Die Gaziantep-Burg ist zu einem der traurigen Symbole für die Stärke des Erdbebens geworden, das am Montag vor allem die Grenzregion zwischen der Osttürkei und Nordsyrien heimsuchte. Die Burg in der heutigen Millionenstadt wurde während der römischen Kaiserzeit im zweiten bis dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung errichtet und trotzte seitdem den Zeitläuften. Am 6. Februar ist die stolze Festung nach rund 1.800 Jahren fast vollständig eingestürzt.

Hinweis: Die Vorher-nachher-Bilder zeigen nicht denselben Blick auf die Burg.

Der Hügel, auf dem nur noch die Reste der Burg stehen, wurde allerdings bereits lange zuvor als Beobachtungsposten genützt – und zwar vor fast 4.000 Jahren von den Hethitern. Das Wissen darum ist freilich erst relativ jung, denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war deren Existenz fast vollständig in Vergessenheit geraten. Schon in der Antike gab es kaum mehr Erinnerung mehr an sie, als man die Überreste ihrer Kultur für ägyptisch hielt.

Ein Großreich bis vor 3.200 Jahren

Blick auf Boğazkale, wo früher Ḫattuša stand, die Hauptstadt des Reichs der Hethiter.
Foto: Benjamin Anderson

Das änderte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Im Zuge der Grabungen nahe dem türkischen Ort Boğazkale in Zentralanatolien, etwa 180 Kilometer östlich von Ankara, fand der deutsche Altorientalist Hugo Winckler Tafeln, die in Keilschrift und einer unbekannten Sprache abgefasst waren. Sie belegten, dass hier ursprünglich die Stadt Ḫattuša gestanden war, das Zentrum des Hethiter-Reiches.

Ḫattuša war vom späten 17. bis zum Anfang des zwölften Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung die Hauptstadt des Hethiter-Reiches, das über fünf Jahrhunderte hinweg eine der großen Mächte der antiken Welt war. Während der glanzvollen Zeit des sogenannten Neuen Reiches wurden die Hethiter, die weiter Teile der heutigen Türkei und Teile von Syrien und des Irak beherrschten, zu den wichtigsten geopolitischen Rivalen des alten Ägypten.

Das Löwentor der ehemaligen Stadtmauer.
Foto: Benjamin Anderson

Rund um das Jahr 1200 vor unserer Zeitrechnung war es damit allerdings vorbei. Doch nicht nur das Reich der Hethiter ging unter. Mehrere andere bedeutende Kulturen im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeerraum erlebten einen schweren Schlag. Das stabile internationale System der späten Bronzezeit brach mit einem Mal zusammen, nachdem es mehrere Jahrhunderte bestanden hatte.

Was löste den Systemkollaps aus?

Unklar ist, was diesen Systemkollaps auslöste, der die Hethiter wohl als Erste betraf. Waren es Kriege? Eine Epidemie? Oder ein Klimaereignis? Nun bestätigte eine Studie anhand von sehr altem Holz bisherige Vermutungen: Es dürfte eine mehrjährige Dürreperiode gewesen sein, von der das Reich der Hethiter im Hochland Anatoliens vermutlich besonders stark betroffen war.

Konkret untersuchte das internationale Forscherteam für ihre Studie im Fachblatt "Nature" das Holz von Wacholderbäumen, die zu jener Zeit in der Region wuchsen und um das Jahr 748 vor unserer Zeitrechnung südwestlich von Ankara für eine Holzkonstruktion in einem Grab verwendet wurde.

Aus dieser Konstruktion wurde das Holz für die Analysen entnommen.
Foto: John Marston

Möglicherweise handelte es sich damit um die Grabkammer für einen Verwandten des phrygischen Königs Midas, der bekanntlich der Legende nach alles, was er berührte, in Gold verwandelte.

Schlüsse aus altem Wacholderholz

Für die Forschenden erwies sich nun dieses Holz der Bäume als Goldes wert, da sie in der Zeit der Hethiter noch standen. Damit bilden sie aus zwei Gründen ein aufschlussreiches Klimaarchiv: zum einen wegen des Musters in Form der Jahresringe, wobei schmale Ringe auf trockene Bedingungen hinweisen. Zum anderen ließ sich das Holz auch auf das Verhältnis zweier Isotope von Kohlenstoff in den Ringen untersuchen, die Reaktionen des Baumes auf die Verfügbarkeit von Wasser anzeigen.

Bei den Analysen zeigte sich eine allmähliche Verschiebung zu trockeneren Bedingungen vom 13. bis zum 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Vor allem aber wiesen sowohl Jahresringe wie Isotopen darauf hin, dass es drei aufeinanderfolgende Jahre (1198 bis 1196 vor unserer Zeitrechnung) schwerer Dürre gab, die mit dem bekannten Zeitpunkt der Auflösung des Reiches zusammenfielen.

Teil des Beweises: die engen Jahresringe der Jahre 1198 bis 1196 vor unserer Zeitrechnung.
Foto: Brita Lorentzen

Ḫattuša, das von einer monumentalen Steinmauer umgeben war, wurde niedergebrannt und aufgegeben. Die auf Tontafeln in der Region verbreiteten Keilschrift geschriebenen Texte, die die hethitische Gesellschaft, Politik, Religion, Wirtschaft und Außenpolitik beschreiben, sind verschwunden.

Folgen eines mehrjährigen Ernteverlusts

"Wahrscheinlich gab es in drei aufeinanderfolgenden Jahren einen nahezu vollständigen Ernteausfall", erklärt die Anthropologin Brita Lorentzen (University of Georgia und Cornell University), eine Mitautorin der Studie, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Menschen verfügten wahrscheinlich über Vorräte, mit denen sie ein einziges Jahr der Dürre überstehen konnten. Aber wenn sie drei Jahre hintereinander von einer Dürre heimgesucht wurden, gab es keine Nahrungsmittel, die sie hätten ernähren können."

Dies wiederum habe zu einem Zusammenbruch der Steuereinnahmen, zu einer Massenflucht des großen hethitischen Militärs und wahrscheinlich zu einer Massenbewegung von Menschen geführt, die ihr Überleben suchten. Die Hethiter standen zudem vor dem Problem, dass sie weder einen Hafen noch andere einfache Möglichkeiten hatten, Lebensmittel in das Gebiet zu bringen.

Der Ökologe Jed Sparks (Cornell), der ebenfalls an der Studie beteiligt war, weist gegenüber Reuters auf die Aktualität der neuen Erkenntnisse über Ereignisse vor mehr als drei Jahrtausenden hin: "Die Klimaveränderungen, die uns in diesem Jahrhundert wahrscheinlich bevorstehen, werden viel gravierender sein als jene, an denen die Hethiter zerbrachen." Und das werfe vor allem die Frage auf, ob und wie gut wir in der Lage sein werden, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. (tasch, 12.2.2023)