Die Wiedereröffnung des deutschen Konzentrationslagers Dachau wünschte sich ein 45-jähriger Angeklagter auf Facebook – obwohl er wusste, dass die Nationalsozialisten ihn aufgrund seiner sexuellen Orientierung dort gemartert hätten.

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Wien – Die als "Hexe von Buchenwald" bekannte Ilse Koch, die als Gattin des Konzentrationslagerkommandanten Karl Otto Koch selbst wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurde und sich 1967 im Gefängnis tötete, muss man nicht unbedingt kennen. Alexander H. kennt sie und hat das via Facebook auch der Öffentlichkeit mitgeteilt: "Wo ist Ilse Koch? Kamin, und das Problem ist gelöst", postete er 2016 zu einem Artikel über Flüchtlinge.

In fünf Monaten hat der 45-jährige Österreicher damals im Internet neun Botschaften abgesondert, die aus Sicht von Staatsanwältin Bettina Sommer gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen, dazu kommen fünf Beiträge, die laut Anklage Verhetzung darstellen. 2017 wurde der Arbeitslose angezeigt. Da er unterstandslos war, konnte er erst im Vorjahr ausgeforscht werden.

Eichmann, Heydrich, "Onkel Dolfi"

Nachdem er bei der Polizei eine nationalsozialistische Gesinnung noch geleugnet hat, bekennt H. sich vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Magdalena Klestil-Krausam nun zur objektiven und subjektiven Tatseite schuldig. Ja, er habe nicht nur nach Ilse Koch gefragt, sondern auch nach Adolf Eichmann, Reinhard Heydrich und "Onkel Dolfi", gibt der Unbescholtene zu. Ja, er habe auch "Tod den muslimischen Dreckschweinen!" gefordert, "Mann, wieso tötet die Schweine keiner?" gefragt und "Tod jedem Bimbo!" angeregt.

"Wieso schreibt man sowas?", will die Vorsitzende von ihm wissen. "Ich habe einen Hass gehabt." – "Gegen was?" – "Gegen alle. Primär gegen mich selbst", erklärt der ehemalige Jus-Student, der seine Ausbildung nach neun Jahren abgebrochen hat. "Ich war in einer psychischen Ausnahmesituation und habe es falsch kanalisiert", entschuldigt er sich und beteuert, mittlerweile die Finger von Facebook zu lassen und in psychiatrischer Behandlung zu sein.

Eigenständige Recherchen

Beisitzerin Sonja Weis bohrt nach: "Haben Sie sich mit der Zeit besonders beschäftigt? Ilse Koch oder auch Reinhard Heydrich sind nicht die Namen, die hier in Verhandlungen normalerweise vorkommen." – "Das Backgroundwissen hat man aus der Schule", versucht es der Angeklagte. "Das glaub ich nicht", zweifelt die Beisitzerin das an. "Ich habe es auch gelesen. Wenn man in einem Forum was liest, informiert man sich", gibt H. zu.

Auf die Frage, wie er persönlich zum Nationalsozialismus stehe, hört man eine überraschende Antwort: "Was ich als Homosexueller davon halte, kann man sich denken." Sein Verteidiger hakt hier ein: "Was wäre denn damals mit Ihnen passiert, wenn Ihre Orientierung öffentlich bekannt geworden wäre?" – "Ich wäre in Dachau gelandet", gibt der Angeklagte zu. In jenem deutschen Konzentrationslager, dessen Wiedereröffnung er sich in einem der inkriminierten Postings wünschte.

In seinem Schlusswort bittet H. die Geschworenen nochmals um Entschuldigung, eine milde Strafe und verweist auf seine damaligen schwierigen Lebensumstände. Die anklagekonforme einstimmige Verurteilung zu 20 Monaten bedingter Haft akzeptiert er ebenso wie die Staatsanwältin, die Entscheidung ist daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 10.2.2023)