Das wichtigste bei der Softwareentwicklung ist Kreativität und das Verstehen von Zusammenhängen.
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Der Einsatz von künstlicher Intelligenz verfolgt ein einfaches Ziel: Sie soll den Menschen Arbeit abnehmen, damit diese ihre Intelligenz für das verwenden können, wofür sie wirklich gebraucht wird. Anders gesagt: Es geht vor allem darum, mühsame oder langwierige Arbeiten zu automatisieren und das Potenzial von Mitarbeitern voll auszunutzen und weiter zu fördern, statt sie mit Aufgaben zu beschäftigen, die in erster Linie Zeit und Durchhaltevermögen kosten.

So wird es sich in Zukunft auch mit künstlicher Intelligenz (KI) in der Programmierung verhalten. Der wichtigste Teil bei der Entwicklung einer Software ist Kreativarbeit: logische Strukturen verstehen, Zusammenhänge erkennen und Lösungen für ein Problem finden, die sich mit teilweise sehr einfachen Befehlen beschreiben lassen. Das alles gilt es dann in einer Programmiersprache zu verschriftlichen – und so entsteht am Ende der Code.

Arbeit auslagern

KI setzt an diesem Punkt an und hilft den Entwicklern, ihre Ideen in Codes umzusetzen. Helfen können dort zum Beispiel KIs, wie sie beim Schreiben von Texten und E-Mails schon lange Einzug gehalten haben: Sie überprüfen den Code unter anderem auf Schreib- oder Grammatikfehler und stellen so sicher, dass der Computer am Ende auch verstehen kann, was der Entwickler von ihm erwartet.

Positiv gestimmt: "Die Aufgabenbereiche von Entwicklern werden sich verschieben", erwartet Sead Ahmetovic, Chief Executive Officer der IT-Jobplattform We Are Developers.
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Auch ist es möglich, dass Algorithmen den Code für Entwickler vervollständigen oder Möglichkeiten vorschlagen, wie sie einen "Code-Satz" zu Ende führen können oder "Standardfloskeln" automatisch hinzufügen. Das wird Softwareentwicklern eine Menge Raum geben, tatsächlich an der Lösung von Problemen zu arbeiten, statt viel Zeit für Korrekturlesen aufzuwenden. Und nicht nur die Entwickler haben mehr Spaß an der Arbeit, auch die Entwicklung an sich geht deutlich schneller voran.

Auch in der Qualitätssicherung kann ein Algorithmus viel mühsame Arbeit übernehmen. Er kann eine Software zum Beispiel auf Compliance mit anderen Programmen oder Hardware testen oder sie auf Sicherheitslücken überprüfen. Und das viel schneller und auch zuverlässiger als Menschen, denn: Eine KI ermüdet nicht, lässt sich nicht ablenken und macht keine Flüchtigkeitsfehler.

Software wird immer sicherer

In einer Welt, in der etwas entweder funktioniert (1) oder nicht (0), ein klarer Vorteil. Für Software bedeutet das, dass sie sicherer wird. Zum einen sicherer vor Programmierfehlern, aber auch vor Angriffen von außerhalb. KIs könnten in Zukunft sogar automatisch Updates für gefundene Sicherheitslücken programmieren und bereitstellen.

Künstliche Intelligenz wird einiges übernehmen, das heute noch zur alltäglichen Arbeit von Softwareentwicklern gehört. Doch dass es deswegen weniger Entwickler geben wird, ist eine falsche Annahme. Stattdessen werden sich die Aufgabenbereiche von Entwicklern verschieben.

Der Fokus wird sich mehr als noch heutzutage auf die bereits angesprochene Kreativarbeit richten. Weil ihnen die KI viel mühsame Arbeit abnimmt, können sie sich deutlich mehr mit der Entwicklung von Programmen statt nur mit ihrer Verschriftlichung beschäftigen. Ganz ersetzen wird künstliche Intelligenz die Entwickler aber nie: Allein schon aus dem Grund, dass es für jede KI, die ein Programm entwickelt, Entwickler braucht, die die KI entwickeln.

Auch neue Rollen in der Softwareentwicklung werden entstehen: Der Softwaretester könnte beispielsweise zum KI-Manager werden. Ein wenig vergleichen kann man das mit der Landwirtschaft: Nur weil der Boden nicht mehr von Hand gepflügt und die Kühe nicht mehr von Hand gemolken werden, werden weder der Bauernhof noch der Landwirt noch die Hersteller von Pflügen und Milchbehältern obsolet.

Automatisierte Lösungen verwalten

So werden sich auch Entwickler nicht mehr mit einzelnen Zeilen Code beschäftigen, nicht mehr händisch nach Sicherheitslücken suchen oder den gesamten Code auf Herz und Nieren prüfen, weil eine einzige Sache nicht funktioniert. Stattdessen werden sie sich darauf konzentrieren, die automatisierten Lösungen zu verwalten, zu verbessern und neue zu erfinden.

Während künstliche Intelligenz in anderen Wirtschaftszweigen bereits gang und gäbe ist, Tesla bereits "intelligente Fabriken" entwirft, Chatbots den Kundenkontakt übernehmen und Alexa sich um alles von Einkaufsliste über Rezept bis zur romantischen Playlist kümmert, steckt sie im Bereich der Softwareentwicklung noch in den Kinderschuhen.

Erst im Vorjahr stellte Thomas Dohmke, CEO der Microsoft-Tochter Git Hub, auf dem We Are Developers World Congress die generelle Verfügbarkeit des Git Hub Copilot vor: eines Programms, das Entwickler bei der Programmierung unterstützt. Und die Sterne stehen gut: Seit diesem Jahr gibt es das Programm nicht nur als Experiment und coole Idee, sondern tatsächlich als nutz- und brauchbare Bezahlversion.

Alles in allem lässt sich also sagen: Die Softwareentwicklung ist auf demselben Weg wie viele andere Wirtschaftszweige und wird in Zukunft immer mehr auf die Unterstützung durch künstliche Intelligenz setzen. Damit einhergehend wird sich auch der Fokus der Entwickler verschieben und die Konzentration stärker auf das gerichtet, was Algorithmen nicht übernehmen können. Grundsätzlich wird auch der generelle IT-Fachkräftemangel noch weiter bestehen bleiben und die Gehälter weiter steigen. Vom Aussterben bleiben Entwickler also verschont – sie werden nur weniger schreiben, lesen, überprüfen und viel eher das tun, was ihre Berufsbezeichnung eigentlich verspricht: entwickeln. (Sead Ahmetovic, 24.2.2023)