Klimts "Apfelbaum II" aus der Sammlung von Elisabeth Bachofen-Echt befindet sich im Bestand der Fondation Louis Vuitton, die der Milliardär Bernard Arnault 2006 gründete.
Foto: Archiv Belvedere

Es gibt Fehlentscheidungen, die nicht reversibel sind und dennoch einer Lösung bedürfen: etwa die 2001 erfolgte Restitution von Gustav Klimts Apfelbaum II (1916) an die Erben nach Nora Stiasny, die sich Jahre später, 2017, als Irrtum herausstellen sollte. Da hatten die ursprünglich Begünstigten das Gemälde allerdings schon längst verkauft, um den Erlös, dem Erbschlüssel folgend, aufzuteilen.

Wie das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) in einer Aussendung am Freitag informiert, kam es in dieser Causa nun zu einer Einigung. Die Stiasny-Erben entschädigen die Republik mit einer Zahlung von 11,3 Millionen Dollar. Die umgerechnet etwa 10,6 Millionen Euro fließen in das Budget des BMKÖS und werden dort als Rücklage gebunden. Konkret als Startkapital für eine künftige dauerhafte Lösung für den Standort des Hauses der Geschichte Österreich, wie mit dem Finanzministerium vereinbart wurde.

Als Berechnungsgrundlage für die Verhandlungen zwischen der Finanzprokuratur und dem Rechtsvertreter der Erbengruppe diente der auch um eine Inflationsbereinigung aufgebesserte ursprüngliche Verkaufserlös des Bildes von 2001: Er war, einige Jahre vor der Preisexplosion für Gemälde Klimts im Umfeld der Rückgaben der Goldenen Adele (135 Mio. Dollar) und anderer Werke an die Erben nach Bloch-Bauer 2006, bei netto sieben Millionen Euro gelegen.

Zweifel bereits bei der Rückgabe 2001

Wie man dem Fehler auf die Spur kam, ist ein Kapitel für sich: Denn bereits im Umfeld der Empfehlung des Kunstrückgabebeirates im Herbst 2000 hatte es Zweifel gegeben, da nicht nur die im Holocaust ermordete Nora Stiasny (geborene Zuckerkandl) noch 1938 ein als Apfelbaum bezeichnetes Gemälde von Klimt besaß, sondern auch Elisabeth Bachofen-Echt, die 1944 in Wien verstorbene Tochter von August und Szerena Lederer.

Das an die Stiasny-Erben restituierte Bild aus dem Jahr 1916 war nach dem "Anschluss" 1938 zu einem nicht näher identifizierbaren Zeitpunkt in den Besitz des NS-Propagandaregisseurs Gustav Ucicky gekommen. Im Umfeld einer drohenden Rückstellungsklage nach dem Zweiten Weltkrieg musste er sich für drei in seinem damaligen Besitz befindliche Klimt-Bilder zu "einer Schenkung auf den Todesfall" an die Österreichische Galerie verpflichten: Apfelbaum II war eines dieser Werke und wurde nach Ucickys Tod 1961 in Bundeseigentum übertragen.

Im Beschluss des Kunstrückgabebeirates wurden 2001 Hinweise zur Sammlung Lederer zwar erwähnt, jedoch, auf Basis des Gutachtens eines damaligen Belvedere-Restaurators, etwaige Zweifel an der Stiasny-Zuordnung zeitgleich auch ausgeräumt. 14 Jahre später meldet ein Rechtsnachfolger der Familie Lederer im Frühjahr 2015 nochmals Bedenken an der damaligen Entscheidung an, und mehrere Provenienzforscher begannen, sich neuerlich intensiver mit der Sache zu befassen.

Im März 2022 wurde Klimts "Rosen unter Bäumen" (1905) von Frankreich an die Erben nach Nora Stiasny restituiert. Jetzt folgte der Verkauf, der auch die Ausgleichszahlung an die Republik ermöglichte.
Foto: Musée d’Orsay, P. Schmidt

Bestätigung 2017 und neue Restitution 2022

Die entscheidende Wende brachten Recherchen zu einem Klimt-Gemälde im Pariser Musée d’Orsay, das ebenfalls Obstbäume als Motiv hatte, jedoch Rosen unter Bäumen (1905) hieß. Die Provenienz dieses Bildes verwies auf eine Herkunft aus dem Besitz Nora Stiasnys, wie DER STANDARD im Juli 2016 berichtete und der Kunstrückgabebeirat zwölf Monate später bestätigte. Zeitgleich gestand man damit die fehlerhafte Rückgabe ein.

Als "Anwalt" der Republik prüfte die Finanzprokuratur die Rechtslage. Sie kam zu dem Schluss, dass man 2001 nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatte. Eine Regressforderung an die Nachfahrinnen der einst begünstigten und teils bereits verstorbenen Stiasny-Erben wurde als juristisch komplex, womöglich aussichtslos und kostspielig verworfen. Diese waren ihrerseits um eine Bereinigung bemüht. Die Chance ergab sich, wie berichtet, als ihnen Frankreich vergangenes Jahr das Klimt-Gemälde aus dem Musée d’Orsay restituierte.

Keine Reaktion von Milliardär Bernard Arnault

Der von den Erben vorgesehene Plan sah den Verkauf von Klimts Rosen unter Bäumen zur Finanzierung des Rückkaufs von Apfelbaum II und zur anschließenden Rückgabe an die Republik vor. Schon Monate zuvor hatten sie sich um Kontakt mit dem gegenwärtigen Eigentümer des vor Jahren fälschlich an sie restituierten Bildes bemüht, das 2001 an Daniella Luxembourg verkauft worden war und später in den Besitz des französischen Milliardärs Bernard Arnault gelangte.

Zuletzt, nachweislich noch 2018, befand sich das Gemälde im Bestand der 2006 von ihm gegründeten Fondation Louis Vuitton. Sämtliche Schreiben aus dem Umfeld der Stiasny-Erben blieben unbeantwortet, selbst auf diplomatischem Wege seitens der Republik scheiterte eine Kontaktaufnahme.

Der reichste Mann der Welt zog es vor, sich mit dieser Angelegenheit gar nicht erst zu befassen. Vorerst, denn die Erben nach Elisabeth Bachofen-Echt, die von einer Entziehung des Bildes Apfelbaum II in der NS-Zeit überzeugt sind, werden ihrerseits wohl nicht untätig bleiben.

Klimt-Bild für etwa 105 Millionen Dollar verkauft

In Frankreich sind derzeit einige Gesetzesänderungen auf dem Weg, die auch die Rückgabe von NS-Raubkunst, die von staatlichen Institutionen erworben wurde, beschleunigen könnten. Das mag Arnault als Privatier nicht tangieren, jedoch dem Ansehen seiner Familie und seines Luxusgüterkonzerns LMVH auch nicht sonderlich zuträglich sein.

Zwischenzeitlich wechselte Gustav Klimts an die Stiasny-Erben restituiertes Rosen unter Bäumen über einen Private Sale den Besitzer. Für welchen Betrag, war auf Anfrage nicht in Erfahrung zu bringen. Er dürfte wohl in der Größenordnung des jüngst bei Christie’s für 105 Millionen Dollar versteigerten Bildes Birkenwald aus der Sammlung des Microsoft-Co-Gründers Paul Allen liegen. Abzüglich der Ausgleichszahlung an die Republik Österreich, der Provision für die Vermittler sowie im Zuge der Rückforderung des Bildes von Frankreich angefallene Kosten wird der Erlös nun unter den zwölf Erbinnen und Erben aufgeteilt. (Olga Kronsteiner, 10.2.2023)