Mike Pence musste am 6. Jänner 2021 in Sicherheit gebracht werden.

Foto: House Select Committee via AP, File

Die mit Knüppeln bewaffneten Aufrührer waren gerade in das Kapitol eingedrungen und der Secret Service musste Vizepräsident Mike Pence eilig zu einem geheimen Schutzraum geleiten, als zwei Kilometer entfernt im Weißen Haus sein Chef zum Handy griff. "Mike Pence hatte nicht den Mut, das zu tun, was zum Schutz unseres Landes und unserer Verfassung hätte getan werden müssen", twitterte Donald Trump am Nachmittag des 6. Jänner 2021. Seither gilt das Verhältnis der beiden Republikaner als zerrüttet.

Nun könnte es zu einer spektakulären Revanche kommen. Sonderermittler Jack Smith, der im Auftrag des amerikanischen Justizministeriums Trumps Rolle bei dem Umsturzversuch untersucht, hat Pence nach Berichten mehrerer US-Medien vorgeladen. Demnach soll der ehemalige Vizepräsident eine Aussage machen und auch Dokumente bereitstellen. Zudem kam es Freitagmittag (Ortszeit) zu einer Hausdurchsuchung in Pences Anwesen im US-Bundesstaat Indiana.

Wichtiger Zeuge

Pence wäre der hochrangigste und mutmaßlich auch wichtigste Zeuge einer möglichen Anklage, wenn er bestätigen würde, dass Trump ihn zur Verfälschung des Wahlergebnisses gedrängt hat. Der Senat hatte sich an jenem 6. Jänner im Kapitol versammelt, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl und den Sieg von Joe Biden formal zu beglaubigen. Nach dem Urteil sämtlicher seriöser Rechtsgelehrter hatte Pence bei der Sitzung nur eine zeremonielle Rolle. Dennoch forderte Trump ihn mehrfach öffentlich auf, seine Unterschrift zu verweigern. Während eines hitzigen Telefonats aus dem Oval Office an jenem Tag soll er ihn nach Aussagen von Ohrenzeugen als "Schlappschwanz" und "Weichei" beschimpft haben.

Umgekehrt hat sich der opportunistisch-loyale Pence seither öffentlich betont vorsichtig von Trump distanziert. "Unsere Beziehung hat kein gutes Ende gefunden", schreibt er in seiner Autobiografie. In Interviews erklärte er zwar, der Ex-Präsident habe ihn und seine Familie durch seine "rücksichtlosen Worte" gefährdet, führte das aber auf eine falsche juristische Beratung von Trump zurück. Beobachter erwarten, dass sich Pence wie Trump für die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024 bewirbt. Offenbar will er die rechte Basis nicht durch Attacken gegen ihr Idol verärgern, obwohl Trump ihn bewusst dem gewalttätigen Mob überließ, der vor dem Kapitol einen Galgen errichtet hatte und "Hängt Mike Pence!" grölte.

Unklare Handhabung

Eine Aussage von Pence wäre gleichermaßen juristisch bedeutsam und politisch hochbrisant. Nicht nur könnte der frühere Vizepräsident den ehemaligen Präsidenten belasten, sondern auch ein republikanischer Kandidat für das Weiße Haus einen Kontrahenten, der in den Umfragen bislang vorn liegt. Doch ist unklar, ob Pence der Vorladung Folge leistet. Einen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments zum Kapitol-Putsch hatte er verweigert, weil er dessen Arbeit als parteipolitisch motiviert ansah. Beim Justizministerium dürfte die Lage etwas anders sein. Trotzdem könnte sich Pence, selbst wenn er zur Befragung erscheint, auf das Exekutivrecht berufen – also das Vorrecht der Regierung, gewisse Informationen geheim zu halten. Der Vizepräsident äußerte sich zu den Berichten zunächst nicht.

Unabhängig von der Untersuchung zum Kapitol-Sturm gibt es noch einen weiteren potenziellen Berührungspunkt zwischen Smith und Pence. Der Sonderermittler untersucht nämlich auch die von Trump in dessen privater Residenz Mar-a-Lago zurückgehaltenen geheimen Regierungsdokumente. Möglicherweise könnte er den Vizepräsidenten auch befragen, ob dieser irgendwelche Informationen zum Hergang des Abtransports der Akten aus dem Weißen Haus hat. Pikanterweise hatten Berater von Pence kürzlich das Justizministerium informiert, dass auch in dessen Haus im Bundesstaat Indiana – wie zuvor schon im Anwesen von Präsident Joe Biden in Delaware – Unterlagen gefunden wurden, die der Geheimhaltung unterliegen. Am Freitag kam es zu einer einvernehmlichen Durchsuchung. Pence soll nicht anwesend gewesen sein, dafür einer seiner Anwälte.

Geheimes Dokument gefunden

Bei der Durchsuchung des Privathauses des ehemaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence haben Ermittler der US-Bundespolizei FBI ein weiteres geheimes Regierungsdokument gefunden. Die Durchsuchung am Freitag habe fünf Stunden gedauert, zitierte der Sender Fox News den Pence-Berater Devin O'Malley. Dabei sei ein Dokument sichergestellt worden, das als Verschlusssache markiert sei. Außerdem seien sechs weitere Seiten ohne eine solche Markierung gefunden worden.

Bereits seit Ende Jänner ist bekannt, dass im Haus des 63-Jährigen Akten aus seiner früheren Amtszeit gefunden wurden. Entdeckt habe die Dokumente ein Anwalt, hieß es. Sie seien dann von der Bundespolizei abgeholt worden. Pence sagte später dazu: "Mir war zwar nicht bewusst, dass sich diese Verschlusssachen in unserem Privathaus befanden, aber lassen Sie mich eines klarstellen: Diese Verschlusssachen hätten dort nicht sein dürfen.

Laptop eines Trump-Mitarbeiters an Justiz übergeben

Das Team des ehemaligen US-Präsidenten Trump soll Medienberichten zufolge weiteres Geheimmaterial an die Justiz übergeben haben. Das Material soll vor einigen Wochen in Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida entdeckt worden sein, berichteten die Sender CNN und ABC am Freitagabend (Ortszeit) unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen. Auch der Laptop eines Trump-Mitarbeiters ist den Berichten zufolge an die Justiz ausgehändigt worden.

Während bei ABC neben dem Laptop lediglich von einem mutmaßlich leeren Ordner mit Verschlussmarkierung die Rede war, hieß es bei CNN, auch weitere Geheimdokumente seien gefunden worden. (Karl Doemens aus Washington, APA, 10.2.2023)