Sie sind ein unverdrossener Wähler der FPÖ. Ein Phänomen. Wenn Sie halbwegs politisch interessiert sind, müssten Sie registriert haben, dass diese Partei eine endlose Kette von Skandalen erzeugt; dass sie in Regierungsfunktionen regelmäßig scheitert; dass sie zwar den politischen Krawall beherrscht, aber noch für keine Ihrer "Ängste und Sorgen" eine gangbare Lösung hat; dass sie oft nicht nur radikal und korrupt, sondern auch inkompetent ist.
Aber Sie wählen sie trotzdem. Nach jedem Absturz tragen Sie sie nach ein paar Jahren wieder hoch in die Gegend von gut 25 Prozent.
Das ist allmählich ein demokratiepolitisches Problem. Die FPÖ ist nicht nur eine rechtspopulistische Partei, sondern in Teilen auch eine rechtsextreme – mit Wurzeln im Deutschnationalismus und Nationalsozialismus, zwei katastrophal gescheiterten Ideologien.
Fünf Prozent Antidemokraten
Das heißt nicht, dass alle FPÖ-Wähler und -Sympathisanten Antidemokraten sind. In der Gesamtbevölkerung sind das (laut Sora-Demokratiemonitor) konstant rund fünf Prozent. Von diesen fünf Prozent finden allerdings immerhin 33 Prozent, die FPÖ sei "die Partei, die politische Anliegen am besten aufgreift" (die ÖVP zu fünf und die SPÖ zu 13 Prozent).
Dann gibt es noch ein gutes Drittel der Gesamtbevölkerung mit "autoritären und illiberalen Demokratievorstellungen" (Demokratiemonitor). Auch da ist die FPÖ mit 20 Prozent stark vertreten (allerdings liegen ÖVP mit 19 Prozent und SPÖ mit 15 Prozent nicht weit dahinter).
Protest, Ärger, Pessimismus
Aber man kann wohl sagen, dass die Mehrheit der FPÖ-Wähler und -Sympathisanten aus anderen Motiven wählt – aus Protest, aus Ärger und Enttäuschung über die Politik überhaupt; und aus generellem Pessimismus über die eigenen Lebenschancen. Die FPÖ ist die Partei der Zukunftspessimisten. Die konkreten Themen sind dabei die Teuerung und selbstverständlich die Zuwanderung (bei den Niederösterreich-Wahlen für 60 Prozent) sowie "Kulturkampfthemen" (Gendern, Political Correctness etc.).
Sie sind wohl der Meinung, dass sich die Politik nicht um diese Dinge kümmern sollte, sondern um Ihre konkreten, existenziellen Probleme. Und dass Ihnen dabei die ständige rechtsextreme, inhumane und hasserfüllte Grundlinie der FPÖ irgendwie als zweitrangig erscheint. Wenn der Herr Landbauer sagt, der Staat solle kein Geld zur Rettung der Erdbebenopfer in der Türkei geben, spüren die meisten von Ihnen vielleicht, wie mies das ist, aber Sie schieben es beiseite.
Für Sie als FPÖ-Wähler scheint aber das Versagen der traditionellen Parteien ausschlaggebend zu sein. Immer dann, wenn Rot und Schwarz schwach erscheinen, egal, ob in der Regierung oder nicht, erreicht die FPÖ Werte um 25 Prozent plus. Zum Schluss: Halten Sie die FPÖ wirklich für eine demokratisch unbedenkliche Partei? Halten Sie es für möglich, dass bei einem demokratiepolitischen Unfall die FPÖ an die Macht kommt und Österreich in Richtung Viktor Orbán marschiert? Und: Was wäre für Sie ein Motiv, von der Wahl einer ultrarechten Partei abzusehen? Glauben Sie als FPÖ-Wähler echt, dass eine "Festung Österreich", wie die FPÖ sie plakatiert, eine umsetzbare Lösung wäre? Oder wissen Sie insgeheim eh, dass Zuwanderung und Asyl nur mit einem durchdachten, realistischen Konzept gemanagt werden können? Wären Sie weniger FPÖ-affin, wenn etwa ÖVP und SPÖ und Grüne und Neos praktikable, realitätsnahe Maßnahmen (nicht nur für Zuwanderung) bieten könnten? Ernst gemeinte Antworten auf diese Fragen wären interessant. (Hans Rauscher, 11.2.2023)