Der Weg, die Strafmündigkeit bei Jugendlichen herabzusetzen, ist nicht der richtige, sagt Günther König.

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Die Mopäd GmbH (mobile Pädagogik) betreut in ganz Oberösterreich 400 Familien, bietet 27 stationäre Plätze und sorgt aktuell für 40 Einzelwohnbetreuungen. DER STANDARD hat mit dem Geschäftsführer Günther König über die Forderungen nach härteren Strafen für straffällige Jugendliche – und Alternativen dazu – gesprochen.

STANDARD: Ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, ob man künftig auch Kinder unter 14 Jahren bestrafen soll?

König: Aus meiner Sicht überhaupt nicht. Es gib auch keine wissenschaftliche Evidenz, dass so eine Maßnahme bei straffälligen Jugendlichen zielführend sein kann – und eben zu weniger Straftaten führt.

STANDARD: Die aktuelle politische Diskussion geht damit für Sie in die falsche Richtung?

König: Unbestritten ist, dass Handlungsbedarf besteht. Wir sind mitunter ohnmächtig angesichts des Gewaltpotenzials, mit dem wir heute konfrontiert sind. Diese Ohnmacht eint uns als Sozialarbeiter mit der Polizei und der Politik. Aber der Weg, die Strafmündigkeit herabzusetzen, ist nicht der richtige.

STANDARD: Die Halloween-Randale, brennende Polizeiautos, 13-Jährige entführen ein Taxi: Ist die Jugend deutlich gewaltbereiter geworden?

Der Weg, die Strafmündigkeit bei Jugendlichen herabzusetzen, ist nicht der richtige, sagt Günther König, Geschäftsführer der Welser Sozialeinrichtung Mopäd.
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König: Die Gesamtzahlen der Delikte sind im Abnehmen begriffen. Egal ob im Bereich der über oder unter 14-Jährigen. Nochmals: Es ist daher sicher nicht das richtige Signal, wegen einer Handvoll Jugendlicher die Strafmündigkeit für alle herabzusetzen. Aber ein Phänomen ist, dass die Auslenkung der Verhaltensweisen einfach extremer wird.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

König: Die Gewaltbereitschaft steigt, und die Grenzen sind, im negativen Sinn, sicher im Abnehmen begriffen. Warum, lässt sich schwer sagen. Aber ein Problem in der präventiven Arbeit ist sicher, dass uns als wichtiger Partner die Kinder- und Jugendpsychiatrie abhandengekommen ist, weil in diesem Bereich ‚Land unter‘ herrscht und nur noch im Triage-Modus gearbeitet wird.

STANDARD: Auch wenn die Ursachenforschung offensichtlich aktuell noch läuft: Die Rufe in der Gesellschaft nach härteren Strafen werden lauter. Was tun mit straffälligen Jugendlichen?

König: Ich habe natürlich auch Verständnis für die Bevölkerung. Doch auch die in diesem Zusammenhang immer wieder gebrachte Forderung, dass die Kinder- und Jugendhilfe straffällige Jugendliche unter Hausarrest stellen soll, wäre nach derzeitigem Rechtsstand eine klassische Freiheitsberaubung, die einfach nicht möglich ist. Blickt man in die jüngere Geschichte zurück, gibt es die Fälle von Jugendlichen, die in der Heimerziehung systematisch mit struktureller Gewalt konfrontiert waren, eingesperrt wurden.

Diesbezüglich zahlt der Bund heute noch durchaus hohe Entschädigungen und Opferrenten. Und schon im Nationalsozialismus wurde die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabgesetzt. Daran sollten wir uns aber nicht die Anleihen holen, wie man heute mit gewaltbereiten Jugendlichen umgeht. Und bevor man geschlossene Einrichtungen fordert, sollte man lieber die Ressourcen, die ein Wegsperren kosten würde, für den personellen Ausbau von offenen Einrichtungen verwenden. (Markus Rohrhofer, 9.2.2023)