aufmerksamkeits-Sollbruchstelle: Das Kammervolumen beträgt natürlich nur 830 cm³. Und die Lithium-Ionen-Batterie wurde von den Lehrbuben in der Mitte auseinandergeflext, sprich: hat im R-EV nur 17,8 kWh Kapazität. Die elektrische Reichweite rein aus der Batterie schrumpft so von besagten 200 auf 85 km.

Das ist das Herzstück: rechts der Wankelmotor mit 55 kW, mittig der Generator, links der (ölgekühlte) E-Motor mit 125 kW, hinten dran das Getriebe. Und das alles in einem ganz kompakten Block, vorn quer eingebaut.
Foto: Andreas Stockinger

Untergebracht ist das alles – Elektromaschine, Generator, Wankelmotor, Getriebe – in einem überraschend kompakten Block, der Blick unter die Motorhaube zeigt: ganz schön voll, aber nicht gerammelt voll.

Weiter im Text. Das maximale Drehmoment liegt bei 260 Nm, die Höchstgeschwindigkeit bleibt wie beim Nur-Elektriker auf 140 km/h limitiert, der Null-auf-100-km/h-Sprint wäre statt in 9,7 in 9,1 Sekunden absolviert.

Warum 20 kW mehr als im Basismodell, wollen wir am runden Tisch, der ein rechteckiger ist, von Matsue-san wissen. "Weil ein 50-Liter-Benzintank hinzugekommen ist und das Auto insgesamt um rund 130 kg schwerer wurde." Und Yoshiaki Noguchi, Assistant Manager in der Antriebsentwicklung bei Mazda in Japan, ergänzt, statt der Wasserkühlung (außen) habe man beim neuen E-Motor eine Ölkühlung (innen) realisieren können.

Sauber kreisen

Der Wankelmotor, der die Szene elektrisiert, ist natürlich versehen mit aktuellster Abgasreinigung (geregelter Dreiwegekatalysator, elektronisch geregelte Abgasrückführung, Otto-Partikel-Filter, OBD-System [On-Board-Diagnose]), und damit keine Missverständnisse aufkommen hinsichtlich Plug-in-Hybrid: Darunter versteht man gemeinhin ein Fahrzeug, das etliche Kilometer rein elektrisch zurücklegen kann – sagen wir zum Beispiel: 85 – und wo, wenn der Vorrat zur Neige ging, frisch-fröhlich der Verbrennungsmotor zur Antriebstat schreitet.

Das Funktionsprinzip des Wankelmotors unterscheidet sich stark von dem des traditionellen Zylindermotors. Anstatt der üblichen vier Takte finden hier Zündung und Einlass bzw. Kompression und Auslass gleichzeitig im gleichen Motor statt.
Foto: MikeRun, CC BY-SA 4.0

Frisch-fröhlich geht’s bestimmt auch im MX-30 R-EV zu, weil das nun einmal zur fahrdynamischen Philosophie der Japaner zählt. Aber der Wankelmotor hat kein direktes Zugriffsrecht auf die Antriebsräder des Fronttrieblers, er treibt – in welcher der drei Fahrmodi zwischen sportlich und quasi Schleichfahrt auch immer – ausschließlich den Generator an, der wiederum den Strom generiert, nomen est omen, mit dem der Elektromotor gespeist wird. Mahlzeit. Und Prosit. Die Rede ist folglich von einem seriellen (Plug-in-)Hybridsystem mit Reichweitenerweiterer.

Ad Prosit: Der Durst des prinzipiell trinkfreudigen Wankelmotors soll sich insofern in Grenzen halten, als er stets im optimalen Betriebsfenster operiert, bei konstanter Drehzahl. Im WLTP-Verfahren wurde dazu ein Normverbrauch von 17,5 kWh Strom und 1,0 Liter Benzin je 100 Kilometer ermittelt. Nebeneffekt: Der laufruhige Wankelmotor wird akustisch kaum vernehmbar sein.

Zum Ladekapitel nur so viel: Der 50-Liter-Tank ist in zwei, drei Minuten von null auf 100 Prozent, der 17,8-kWh-Akku an der 36-kW+-Schnellladestation in 25 Minuten auf 80 Prozent, bei 11-kW-Wechselstrom (dreiphasig) ist die Batterie in rund 50 Minuten voll, bei 7,2 kW (einphasig) in eineinhalb Stunden.

Erfragt haben wir auch noch die Achslastverteilung, die erwartungsgemäß frontlastig ausfallen sollte. Bei 1.778 kg Leergewicht drücken 1.086 Kilos vorn auf die Räder, 692 hinten. Wir sind gespannt, wie sich das fährt – ähnlich kopfschwer war zuletzt der von Magna in Graz gebaute Peugeot-Sportwagen RCZ.

Der Kofferraum bleibt von den neuen Inhalten mehr oder weniger unbeeinträchtigt, 350 bis 1.171 Liter Zeugs passen rein.

Wie auch beim ursprünglichen MX-30 betritt man die hintere Sitzreihe über zwei nach vorn öffnende Doppeltüren.
Foto: Andreas Stockinger

Fazit: Mit dem MX-30 R-EV bestätigt Mazda erneut, eigenwillige ingenieurstechnische Lösungen zu wagen und umzusetzen. Der Wankelmotor wird dem vergleichsweise kleinen japanischen Hersteller erheblich mehr Sympathien als Ablehnung und an der Verkaufsfront neue Impulse bringen für das erste Elektromobil des Hauses, dem bisher noch kein durchschlagender Erfolg gegönnt war.

Stichwort Elektromobilität: Mazda entwickelt gerade eine rein elektrische Architektur, sie wird erstmals 2025 zum Tragen kommen. MME-Chef Martijn ten Brink bestätigt aber, trotz Fokus auf Elektrifizierung: "Wir entwickeln weiter Verbrennungsmotoren."

Nur für Japan und Europa

Verkauft wird der Elektro-Wankel-Mazda ausschließlich in Japan und Europa, die Amis und Chinesen gehen leer aus, ein seltenes Bild dieser Tage. Mazda-Österreich-Chef Heimo Egger zu den Markterwartungen: "Wir haben bisher rund 100 MX-30 jährlich verkauft. Dabei wird es bleiben, zusätzlich rechnen wir mit 400 R-EV-Kundinnen und -Kunden." Zur Veranschaulichung der Größenordnung: 8.500 Autos will Mazda heuer in Österreich absetzen, Topseller: CX-30, CX-5 und der neue CX-60. Der Mazda3 kommt auf rund 1.000 Stück – halb so viel wird dann der MX-30 verbuchen.

Der Wankelmotor ist nach elf Jahren Ruhestand zurück, Felix rotiert endlich wieder. (Andreas Stockinger, 16.2.2023)