Die Tiroler Freiheitlichen unter Führung von Markus Abwerzger haben bereits 2019 eine Studie zur Jugendkriminalität im Bundesland gefordert. Im Dezember wurde ein Dringlichkeitsantrag eingebracht.

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Wie soll die Gesellschaft mit kriminellen Unmündigen umgehen? Diese durchaus heikle Frage drängt sich insbesondere dann auf, wenn sich entsprechende Vorfälle mit unter 14-jährigen Tätern mehren. Wie zuletzt etwa in Oberösterreich: Krawalle in der Halloween-Nacht, Jugendliche, die Polizeiautos anzünden, oder 13-Jährige, die mehrfach Taxilenker überfallen und mit dem Pkw davonrasen. Oder in Tirol, wo sich Jugendliche im August eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei lieferten. Ein 14-Jähriger wurde durch Schüsse eines Polizisten verletzt.

Politische Dringlichkeit

Auch wenn der Exekutive angesichts des Alters weitgehend die Hände gebunden sind: Von politischer Seite will man offensichtlich nicht länger tatenlos zusehen. Die schwarz-blaue Landesregierung hat die in Österreich immer wieder aufkeimende Idee einer entsprechenden Herabsetzung der Strafmündigkeit etwa auf zwölf Jahre nun neu befeuert – und einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag in den oberösterreichischen Landtag eingebracht. Gesellschaft und in deren Vertretung die Politik seien gefordert, heißt es. "Im Besonderen dann, wenn Gewalthandlungen begangen werden, muss der Rechtsprechung die Möglichkeit gegeben werden, strafrechtlich Konsequenzen zu setzen. Es bedarf daher einer Anpassung des Strafrechts hinsichtlich der Strafmündigkeit", fordern ÖVP und FPÖ in einem gemeinsamen Antrag.

In Tirol hatten die Freiheitlichen im Dezember den Abgeordneten einen fast wortgleichen Dringlichkeitsantrag vorgelegt. Dieser wurde ausgesetzt, um "umfangreiche Berichte des Innenministeriums, der Jugendwohlfahrt und der Landespolizeidirektion einzufordern", hieß es auf STANDARD-Nachfrage am Donnerstag. FPÖ-Klubobmann Markus Abwerzger ist jedenfalls der Meinung, dass eine Strafmündigkeit mit 14 Jahren "nicht mehr zeitgemäß" sei. Wählen könne man schließlich auch schon mit 16. Er glaubt, dass man durch eine Herabsetzung "früher auf Problemfälle zugreifen" könne. Wichtig sei es, den Jugendlichen ihr strafbares Verhalten vor Augen zu führen, ihnen gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zu eröffnen, "resozialisiert" zu werden. Etwa im Rahmen einer Therapie – auch "gegen den Willen der Jugendlichen".

Andernorts liegt die Strafmündigkeit bei zehn Jahren

Die Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit als Reaktion auf steigende Fallzahlen jugendlicher Straftaten wird gerne mit einem Blick über die Landesgrenzen untermauert. In der Schweiz, Großbritannien und Australien liegt diese gar bei zehn Jahren, in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Kanada und in vielen anderen Staaten bei zwölf Jahren. In den US-Bundesstaaten ist sie unterschiedlich geregelt, liegt aber teilweise sogar bei unter zehn Jahren.

Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Johannes-Kepler-Universität Linz, attestiert der Politik in der aktuellen Diskussion hingegen einen großen Fehler: "Es wird der Eindruck vermittelt, dass unter 14 Jahren in Österreich nichts passiert, wenn jemand eine Straftat begeht. Und das stimmt eben nicht." Es seien nicht die Mittel des Strafrechts, mit denen in solchen Fällen agiert werde, sondern mitunter die Mittel des Zivilrechts bis zur Heimunterbringung und des Jugendwohlfahrtsrechts. Birklbauer: "Und die sicherheitspolizeiliche Erfassung erfolgt ja auch unter 14 Jahren." Auch hinke der Vergleich mit anderen Ländern: "Wenn man sich zum Beispiel mit der Schweiz auseinandersetzt, wird eines klar: Die Strafmündigkeit liegt dort bei zehn Jahren. Aber der strafrechtliche Zugang ist ein anderer. Dort geht es nicht darum, nur mit den Mitteln des Strafrechts der Auffälligkeit entgegenzuwirken, sondern mit einem Gesamtkonzept – etwa sozialpädagogische Maßnahmen."

Fehlendes Gesamtkonzept

Würde aber in Österreich das Alter gesenkt werden, würden nur die Mittel des österreichischen Jugendstrafrechts zur Verfügung stehen. "Das beginnt schon damit, dass die Staatsanwaltschaft eben aus Juristinnen und Juristen besteht, während die Schweizer Jugendstaatsanwaltschaft aus einem multiprofessionellen Team besteht. Da arbeiten direkt bei der Staatsanwaltschaft Psychologen, Sozialpädagogen." Entscheidend sei daher: "Das Konzept einer niedrigeren Strafmündigkeit in anderen Ländern ist nicht primär ein strafjuristisches Konzept, sondern ein Gesamtkonzept, das multiprofessionell ausgerichtet ist." Nur das Alter zu senken sei daher deutlich zu wenig. Birklbauer: "Wenn man es nur senkt, heißt das, wir sperren 13-Jährige ins Häfn. Was soll das bringen?"

Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) bleibt im STANDARD-Gespräch dennoch dabei: "Wir reden ja nicht von Kindern, die schnell mal einen Kaugummi im Supermarkt mitgehen lassen. Wir reden von Kindern, die Polizeiautos anzünden und wiederholt auffallen – für diese Fälle brauchen unsere Behörden wirksame Maßnahmen." (Maria Retter, Markus Rohrhofer, 10.2.2023)