Tim Mälzer geht mit "Kitchen Impossible" in die achte Staffel – ab Sonntag, 12. Februar, auf Vox.

Foto: : RTL / Philipp Rathmer

Seit 2016 tritt der Gastronom und TV-Koch Tim Mälzer in der Sendung Kitchen Impossible gegen hochdekorierte Gegner an. 2017 und 2018 gewann die Sendung den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Best Factual Entertainment", regelmäßig schauen über 1,5 Millionen Menschen zu. Das Prinzip ist einfach: Mälzer und seine Gegner müssen jeweils in einer fremden Küche ein Gericht nachkochen, das ihnen fertig in einer Box überreicht wird. Ohne Rezept, nur mit ihrer eigenen Erfahrung und dem Geschmacksinn. Was dabei fast immer herauskommt: tolles Fernsehen.

STANDARD: An diesem Wochenende läuft die achte Staffel von "Kitchen Impossible" an, 2023 feiern Sie Ihr 20-jähriges TV-Jubiläum. Wie erhält man sich so lang den Spaß an Dingen?

Tim Mälzer: Indem man immer wieder seine Komfortzone verlässt, sich so selten wie möglich wiederholt. Ich brauche den inneren Veränderungsdruck. Und weil ich relativ schnell von mir selbst genervt bin, fällt mir das nicht so schwer. Ich muss ja 24 Stunden am Tag mit mir selbst klarkommen, da habe ich quasi ein übergeordnetes Bedürfnis, mehr Facetten von mir anzubieten.

STANDARD: Was muss ein Koch haben, damit man ihn zu "Kitchen Impossible" einlädt?

Mälzer: Die Leute sind entweder in der Sterne- bzw. Haubenküche extrem kompetent, oder sie stehen klar für eine kulinarische Handschrift. Oft auch beides. Bei Kitchen Impossible geht es immer auch ein bisschen um einen Kampf der Philosophien. Ich werde oft gefragt, ob ich es wirklich so blöd finde, wenn da selbstgesammelte Kresse oder Blätter auf dem Essen liegt, und ich sage: Ja, das habe ich nicht so gerne.

STANDARD: Sie sind oft in Österreich unterwegs. Lukas Mraz hat Sie, glaub ich, zweimal besiegt: einmal solo, einmal mit dem Kollektiv Healthy Boy Band.

Mälzer: Lukas und ich kennen uns schon lange. Ich habe ihm damals in Berlin sogar mal ein Jobangebot gemacht, weil ich mich so in seinen Wahnsinn, seinen Dampf verliebt hab. Ich mag es, wenn Köche außerhalb der Kochjacke denken. Essen ist Kunst, Kultur, Kommunikation, Über-den-Tellerrand-Schauen. Da ist Lukas mit seinen Projekten wie der Healthy Boy Band ein Role-Model. Das schätze ich an ihm sehr. Muss man aber wirklich eine Schieferplatte mit Crème fraîche beschmieren, um sie abzulecken? Diese Provokation funktioniert bei mir nicht mehr. Aber das ist genau der Diskurs, den wir haben.

STANDARD: Wir sind am Anfang einer Folge, die Box mit dem nachzukochenden Gericht geht auf. Was muss drin sein, damit Sie denken: "Mist"?

Mälzer: Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Essen eher konstruiert ist als gelebt. Das sieht man Gerichten sehr schnell an. Es gibt bestimmte Zubereitungsmethoden, die für mich wenig Sinn ergeben, außer anzugeben: Erde, alles mit Knusper, dehydrierte und wieder im Fett aufgepoppte Chips. Das hasse ich wie die Pest. Was hasse ich noch? (überlegt)

STANDARD: Desserts? Sie sind bekannt dafür, nicht besonders gut mit Desserts zu können.

Mälzer: Das stimmt nicht ganz, ich habe sogar meine beste Einzelwertung mit Backen gehabt. Was aber stimmt: Desserts sind der größte Blindflug. Das haben wir inzwischen gelernt. Desserts funktionieren selten mit Schätzwerten, gerade was so Teige und Massen angeht. Im Grunde ist das immer Mehl, Eier, irgendwas. Es unterscheidet sich nur in Nuancen.

STANDARD: Was haben Sie in mittlerweile acht Staffeln über das Kochen gelernt?

Mälzer: Ich habe gelernt, wie wenig wir eigentlich schmecken, wenn wir die Speisekarte nicht vor uns haben. Selbst mit einer guten, professionell trainierten Zunge, die ich, glaube ich, habe. Da stehen Köche mit einem, zwei, drei Sternen, und wir scheitern manchmal daran zu schmecken, von welchem Tier das Hackfleisch ist. Und ich habe gelernt, was es ausmacht, wenn man Leidenschaft ins Kochen steckt. Die Wut, die man da im TV manchmal sieht, die hat viel damit zu tun, dass ich meinen Ansprüchen – gegenüber dem Gast, aber auch gegenüber mir selbst – nicht genüge. Das ist eine Form von Selbsthass, den ich in dem Format dann aber auch auf andere projiziere.

STANDARD: Der Ärger ist also ehrlich?

Mälzer: Die neue Staffel ist voll davon. Die Sendung lebt natürlich auch von diesen Emotionen, niemand muss nett zueinander sein. Wir Köche sind auch echte Diven, und Kitchen Impossible bietet einen Safe Space, in dem wir das endlich mal richtig ausleben können. Die anderen haben den Vorteil, ihren Hass auf mein Gesicht konzentrieren zu können. Und ich bin ein bisschen so ein Oliver-Kahn-Typ: Wenn die Bananen auf mich geschmissen werden, dann finde ich’s ganz geil.

STANDARD: Wie echt ist das, was wir in der Sendung zu sehen kriegen?

Mälzer: Sehr echt. Ein einziges Mal ist uns eine große Panne passiert, da habe ich die Aufgabe vorher gewusst, weil mir jemand aus Versehen die kompletten Unterlagen in mein Hotelzimmer gelegt hat. Da bin ich zur Redaktion gegangen und habe gesagt: Ich weiß, was ich kochen soll, ändert das. Es macht ja auch gar keine Freude, da dann zu schauspielern.

Tim Mälzer.
RTL

STANDARD: Wenn Sie Hobbyköchen einen Tipp mitgeben könnten, was wär das?

Mälzer: Eine der größten Fehlerquellen ist Angst, auch bei Spitzenköchen. Angst, etwas falsch zu machen. Man sollte sich immer sagen: So schlecht, dass man es dem Hund geben muss, wird es nicht. Und Kochen hat unheimlich viel mit Erfahrung zu tun. Es ist die Routine, auf der wir aufbauen. Die Süß-sauer-Komponente von Tim Raue sucht weltweit ihresgleichen. Warum? Weil in jedem zweiten Gericht von ihm so etwas drin ist. Das hat er perfektioniert. Ich sag den Leuten immer: Wenn ihr euch wirklich fürs Kochen interessiert, sucht euch fünf Gerichte, und kocht die immer wieder.

STANDARD: Was kocht Tim Mälzer privat gern?

Mälzer: Zu Hause mache ich gern Pasta und Salate. Oder Gulasch. Ich schmore unglaublich gern: Ich finde den Anfangsprozess toll, wie sich das langsam entwickelt, ohne dass ich noch etwas machen muss. Was passiert, wenn man es über Nacht stehen lässt. Ich glaube, ich habe noch nie das gleiche Gulasch gemacht, das ist faszinierend.

STANDARD: Sind Sie heute primär Gastronom oder TV-Koch?

Mälzer: Die Frage kriege ich immer wieder. Mein Beruf ist Gastronom. Das ist meine Basis, sozusagen mein echtes Leben. Darüber hinaus habe ich aber Fenster für mich entdeckt, die mir sehr viel Freude machen. Aber ich möchte mich in meinen Betrieben nicht überflüssig machen. Ich will schon noch, dass mich die Mitarbeiter erkennen, wenn ich den Laden betrete.

STANDARD: Und, tun sie das?

Mälzer: Einmal habe ich in meinem Restaurant eine neue Hostess freundlich gefragt, wer sie denn sei. Sie hat zurückgefragt, was mich das anginge. Da habe ich gelacht und gedacht: Ich glaube, ich muss öfter vorbeischauen.

STANDARD:Es gibt einige Duelle, die sich durch die Geschichte von "Kitchen Impossible" ziehen. Der Name Tim Raue ist eben gefallen. Ein Gefühl, wer von Ihnen beiden am Ende gewinnen wird?

Mälzer: Es geht ja nicht darum zu entscheiden, wer der bessere Koch ist. Das ist ja von Anfang an klar: Die Kontrahentinnen und Kontrahenten, gegen die ich antrete, sind für gewöhnlich die besseren Köche. Sie sind aber in ihrer Struktur nicht besonders variantenreich. Nimm ihnen ein bisschen die Kontrolle, nimm ihnen die Ordnung, und schon sind sie 30 Prozent schlechter. Das stresst sie. Man scheitert nicht am Gericht, sondern immer an sich selbst. Ich erinnere mich, als Tohru Nakamura eine Tortilla machen musste – Kartoffeln und Eier, zwei Zutaten, und er hat’s versemmelt. Weil Essen mehr ist als eine Rezeptur.

STANDARD: Was erwartet den Zuschauer in der achten Staffel?

Mälzer: Jede Staffel Kitchen Impossible hat ihre eigene Energie. Diese ist für mich kulinarisch eine warme Staffel, wo wir teilweise ganz banale Gerichte nachkochen, die man sofort im Mund hat, wenn man sie sieht. Die Qualität der Gerichte ist hoch – man kann sich also nicht nur vorstellen, was der Koch wollte, sondern am Ende schmecken sie auch einfach gut. Wir waren wieder in der ganzen Welt unterwegs für das Format: Costa Rica, Korea, Indonesien, aber natürlich auch wieder Spanien und Italien. Komischerweise kriege ich im Moment sehr viele Aufgaben in Italien, obwohl ich da ja mittlerweile eine anerkannte Koryphäe bin (lacht). Ich glaube, da möchte man mich an meiner Komfortzone scheitern lassen.

STANDARD: Wird es noch zum versprochenen Duell gegen den britischen Starkoch Jamie Oliver kommen?

Mälzer: Die Antwort ist einfach: zu 100 Prozent. (Jonas Vogt, 11.2.2023)