In Bestform: Yo La Tengo auf ihrem Album "This Stupid World".

Foto: Matador Records

Menschen sind wie Autos, je älter sie werden, desto öfter geht was kaputt. Die Knie, die Bandscheiben, weiß der Teufel. Das führt uns unsere Vergänglichkeit vor Augen, groovt uns darauf ein, dass uns Stretch-Jeans, Modefrisuren und anderer Unfug nicht die ewige Jugend erhalten.

Die US-Band Yo La Tengo ergeht sich auf ihrem neuen Album in Sujets, von denen viele die Endlichkeit betreffen. Bei derlei Thematik schwingt traditionell die Melancholie mit, da muss der Herbst als Metapher herhalten – doch mit derlei Allgemeinplätzen verschont die Band ihr Publikum. Das Trio hat, um im Bild zu bleiben, schon einige Kilometer zurückgelegt. 1984 gegründet, hat es sich zu einer der Institutionen im Indie-Rock gespielt. Und wie bei alten Karren oft üblich, erleben sie gleich im ersten Song ihres heute erscheinenden Albums This Stupid World eine Havarie.

Krautrock und Zärtlichkeit

Sinatra Drive Breakdown heißt der erste Song, der zugleich auf ihre Herkunft verweist: Wie Frankie Boy stammen Yo La Tengo aus Hoboken in New Jersey. Nämlicher Breakdown erweist sich aber als Lebenszeichen. Über sieben Minuten hinweg spielt Schlagzeugerin Georgie Hubley stur einen Beat, der klingt, wie bei Can ausgeliehen. Oder bei Wilco zurzeit ihres Albums A Ghost Is Born, als diese sich die monomanischen Rhythmen der Krautrocker Can einverleibt hatten. Dazu dröhnt die Gitarre des Ira Kaplan.

Yo La Tengo

Er ist zugleich die Stimme des Trios, Hubley seine Frau, der dritte im Bunde ist das ihnen zugelaufene Riesenbaby James McNew. Der spielt seit gut 30 Jahren Bass, stoisch, tendenziell immobil, maulfaul, aber er hält sich hartnäckig.

Live im Studio aufgenommen

Die Eröffnungsnummer ist ein Appetizer auf das, was folgt: Live im Studio aufgenommen ist This Stupid World eine überwiegend rockige Platte geworden. Zugleich swingt sie und besitzt eine Zärtlichkeit, aus der man eine Form der Altersmilde herauslesen könnte. Andererseits hat Ira Kaplan immer schon gesungen, wie Impressionisten malen. Mit seiner eher dünnen Stimme ist er kein wütender Agitator, kein brachialer Chronist, wenn er laut wird, dann mit seiner Gitarre.

Stilistisch hat die Band einiges abgedeckt. Kultisch verehrt von einer globalen Fangemeinde, wuchs sie von einer vergleichsweise traditionellen Indie-Formation zu einer sich öffnenden Institution hin, die Elektronik adaptierte und zugleich Sixties-Folk spielte, die sich in Ambient erging und dabei die Beach Boys rocken ließ, Noise- und Krautrock mit süßen Slidegitarren aus dem Country kurzschloss.

Yo La Tengo

Davon findet sich einiges auf This Stupid World wieder, das entspannt sedierte Aselestine ist ein Stück folkiger Pop, andernorts fettet man derlei simple, dabei stets eingängige Lieder mit spartanischen Keyboards auf. "Stay alive", singt Kaplan irgendwann im Lied Until It Happens, doch es klingt nicht verzweifelt, nicht nach einem, der das Ende nahen sieht, sondern eher als jemand, der sich mit der Absurdität des Lebens abgefunden hat und einfach noch etwas länger Zaungast bleiben möchte, vielleicht passiert ja noch etwas Erhellendes.

Das ergibt eine lässige Grundhaltung, ein In-sich-Ruhen, aus dem heraus die Band mit großer Verve und Sicherheit agiert und dabei so vital klingt, als wäre sie erst halb so lange im Geschäft. Dermaßen ausgeschlafen, erschafft sie wie nebenbei einen neuen hellen Punkt in ihrem Gesamtwerk. Das muss reichen, und das tut es. (Karl Fluch, 9.2.2023)