Die französischen Steuerbehörden nutzen beispielsweise Künstliche Intelligenz und Satellitendaten, um Swimmingpools ausfindig zu machen, die in der Grundsteuererklärung nicht angegeben wurden.

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Ein altes Rennrad, das in der Garage vor sich hin dümpelt? Eine verstaubte Briefmarkensammlung, die auf dem Dachboden herumliegt? Oder ein Weihnachtsgeschenk, das nicht gefällt? Auf Online-Tauschbörsen wie Ebay können derlei Gebrauchsgegenstände versteigert werden. Mit ein paar Mausklicks lassen sich ein paar Hundert Euro zusätzlich verdienen. Doch kaum jemand gibt diesen Zusatzverdienst in seiner Steuererklärung an. Damit ist nun Schluss. Zum Jahreswechsel ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft getreten, das private Verkäufer verpflichtet, Einkünfte dem Finanzamt zu melden. Wer mehr als 30 Artikel pro Jahr verkauft oder einen Jahresumsatz von 2000 Euro überschreitet, dessen Daten werden automatisch an den Fiskus übermittelt.

Von der neuen Regelung in Deutschland sind auch private Wohnungsanbieter betroffen. Plattformen wie Airbnb sind den Steuerbehörden schon länger ein Dorn im Auge, weil dort Einkünfte aus Übernachtungen häufig nicht deklariert werden. Das neue Gesetz, das den sperrigen Namen Plattformen-Steuertransparenzgesetz trägt, ist der Versuch, die Plattformökonomie stärker zu regulieren.

Und wie sieht es in Österreich aus? "Das Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzministerium nutzt fallbezogen Social-Media-Kanäle zur Überprüfung der Lebensumstände und Überprüfung von getätigten Angaben", heißt es aus Anfrage aus dem Finanzministerium. Dabei werden Eigentumsverhältnisse, Personenbeziehungen, aber auch Auslandsbeziehungen recherchiert. Außerdem erfolgten auch Internetrecherchen durch das Zollamt Österreich im Web, auf den virtuellen Marktplätzen und zum Teil auch fallbezogen im Social-Media-Bereich.

Riesige Datensätze

Generell rüsten Behörden im Kampf gegen Steuerhinterziehung technisch immer weiter auf. So wurde beim deutschen Finanzamt Kassel II-Hofgeismar eine Forschungsstelle eingerichtet, wo mittels künstlicher Intelligenz riesige Datensätze ausgewertet werden. Die Panama Papers, an deren Ankauf das Land Hessen mit 300.000 Euro beteiligt war, umfassen einen Umfang von 3,2 Terabyte. Ein Mensch bräuchte Jahrzehnte, um das Material zu sichten. Eine Software, die darauf trainiert ist, Muster zu erkennen, kann sich in wenigen Minuten durch die Datenberge wühlen. Durch die Analyse des Geflechts aus Steueroasen und Briefkastenfirmen konnte die Steuerverwaltung rund 75 Millionen Euro zurückholen.

Auch in Italien, wo Bargeldzahlungen nach wie vor eine wichtige Rolle im Geschäftsverkehr spielen und der Espresso gerne auch mal ohne Quittung auf den Tresen gestellt wird, setzt die Steuerbehörde auf die Hilfe von moderner Computersoftware. Ein Algorithmus gleicht die Steuererklärung mit Grundbucheinträgen, Bankkonten und elektronischen Zahlungshistorien ab und überprüft die Daten auf Unregelmäßigkeiten beziehungsweise Anomalien. Sind beispielsweise die Spesen deutlich höher als im Vorjahr, muss sich der Steuerpflichtige erklären.

20.000 Swimmingpools

Wie erfolgreich Finanzämter im Kampf gegen Steuerhinterziehung sind, beweist das Beispiel Frankreich. Dort konnten die Steuerbehörden innerhalb eines Jahres mithilfe künstlicher Intelligenz 20.000 undeklarierte Swimmingpools entdecken, die in Frankreich ab einer Fläche von mehr als zehn Quadratmetern in der Grundsteuererklärung angegeben werden müssen. Das Tool, das in Kooperation mit Google und dem Beratungskonzern Capgemini entwickelt wurde, erkennt mit einer Mustererkennung auf Satellitenbildern Umrisse von Schwimmbädern. Zwar lag die Fehlerquote bei 30 Prozent, weil die KI auch Solardächer und blaue Tische in Gärten für Pools hielt. Doch der Computer brachte die Steuerfahnder auf die richtige Fährte – und das führte dazu, dass nach manueller Prüfung der Fälle rund zehn Millionen Euro Grundsteuer zusätzlich in die Staatskasse flossen.

Steuerbehörden greifen schon seit einigen Jahren auf Geodaten zurück. Die britischen Finanzämter nehmen auch Google-Street-View-Aufnahmen unter die Lupe und schauen, ob die Renovierung, die in der Erklärung steuermindernd abgesetzt wurde, auch wirklich stattgefunden hat oder ein Geschäft aufgegeben wurde. Wenn vor der Ladentür ein "Open"-Schild prangt, werden Zweifel geweckt – das gibt Anlass für eine Betriebsprüfung.

Das Internet ist für Finanzinspektoren eine wahre Fundgrube. Als der französische Rockstar Johnny Hallyday und seine Frau Laetitia 2014 auf Instagram freizügig Fotos von einer Luxusvilla in Los Angeles posteten, schöpften die Steuerprüfer Verdacht. Journalisten des Westschweizer Radios RTS hatten über zwei Jahre hinweg die Geodaten von Hallydays Instagram-Account analysiert. Das Ergebnis der Recherche: Das Glamourpaar verbrachte lediglich 15 Tage im Jahr an seinem Hauptwohnsitz im Schweizer Gstaad. Zu wenig, um dort pauschal besteuert zu werden. 2019, zwei Jahre nach Hallydays Tod, entschied ein Gericht in Nanterre, dass der Sänger in den Jahren 2012 bis 2017 seinen Lebensmittelpunkt in Frankreich hatte und folglich auch in Frankreich steuerpflichtig war. Der französische Fiskus forderte von den Erben daraufhin Steuern in Millionenhöhe nach.

Ohne Durchsuchungsbefehl

Bei der Jagd nach Steuerflüchtigen überschreitet der Fiskus zuweilen selbst rechtsstaatliche Grenzen. So kauften US-Steuerfahnder Handy-Daten auf, um Kriminelle aufzuspüren, ohne dafür einen Durchsuchungsbefehl einzuholen. Der weitgehend unregulierte Handel mit Nutzerdaten ist unter Datenschützern umstritten. Allein die Exekutive scheint davon wenig beeindruckt. So hat die US-Steuerbehörde IRS einen millionenschweren Deal mit der Datenfirma Palantir über eine Überwachungssoftware abgeschlossen. Das Unternehmen, das 2004 von Paypal-Erfinder Peter Thiel gegründet und von der CIA mitfinanziert wurde, hat Zugang zu riesigen Datensätzen wie Textnachrichten, Passnummern und Strafregistern. Wenn ein US-Bürger hohe Beträge von einer europäischen Bank in eine Steueroase transferiert und Geld an mehreren Automaten in einem Ort abhebt, schlägt die Software Alarm.

Die Digitalisierung des Geld- und Rechnungswesens birgt jedoch erhebliche Risiken. So wurde vor wenigen Wochen bekannt, dass Onlineanbieter von Steuersoftware über ein Tracking-Tool sensible Finanzdaten wie Einkommen und Steuerrückzahlungen an die Facebook-Mutter Meta übermittelt hatten. Es würde nicht wundern, wenn nach einer satten Steuerrückerstattung auf dem Handy Werbung für eine Wärmepumpe oder Solaranlage aufpoppt. Die Plattformkonzerne wissen mindestens so viel über ihre Nutzerinnen und Nutzer wie die Finanzämter. (Adrian Lobe, 11.2.2023)