Sonys WF-1000X M4 (links) und die JBL Reflect Aero TWS (rechts): zwei kleine Wunderwuzzis, die sich in verschiedenen Kategorien messen.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Sie sollen allerlei Strapazen aushalten, Musik und Filme vernünftig wiedergeben, smarte Funktionen unterstützen – und viel kosten sollten sie freilich auch nicht: In-Ear-Kopfhörer haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu alltäglichen Lebensbegleitern gemausert, die alle erdenklichen Stücke spielen müssen.

In der Vergangenheit haben sich etwa die WF-1000X M4 von Sony trotz ihres haarsträubenden Namens als starke Stöpsel erwiesen (hier geht es zum Test des STANDARD), die aber auch knapp zwei Jahre nach ihrem Marktstart mit einem Preis von rund 180 Euro nicht unbedingt günstig sind. Zum Release lag der Preis gar bei 280 Euro.

Die Audio-Experten von JBL halten dem mit den JBL Reflect Aero TWS entgegen, die laut Website für rund 140 Euro zu haben sind und ebenfalls einige der eingangs erwähnten Funktionen bieten. Was die kleinen Kopfhörer können und wie sie sich im Vergleich mit den Sony-Kopfhörern schlagen, hat sich DER STANDARD in einem Test angesehen und angehört.

Äußerlichkeiten

Erhältlich sind die JBL Reflect Aero TWS in den Farben Weiß, Schwarz, Mint und Blau – unser Testgerät wurde im vergleichsweise unorthodoxen Mint geliefert. Auch hier befinden sich die Kopfhörer in einem Case, das sie erstens vor äußeren Einflüssen schützt und zweitens lädt, wenn sie gerade nicht im Ohr getragen werden

Im direkten Vergleich mit dem Case des Sony WF-1000X M4 sind die beiden Konkurrenten in etwa gleich groß; das Sony-Case ist ein wenig höher, jenes von JBL dafür etwas tiefer. Die Kopfhörer von JBL wiegen gemeinsam 13 Gramm, das Ladecase wiegt 45 Gramm. Hier gewinnt Sony, wo das Gesamtgewicht von Case und Hörern bei nur 41 Gramm liegt.

Kein drahtloses Laden

Beide Cases lassen sich stehend öffnen und die Kopfhörer entnehmen. Werden die Kopfhörer im Case platziert, so zeigt eine LED jeweils an, dass sie geladen werden. Geladen werden die JBL Reflect Aero TWS ebenso wie die Sony-Kopfhörer via USB-C, interessanterweise wird zu den quietschig-minzgrünen Kopfhörern auch noch ein nicht minder quietschiges, recht kurzes Ladekabel in Orange mitgeliefert. Ein drahtloses Laden ist bei den JBL-Kopfhörern leider nicht möglich, bei Sony hingegen schon.

Mint ist noch nicht quietschig genug, es braucht auch ein oranges Kabel.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Dafür kommt das Case der JBL Reflect Aero TWS noch mit einer Schlaufe, die es wohl ermöglichen soll, es beim Spazieren sichtbar am Handgelenk zu tragen, anstatt es in der Hosentasche zu verstecken. Ob man eher auf das schlichte Sony-Design oder das quietschige Mint der JBL-Kopfhörer steht, ist freilich Geschmackssache. Das gilt für das Case ebenso wie die Kopfhörer per se.

Wie passen die Kopfhörer ins Ohr?

JBL positioniert die Reflect Aero TWS unter anderem als Kopfhörer, die auch beim Sport getragen werden können. Hierzu sind Ohrstöpsel in drei unterschiedlichen Größen im Lieferumfang enthalten. Außerdem ist es in der App möglich, das perfekte Sitzen der Ohrhörer zu prüfen. Dazu wird die entsprechende Funktion in der App aufgerufen und die Abdichtung getestet, während ein Ton abgespielt wird.

Die JBL Reflect Aero TWS sitzen nicht ganz so fest im Ohr wie die Sony-Kopfhörer – aber diese Erfahrung variiert von Fall zu Fall.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

In der Praxis scheint diese Funktion aber eher nach dem Zufallsprinzip zu funktionieren beziehungsweise auch davon abzuhängen, wie genau die Hörer im Ohr stecken. So wurde mir an einem Tag eine perfekte Passform attestiert, am nächsten Tag warnte die App vor einer schlechten Abdichtung bei der mittleren Ohrstöpsel-Größe. Ein Wechsel auf die kleinere oder die größere Größe änderte nichts, jedes Mal erschien die gleiche Warnung – nur damit mir die App daraufhin bei der mittleren Größe wieder sagen konnte, dass alles in Ordnung sei.

Über die App soll die perfekte Passform geprüft werden.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Generell habe ich den Eindruck, dass die JBL Reflect Aero TWS nicht ganz so fest in meinen Ohren sitzen wie Sonys WF-1000X M4, zum Extremsport würde ich sie nicht tragen. Aber es ist nun mal auch so, dass jedes Ohr anders ist, und die subjektiven Erfahrungen eines STANDARD-Redakteurs müssen nicht zwingend auch für andere Menschen gelten.

Noise-Cancelling, "Ambient Aware" und "Talkthru"

In puncto Umgebungsgeräuschkontrolle bieten die JBL Reflect Aero TWS drei unterschiedliche Modi: Active Noise-Cancelling (ANC), "Ambient Aware" und "Talkthru". ANC ist schon von anderen Kopfhörern bekannt und funktioniert hier ähnlich, Umgebungsgeräusche werden ausgeblendet, und es kann angepasst werden, dass sich die Geräuschunterdrückung an die Umgebungsgeräusche anpasst.

In der Praxis hinken die JBL-Kopfhörer jenen von Sony hinterher. Während die WF-1000X M4 Geräusche bereits im Test vor knapp zwei Jahren konsequent abblockten, ließen die Reflect Aero TWS doch so einiges durch – vom Staubsauger im Nebenzimmer und das Klappern der eigenen Tastatur beim Tippen über das Rattern der U-Bahn bis zum Lärm fahrender Autos in der Innenstadt. Dabei muss gesagt werden, dass das ANC der Reflect Aero TWS per se nicht schlecht ist, der Effekt ist durchaus da – er ist bloß weniger gut wie bei der Konkurrenz.

Wozu braucht man diese Schlaufe?
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Die Funktion "Ambient Aware" ermöglicht es im Gegensatz zum ANC, Geräusche der Umgebung aktiv durchzulassen – das ist praktisch in Situationen, in denen man achtsam sein sollte, also etwa beim Spazieren in Gegenden mit viel Fahrrad- und Autoverkehr. Ein wahres Goldstück ist aber "Talkthru": Hier wird ANC abgedreht und die Lautstärke der Musik heruntergedreht, sdass man Gespräche führen kann, ohne die Kopfhörer aus dem Ohr nehmen zu müssen.

Das klappte im Praxistest recht gut, die Funktion lässt sich einfach durch ein Doppeltippen auf den linken Kopfhörer aktivieren – deutlich praktikabler als die bei Sony praktizierte "Speak to Chat"-Funktion, bei der die Musik automatisch pausiert, wenn der Träger Geräusche von sich geben. Das ist nämlich zwar gut gemeint, führt jedoch zu ungewollten Unterbrechungen im Hörgenuss, wenn man sich ungewollt räuspert oder hustet. Für längere Gespräche sollte man aber ohnehin beide Kopfhörer aus den Ohren nehmen – allein schon aus Höflichkeit.

Tonqualität und Equalizer

Im Test der Sony-Kopfhörer vor gut zwei Jahren lobten wir unter anderem auch die Tonqualität und in dieser Hinsicht vor allem die Tatsache, dass Bässe klar sind und nicht übersteuert werden. In diesem Punkt können die JBL-Kopfhörer nicht uneingeschränkt empfohlen werden: zwar war die Tonqualität generell besser als günstigeren Geräten, jedoch wirkten Bässe vereinzelt stark unterscheidet, auch unabhängig von den Einstellungen im Equalizer.

Apropos Equalizer: Hier kann bei Sony zwischen Optionen wie "Hell", "Sanft" und "Vokal", bzw. "Treble Boost" und Bass Boost" gewechselt werden, bei JBL sind es Funktionen wie "Studio", "Club", "Vocal", ein Bass-Boost oder auch eine Musikrichtung: Jazz. Wer mehr möchte, also etwa den Equalizer auf eine andere bestimmte Musikrichtung (warum bitte ausgerechnet Jazz?) abstimmen, der muss in die händischen Einstellungen wechseln.

Das Menü ist bei JBL übersichtlicher als bei Sony.
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Und diese, also das manuelle Hinzufügen und Benennen einer Equalizer-Einstellung, sind bei JBL besser gelöst. Auf einem großen, übersichtlichen Interface konnte ich per Touch-Bedienung problemlos Einstellungen für Rockmusik vornehmen – und hätte ich vorher noch den recht schwachen Klang bei Songs von Bands wie Rage Againt the Machine beklagt, hatten diese danach deutlich mehr Wumms. Nota bene: Freilich gibt es auch bei Sony einen manuellen Equalizer, der von JBL lässt sich aber deutlich intuitiver bedienen.

Ein kurzer Satz noch zum Sound, bevor es zum nächsten Punkt geht: 3D-Audio, oder auch Spatial Audio, wird von Sony nur für bestimmte Abo-Dienste unterstützt, bei JBL findet sich die Option in der App erst gar nicht – das scheint tatsächlich eher Apples Spielwiese zu sein. Immerhin: Sony bietet ein Scannen des Ohrs an, um möglichst gutes 3D-Audio liefern zu können.

Steuerung, Sprachansagen und Assistants

Überhaupt gewinnt JBL, wenn es um die App geht, allein schon aus Gründen der Übersichtlichkeit. Denn bei Sony sind die Funktionen in der App auf mehrere Reiter verteilt, durch die man sich oft mühsam durchtippen muss, wenn man eine bestimmte Funktion sucht. Bei JBL hingegen ist alles übersichtlich auf einem Startscreen angeordnet, von dem man in die einzelnen Untermenüs wechseln kann.

In den Menüs lässt sich jeweils festlegen, was passieren soll, wenn auf die beiden Kopfhörer getippt wird – denn sowohl bei Sony als auch bei JBL lassen sich Wiedergabe von Musik, Noise-Cancelling, Annahme von Anrufen und andere Funktionen steuern, indem man die Hörer einfach antippt.

Bei beiden funktionierte das im Test tadellos, und beide unterstützen die Smart Assistants namens Alexa und Google Assistant. Welchen Asstistant man verwenden möchte und wie dieser aktiviert werden soll, lässt sich in der App ebenso einstellen wie die diversen zuvor genannten Spezialfunktionen der jeweiligen Kopfhörer, vom adaptiven Noise Canceling bis zu den eingangs erwähnte Funktionen, etwa dem Analysieren der Ohren.

Die Suchfunktion ist nicht in allen Situationen hilfreich.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Ein kleiner Fun Fact noch: JBL ermöglicht es in der App auch, die Kopfhörer piepsen zu lassen, wenn man sie nicht findet. Allerdings nur, wenn sich diese nicht im Case befinden und per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden sind. Was bedeutet: Wer sie beim Spazierengehen verliert und es sofort bemerkt, findet sie so wieder. Wer das ganze Case irgendwo liegen lässt und nicht mehr findet, hat Pech gehabt.

Sprachqualität und "Voice Aware"

JBL brüstet sich damit, über sechs Mikrofone eine besonders gute Gesprächsqualität bieten zu können, bei der Hintergrundgeräusche ausgefiltert werden. Dies konnten wir im Test leider nicht uneingeschränkt bestätigen. In einem etwas größeren Wohnzimmer stehend, nahm meine Gesprächspartnerin meine Stimme als blechern wahr. Outdoor war die Sprachqualität zwar besser, allerdings vernahm die Gesprächspartnerin ein Wind- und Blätterrauschen, wenn ich gerade nicht sprach.

Auf der anderen Seite konnte ich die Gesprächspartnerin klar hören. Interessant ist zudem ein Feature in der App, das sich "Voice Aware" nennt. Dies ermöglicht, die eigene Stimme auch über die Kopfhörer zu hören – was insofern Sinn macht, als man sich ja auch in einem persönlichen Gespräch selbst hören würde, während Kopfhörer diese Geräusche naturgemäß dämpfen.

Positiv anzumerken ist, dass bei der Übertragung der eigenen Stimme ins dazugehörige Ohr keine Latenz bemerkbar ist – alles andere wäre auch eine Qual. Auch kann die Intensität der Funktionen reguliert und somit an die eigenen Vorlieben angepasst werden. Allerdings zeigen sich die eingangs erwähnten Defizite in der Sprachqualität auch bei der Nutzung von "Voice Aware": Indoor vernahm ich einen Hall in meiner eigenen Stimme, an der frischen Luft bestand dieses Problem nicht.

Eine uneingeschränkt saubere Sprachqualität kann aber übrigens auch bei den Sony-Kopfhörern nicht attestiert werden. So stellten wir auch hier im ursprünglichen Test fest, dass die Tonqualität zwar passe, aber eine "eine leichte Roboterfärbung im Abgang" habe.

Akkulaufzeit und Wasserfestigkeit

Mit dem Case wird die Batterieleistung der Sony-Geräte mit 24 Stunden angegeben, die Kopfhörer selbst schaffen laut Hersteller mit Noise-Canceling acht und ohne Noise-Cancelling zwölf Stunden. Ähnliche Angaben kommen von JBL: Hier sollen die Hörer ohne Noise-Cancelling acht und das Case nochmal Strom für 16 Stunden liefern, mit Noise-Cancelling sind es sieben plus 14 Stunden.

Nochmals ein Detailfoto der JBL-Kopfhörer ...
Foto: Der Standard/Stefan Mey

In beiden Fällen reicht das aus, um mit einer Ladung bei halbwegs normaler Nutzung – Hören hauptsächlich beim Pendeln und gelegentlich für Deep-Work-Sessions – durch eine Arbeitswoche zu kommen. Beide unterstützen außerdem eine Quick-Charge-Funktion, mit der die Kopfhörer in wenigen Minuten zumindest mit so viel Saft ausgestattet werden können, dass man ohne akustischen Fremdkontakt die nächste Busfahrt überlebt. Punkte für Sony gibt es allerdings erstens, weil deren Kopfhörer bei jedem Einschalten verkünden, wie gut sie noch geladen sind und somit böse Überraschungen vermeiden. Und zweitens wegen der bereits erwähnten Funktion zum drahtlosen Laden, die bei den JBL-Kopfhörern fehlt.

... und eines von den Sony-Geräten.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Nicht getestet, aber erwähnt werden sollte schließlich noch das Thema Staub- und Wassserfestigkeit: Die JBL Reflect Aero TWS sind staub- und wasserdicht gemäß IP68, was bedeutet, dass sie bis zu 30 Minuten in 1,5 Meter tiefem Wasser überleben. Das gilt auch für Salzwasser, solange man sie anschließend abspült. Hier ist man deutlich besser unterwegs als Sony, denn diese sind nur wasserfest nach IPX4. Was bedeutet: Die M4 halten Schwitzen und starken Regen aus, zum Schwimmen oder Duschen sollte man sie aber explizit nicht mitnehmen.

Fazit: Ein knapper Sieger

Es ist schon faszinierend, aber die inzwischen fast zwei Jahre alten WF-1000X M4 von Sony können auch im Vergleich mit aktuellen Geräten, etwa den hier getesteten JBL Reflect Aero TWS, noch immer problemlos mithalten. In den meisten Punkten sind sich die beiden Kontrahenten ebenbürtig, in vielen Punkten hat Sony sogar die Nase vorn.

Für die JBL-Kopfhörer sprechen allerdings auch einzelne Aspekte, wie etwa die übersichtlichere App mit dem intuitiven Equalizer, die "Talkthru"-Funktion und die Wasserfestigkeit. Wer Wert auf diese Punkte legt und gerade auf der Suche nach neuen Kopfhörern ist, der kann entsprechend einen Kauf erwägen. Wobei, liebe Sony: Wäre nicht allmählich wieder die Zeit reif für einen Nachfolger? (Stefan Mey, 11.2.2023)