Zwei sechsteilige japanische Stellschirme mit Darstellung der "Erzählungen von den Heike", 1501–1550 Tusche, Farben und Gold auf Papier.
Foto: MAK/Georg Mayer

Ganze 18 Meter Stoff aus insgesamt 21 Bahnen formen sich zu einer adretten Halskrause aus weißem Leinenstoff mit unfassbaren 588 Falten. Das in den Niederlanden bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts immer noch als modisch geltende Kleidungsstück ist Teil einer Minisammlungsausstellung im Wiener Mak, die durchaus Witz hat. Darin dreht sich alles um ein feines Detail: die Falte. Kaum zu glauben, wie oft uns dieses Gestaltungsmittel in bildender und angewandter Kunst, aber auch im heutigen Alltag begegnet.

Das breite Thema wird aus multiplen Perspektiven beleuchtet: Kleidung, Porzellan, Möbel und der vergängliche Körper selbst. Die Präsentation springt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart und nimmt dabei keine Rücksicht auf etwaige inhaltliche Brüche: So folgen auf im 18. Jahrhundert entworfene chinesische ornamentale Falt- und Seidenröcke sowie komplett faltbare Modeentwüfe aus Polyester der 2010er-Jahre plötzlich historische Buddha-Statuen (drei charakteristische Falten am Hals) sowie kaiserliche Porzellanfigürchen aus dem Rokoko.

Nach obligatorischen Fächern und Origami-Zeichnungen sowie diversen Ausführungen von Klappsesseln widmen sich auch zeitgenössische Zeitungspapierfaltungen des Künstlers Peter Sandbichler dem Thema. Zwar driftet man bei einem Filmplakat zur runzligen Figur des Gollum aus der Filmtrilogie Herr der Ringe thematischab, muss aber auch schmunzeln. Passend schließt eine eher gruselige Ansammlung an Masken an. Vor allem jene, die hyperrealistisch und Falte für Falte von realen Gesichtern gescannt und 3D-gedruckt wurden.

Zuständig fürs Restesammeln: Birke Gorms Fundstückfiguren.
Foto: kunst-dokumentation.com/Mak

Erledigte Vogelscheuchen?

Im Nebenraum geht es bei der Einzelausstellung der deutschen Künstlerin Birke Gorm ebenfalls körperlich zu – allerdings spricht das verwendete Material eine deutlich reduziertere Sprache. Ihre lebensgroßen Figuren formt Gorm aus entsorgten Objekten und Fundstücken und nimmt im Ausstellungstitel Dead Stock Bezug: Defekte oder aussortierte Waren gelten in kapitalistischen Systemen als nicht mehr verwertbar und somit tot.

Zwar wirken die neun Wesen – die aus Jutesäcken, rostigen Metallgegenständen oder Verpackungsmaterial bestehen – wie zusammengesackte, gegen die Wand gelehnte Vogelscheuchen. Dabei ruhen sich diese Bewohner des aufgeräumten Brachlands lediglich von ihrer anstrengenden Arbeit aus. Immerhin beschäftigt sich die in Wien lebende Künstlerin, die 2020 den Strabag Artaward verliehen bekam, in dieser neuen Serie explizit mit "gleaning" – also der Tätigkeit des Resteeinsammelns. Ein Begriff, der ursprünglich aus dem Ackerbau stammt und das Einholen übriggebliebener Erntereste bezeichnet.

Bestandteile wie Heugabeln oder Werkzeuge erinnern auch direkt an landwirtschaftliche sowie handwerkliche Tätigkeiten und setzen sich darüber hinaus mit dem Wert von Material und Arbeit im Kontext von Geschlechterrollen auseinander. Wer sammelt? Wer flickt Kaputtes? Wer schützt? (Katharina Rustler, 11.2.2023)