Die Eisfläche um die Antarktis ist extrem klein geworden.
Foto: André Gilden / Imago / Nature in Stock

Das Eis der Antarktis ist ein großer Risikofaktor im Weltklima: Schon innerhalb des kommenden Jahrzehnts könnte in der Westantarktis ein entscheidender Klimakipppunkt erreicht werden, der die Stabilität der Eismassen nachhaltig beeinträchtigt. Viele Vorgänge sind noch nicht ausreichend erforscht, um präzise Prognosen zu treffen. Was derzeit allerdings auffällt: Die von Eis bedeckte Fläche auf den Meeren rund um die Antarktis ist so klein wie noch nie seit Beginn der satellitengestützten Messungen vor rund 40 Jahren.

Vorjahresrekord gebrochen

Dies teilte das Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Freitag in Bremerhaven mit. Demnach waren Anfang Februar lediglich noch 2,2 Millionen Quadratkilometer mit Meereis bedeckt. Damit wurde das bisherige Rekordminimum vom 24. Februar vergangenen Jahres bereits mehrere Wochen vor Ende der sommerlichen Schmelzperiode unterboten. Damals wurde auf dem südlichen Ozean rund um die Antarktis laut AWI eine Meereisausdehnung von 2,27 Millionen Quadratkilometern registriert. Die Schmelzperiode dauert voraussichtlich bis in die zweite Februarhälfte an.

Bereits den gesamten Jänner über lag die Meereisbedeckung in der Antarktis nach Angaben des AWI, das bei seiner Analyse mit Forschenden der Bremer Universität zusammenarbeitete, auf einem historisch niedrigen Niveau. Es war demnach bereits das achte Jahr in Folge, dass die Meereisbedeckung im südlichen Ozean im Jänner im Mittel unterhalb des langjährigen Trends lag.

Rasanter Trend

"Die rasante Abnahme des Meereises in den letzten sechs Jahren ist sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den 35 Jahren davor kaum verändert hatte", erklärte AWI-Meereisphysiker Christian Haas. "Es ist unklar, ob dies der Anfang vom schnellen Ende des sommerlichen Meereises in der Antarktis ist oder ob es sich nur um eine neue Phase mit geringerer, aber weiterhin stabiler Meereisbedeckung im Sommer handelt", fügte er an.

Auf der Südhalbkugel herrscht gerade Sommer. Rund um die Antarktis schmilzt das Meereis in dieser Jahreszeit in manchen Regionen komplett ab. Im Winter bildet sich aufgrund der großen Kälte schnell neues Meereis, bis es eine maximale Ausdehnung von rund 18 bis 20 Millionen Quadratkilometern erreicht.

Ausgeprägtere Schwankungen

Eine mögliche Ursache für die starke aktuelle Schmelze seien ungewöhnlich warme Lufttemperaturen in Teilen der Antarktis, teilte das AWI weiter mit. Eine Rolle spielten aber zudem komplexe Wechselwirkungen zwischen Luftdruck, Windzirkulation und Meeresströmungen. Auch das beeinflusse den Eisrückgang.

Vergleichbare jahreszeitliche Veränderungen der Meereisbedeckung gibt es auch auf den Meeren um die Arktis. In der Antarktis sind die natürlichen saisonalen Schwankungen dem AWI zufolge aber deutlich ausgeprägter. Auf die Höhe des globalen Meeresspiegels haben Veränderungen der Meereisbedeckung kaum einen Einfluss, weil das Eis bereits im Wasser schwimmt. Anders ist dies bei Festlandeis. Wenn es schmilzt, gelangt zusätzliches Wasser in die Ozeane.

DER STANDARD

Vor wenigen Wochen sorgte ein großer Eisberg für Aufregung, der das Eisschelf vor dem Thwaites-Gletscher – auch "Doomsday Glacier" genannt – stabilisiert hatte, aber ins Meer abdriftete. Außerdem verriet die DNA eines Kraken, dass das Westantarktische Eisschild einst nahezu vollständig verschwunden war – zu einer Zeit, als es ähnliche Temperaturen gab, wie sie für die kommenden Jahrzehnte prognostiziert werden. (APA, red, 10.2.2023)