Julia Maria Pasch sieht ihre Wohnung auch als Bereicherung ihres Schaffens. Ein Gespräch über Geschichte und Verantwortung.

"Wir hatten davor in einer schönen Gründerzeitwohnung im sechsten Bezirk gewohnt. Sie war fast perfekt, nur war sie leider erstens zu klein, um darin auch wirklich in Ruhe arbeiten zu können, und zweitens lag mein Atelier nordseitig, mit einem traurigen Ausblick auf ein graues Haus, ohne Bäume, ohne Natur, ohne viel Tageslicht. Das hat mich auf Dauer frustriert. Also haben mein Mann Lüder Machold und ich beschlossen, uns nach etwas Neuem umzusehen.

Ein Zuhause mit Geschichte: Julia Maria Pasch in ihrer Wohnung im 14. Wiener Gemeindebezirk.
Foto: Lisi Specht

In einem Inserat sind wir 2016 auf diese Wohnung gestoßen. Eine richtig schöne, sorgfältig geplante Landhausvilla, die 1852 für einen gewissen Baron Rackowitz errichtet wurde. Ein großer Nachteil für die meisten Menschen ist wohl die Lage an der vielbefahrenen Hadikgasse, auf der jeden Tag zehntausende Autos vorbeifahren – wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum die Wohnung damals immer noch zum Verkauf stand. Wir sind durch das Tor gegangen, und jeder Schritt auf das Haus zu war eine Erleuchtung, überall Grandezza und Eleganz, blühende Hortensien im Garten, ein wunderschönes Treppenhaus voller Patina, und noch bevor wir die Wohnung gesehen haben, wussten wir irgendwie: Das ist es!

Die Villa, in der sich die Wohnung befindet, steht unter Denkmalschutz.
Fotos: Lisi Specht

In der Wohnung haben wir dann erfahren, dass es sich dabei um jene Wohnung handelte, in der Richard Wagner in seinen Wiener Jahren zwischen 1863 und 1864 lebte. Die Spiegel zwischen den Fenstern, der prächtige Stuck an der Decke, die Energie dieses Ortes, die Geschichte, die hier zu Hause ist, und dann noch die Tatsache, dass im Erker neben mir am 7. Februar 1864 Richard Wagner und Johannes Brahms, mein absoluter Herzenskomponist, das einzige Mal in ihrem Leben aufeinandergetroffen sind und Brahms für Wagner auf dem Klavier gespielt hat, umgeben von einer ausgewählten Gästeschar … da war es um mich geschehen!

Der Geschichte des Hauses will Julia Maria Pasch auch bei der Einrichtung Rechnung tragen. "Ein billiges Regal aus Spanplatten, eine knatschbunte Couch vom Diskonter? Unvorstellbar!", sagt sie.
Fotos: Lisi Specht

So viel ich herausgefunden habe, suchte Wagner in seinen Wiener Jahren eifrig Anschluss an die Musikgesellschaft, konnte aber nie so richtig Fuß fassen. Es dürfte eine schwierige Zeit für ihn gewesen sein. Lange Opernwerke waren damals nicht wirklich en vogue, er hatte wenig Glück und wohl auch zu wenig Geld für seine Bedürfnisse. All das habe ich in seiner Biografie gefunden, die ich in den Monaten nach unserem Einzug gelesen habe. Er saß genau hier, neben mir, und versuchte, sein Glück zu finden. Diese menschliche Perspektive macht was mit einem! Obwohl Wagner in gewisser Weise ein sozialer Ungustl gewesen sein muss und seine autobiografischen Texte vor Narzissmus triefen, ist sein Werk für die Musikgeschichte ein unverzichtbarer Beitrag. Dass ein Teil dieser Geschichte hier, in dieser 150 Quadratmeter großen Wohnung, geschrieben wurde, berührt mich.

In den Monaten nach ihrem Einzug hat Julia Maria Pasch Wagners Biografie gelesen.
Fotos: Lisi Specht

Als Geigenbauerin befasse ich mich natürlich sehr intensiv mit Geschichte und mit den Anliegen und Vorstellungen von Komponisten und Interpreten, denn nur, wenn man die Musik versteht, ist man auch in der Lage, das genau richtige Instrument zu bauen. Hier zu wohnen ist so gesehen also auch eine Bereicherung für mein Schaffen.

Die Villa steht unter Denkmalschutz. Aber natürlich hat man als Bewohnerin – Denkmalschutz hin oder her – auch darüber hinaus eine gewisse Verantwortung, mit der Bausubstanz sorgfältig umzugehen. Das geht bis zur Möblierung. Ich könnte niemals ein Möbel reinstellen, das nicht in irgendeiner Weise auf den Raum und dessen Hochwertigkeit eingeht. Ein billiges Regal aus Spanplatten, eine knatschbunte Couch aus dem Möbeldiskonter – unvorstellbar! Und ich freue mich, dass auch unsere beiden Buben, zwei und fünf Jahre alt, mit dieser Sensibilisierung aufwachsen.

Pasch freut sich, dass auch ihre Kinder mit der Sensibilisierung für die besondere Vorgeschichte der Wohnung aufwachsen.
Fotos: Lisi Specht

Ich fühle mich extrem wohl hier. Dieser Ort ist ein Geschenk. Ich bin hineingewachsen und habe nun die Aufgabe, die Geschichte in die Zukunft weiterzutragen. Eigentlich schön, oder? Ab Sommer wollen wir hier regelmäßig Hauskonzerte veranstalten." (Wojciech Czaja, 13.2.2023)