Franz Winter gibt Einblicke in die Geschichte des Buddhismus in Österreich.

Vor vierzig Jahren wurde in Österreich der Buddhismus in Form der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR) in die Riege der "anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften" aufgenommen und damit in der staatlichen Wahrnehmung mit der Katholischen Kirche, dem Islam und weiteren – mit Stand März 2023 – insgesamt 16 Religionen auf eine Stufe gestellt. Angesichts der im Grunde genommen sehr konservativen Grundprägung des Landes und einer damit einhergehenden eher zurückhaltenden Religionsgesetzgebung ist dies ein äußerst bemerkenswerter Vorgang, der zudem auch im europäischen Vergleich Österreich eine Vorreiterrolle zukommen ließ – soweit man die sehr unterschiedlichen juristischen Modelle des Umgangs mit Religionen in Europa überhaupt vergleichen kann.

Diese frühe Anerkennung ist zweifellos auch der Tatsache geschuldet, dass der Buddhismus in der westlichen Wahrnehmung eine Sonderstellung eingenommen hat und von vorne herein in einer besseren Position war als so manch andere Religion. Es gab etwa keine konfrontative, problematisierende Vorgeschichte – etwa wie beim Islam, aber letztendlich auch beim Judentum in ihrer jeweiligen Stellung gegenüber dem dominanten Christentum. Vielmehr begleitete den Buddhismus von seiner frühesten westlichen Wahrnehmung ein Image als besondere, überlegene Religion, wenn nicht überhaupt von einer "Philosophie" oder einer "Weltanschauung" ausgegangen wurde, die vorgeblich die problematischen Aspekte von religiösen Organisationen nicht kannte (was der Realität aber keineswegs entspricht).

Romantische Idealisierung

Viel davon ist einer romantischen Idealisierung Indiens geschuldet, innerhalb derer der Buddhismus noch einmal eine besondere Stellung erlangte. Geradezu paradigmatisch ist hier die langwierige Beschäftigung mit der Materie durch den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860), der sich im Laufe seiner Auseinandersetzung mit Indien immer mehr auf den Buddhismus als Krönung einer dem Christentum und der westlichen Tradition überlegenen Lehre fokussierte. Hier sind wir mit Elementen einer selbstredend verklärten Sicht konfrontiert, die bei allen Veränderungen in den folgenden Jahrhunderten eine wichtige Grundlage für die wohlwollende Wahrnehmung bildete.

Diese frühe Rezeption hatte eine enorme Wirkung und strahlte in intellektuelle und künstlerische Kreise. Richard Wagner (1813 bis 1883) beschreibt etwa seine Sehnsucht "nach dem Lande Nirwana", baute buddhistische Elemente in seine Opern ein und plante sogar ein Opernprojekt über den Buddha. Darin wäre es übrigens um die letztendlich unerfüllte Liebe von Buddhas Lieblingsjünger Ananda zu einer Frau gegangen, was dem Mönch natürlich verwehrt bleibt (die Lösung: die Verehrte wird schließlich als Nonne in den buddhistischen Orden aufgenommen). Hermann Hesse (1877 bis 1962), um ein weiteres bekanntes Beispiel zu nennen, machte in seinem Roman Siddhartha den Buddha zu einem radikalen Individualisten. Der Buddhismus wurde dabei durchgehend als distinkt von anderen Religionen wahrgenommen. 

Gigantisches Übersetzungsprojekt als Anfang

Was nun die Geschichte des Buddhismus in Österreich betrifft, so tritt mit dem Wiener Karl Eugen Neumann (1865 bis 1915) schon in einer ganz frühen Phase der österreichischen Buddhismusrezeption eine einzigartige Persönlichkeit entgegen, die allerdings, was Ausbildung und Leben betrifft, primär mit der entstehenden deutschen Buddhismuskunde und indischen Philologie verbunden ist. Ihm verdankt sich die bis heute immer wieder neu aufgelegte Grundübersetzung substantieller Texte der südbuddhistischen Pali-Tradition, die noch stark vom Geist der Schopenhauerrezeption geprägt war, aber den Boden für eine breitflächige Wahrnehmung des Schrifttums bereitete.

Erste organisatorische Einheiten des Buddhismus, die den Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung darstellen, gehen auf die 1920er-Jahre zurück, wobei die Situation in Österreich durchaus vergleichbar mit der in Deutschland ist beziehungsweise mit dieser oft eng verwoben war. Im Fokus stand dabei die Beschäftigung mit dem Buddhismus als "Vernunftreligion", zumeist auf der Basis der Lektüre der durch Übersetzungen zugänglichen Pali-Texte. So wurde 1923 in Wien von Axel Grasel eine buddhistische Gesellschaft gegründet, die auch einschlägige Vorträge anbot. Diese war mit dem in Deutschland gegründeten Bund für Buddhistisches Leben (1912 bis 1928) verbunden, der ganz im angesprochenen Sinn den Buddhismus interpretierte. Trotz des ausgeprägten Interesses einiger bedeutender Nazi-Funktionäre für den Buddhismus (wie etwa Heinrich Himmler) war die Zeit der Nationalsozialismus, wie für viele andere Religionen, auch für den Buddhismus äußerst schwierig, zumal eine hohe Zahl an aktiven Buddhisten aus dem Judentum kamen. Bestehende organisatorische Strukturen wurden weitgehend zerschlagen. 

Neuanfänge nach den Weltkriegen

Geradezu paradigmatisch kann hier auf Fritz Hungerleider (1912 bis 1998) eingegangen werden: Als Sohn eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter emigrierte er wenige Monate nach seiner Matura nach Shanghai, wo er chinesische Ausprägungen des Buddhismus kennenlernte. Er wurde nach seiner Rückkehr nach Österreich zu einem Pionier des gelebten und organisierten Buddhismus, was auch eine gewisse Ablösung vom anfänglich dominanten, auf die Exegese des Pali-Schrifttums begrenzten Buddhismus mit sich brachte. 

Dies fügte sich ab den 1960er und 1970er-Jahren zu einem prinzipiellen Wandel in der Wahrnehmung dieser Religion im europäischen Kontext, die mit einer Hinwendung zu Praxisformen wie etwa Meditation und einem gleichzeitigen Abgehen von der rein rationalen "vernunftorientierten" Rezeption der (imaginierten) "Lehre" des Buddhismus unter weitgehenden Verzicht auf eine gelebte religiöse Praxis verbunden war. Einen hohen Anteil an dieser Neuausrichtung hatte auch die Rezeption des Buddhismus in US-amerikanischen alternativkulturellen Strömungen (etwa bei den Literaten der Beat Generation), die nach Europa überschwappte und neue Perspektiven eröffnete. 

Auch hier war Fritz Hungerleider maßgeblich beteiligt: Anfang der 1960er-Jahre lernte er bei einem mehrmonatigen Japanaufenthalt den Zen-Buddhismus kennen und brachte ihn nach Österreich. Damit war auch das, durchaus global zu konstatierende, Interesse an dieser spezifischen Form des ostasiatischen Buddhismus in Österreich implantiert und stieß auf große Resonanz. Diese Vervielfältigung wurde dann ab den 1980er-Jahren durch die breite Rezeption des tibetischen Buddhismus ergänzt, die wiederum ganz eng mit der globalen Wahrnehmung dieses spezifischen Zweiges des Buddhismus verbunden ist – das alles war eng mit dem tragischen Schicksal Tibets in den 1950er-Jahren und der hohen Popularität des charismatischen 14. Dalai Lama verwoben.

Institutionelle Entwicklung und Erweiterung

Institutionell ist die Geschichte des Buddhismus eine auch im europäischen Vergleich bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die angesichts der institutionellen, gesellschaftlichen und religiösen Rahmenbedingungen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. In der Nachkriegszeit konstituierte sich schon zwischen 1947 bis 1949 eine Buddhistische Gesellschaft in Wien, die zur bedeutendsten Kernzelle der folgenden Bemühungen um Einpassung in den religionsrechtlichen Rahmen der Zweiten Republik wurde. Maßgeblich war das Wirken des schon genannten Fritz Hungerleider, der von 1955 bis 1976 die Leitung übernahm. 1974 kam es zu einer Umbenennung der Wiener Gesellschaft in Buddhistische Gemeinschaft Österreich, womit auch deutlich die Erweiterung des Interessensgebietes markiert wurde.

Neben der Gemeinschaft in Wien waren hier insbesondere das Kultur- und Meditationszentrum Scheibbs (gegründet 1975 und damit eines der ältesten kontinuierlich bestehenden buddhistischen Einrichtungen im deutschsprachigen Raum) und die Buddhistische Gemeinschaft Salzburg bedeutende frühe Mitglieder. Mit der Gründung der Österreichischen Buddhistischen Union im Jahr 1977, unter der Präsidentschaft des Arztes Alexander Karwarth (bis 1986), war dann in Folge explizit die staatliche Anerkennung einer buddhistischen Dachorganisation ein zentrales Anliegen. Von ihr versprach man sich eine bessere gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung und auch einen positiven Imageschub, um der Einordnung als exotische, seltsame, nichtchristliche und möglicherweise sogar sektenhafte Tradition entgegenzuwirken – ganz abgesehen von den ausgeprägten Privilegien, die eine Anerkennung für eine Religion in Österreich mit sich bringt (die allerdings auch mit einer Reihe von Pflichten verbunden ist).

Anerkennung in Österreich

All dies gelang schließlich am 11. Februar 1983, nachdem einige Hürden überwunden werden mussten – so war beispielsweise von Seiten des zuständigen Unterrichtsministeriums das Fehlen einer gemeinsamen Verfassung oder einer "Gemeindebildung" eingemahnt worden. Die damals konstituierte Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft versteht sich bis heute als Dachorganisation über die gerade im Buddhismus vielfältigen Ausformungen dieser Religion, die selbst innerhalb der drei Hauptstränge, der sogenannten "Fahrzeuge", eine erstaunliche Variationsbreite aufweist.

Die Friedenspagode in Wien wurde im selben Jahr eingeweiht, in dem die ÖBR begründet wurde.
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Dabei muss betont werden, dass nicht jede sich als buddhistisch verstehende Gemeinschaft automatisch in der ÖBR organisiert ist, sondern sich jede separat um Aufnahme bemühen muss, die wiederum vom zuständigen Organ, dem sogenannten Sangha-Rat, akzeptiert werden muss. Dies kann zuweilen durchaus eine Herausforderung sein, weil es auf jeden Fall Erscheinungen des Buddhismus gibt, die sehr spezifische Akzente setzen und dazu noch interne Dissense innerhalb der Traditionsströme kommen, die durchaus manifest werden können.

Aktuell bietet sich eine erstaunliche Vielfalt an unterschiedlichen Gemeinschaften, wobei die Gewichtsetzungen einen generellen europäischen Trend spiegeln. Südbuddhistische Traditionen, das heißt der traditionelle Pali-Buddhismus, ist weit hinter verschiedene Ausprägungen der Mahayana und der Vajrayana Tradition getreten. Im Mahayana gibt es inhaltlich eine große Spreizung, die von Zen-Gemeinschaften über neobuddhistische japanische Bewegungen (Soka Gakkai oder Nipponzan Myohoji) bis hin zum Shaolin Kulturverein reichen. Das Vajrayana ist wiederum sehr stark vom tibetischen Buddhismus geprägt, der insgesamt wohl die auch in der Öffentlichkeit präsenteste Form in Österreich sein dürfte. All dies lässt sich gut mit Entwicklungen in anderen europäischen Ländern vergleichen. 

Aktuelle Herausforderungen

Eine der größten Herausforderungen der gegenwärtigen buddhistischen Organisation ist zweifellos der Einbezug derjenigen Gemeinschaften, die im Zuge von Migrationsbewegungen nach Österreich gekommen sind und deren Mitglieder ihren Buddhismus aufgrund familiärer Sozialisation kennenlernen. Hier ist der Abstand zu denjenigen, die den Buddhismus bewusst gesucht haben, um ihren bisherigen religiösen Hintergrund weitgehend hinter sich zu lassen, eminent. Buddhismus in Migrationskontexten ist zumeist stark selbstorganisiert und aufgrund der sprachlichen Rahmenbedingungen tendenziell unter sich bleibend. Das Interesse an einer Partizipation an einem als offiziell empfundenen buddhistischen Organisation ist hier enden wollend beziehungsweise es bedarf ausgeprägter Überzeugungsarbeit. Dies war ein bedeutendes Anliegen der ÖBR gerade in den letzten Jahrzehnten.

Ein weiteres wichtiges Moment ist ein Akzent auf einen sogenannten "engagierten Buddhismus", worunter man buddhistisch inspirierte karitative Tätigkeiten mit einem großen Spektrum verstehen kann. Deutlich geht es hier auch darum, der Religion das Image des solipsistischen, primär auf Meditation und eigene Selbstvervollkommnung fokussierten Gebarens zu nehmen. Folgegemäß gibt es ein ausgeprägtes Engagement von Buddhisten in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten und Konstellationen, was einmal mehr das definitive Angekommensein dieser bedeutenden Religionstradition auch in Österreich markiert. Insgesamt muss klar gesagt werden: wir alle verdanken dieser religiösen Horizonterweiterung und allen daran aktiv Beteiligten unendlich viel. (Franz Winter, 2.3.2023)

Anmerkung: Dieser Text ist eine geänderte und erweiterte Version einer Zusammenstellung, die in der Zeitschrift Religionen unterwegs, Jg. 29, Nr. 1/2023, im Februar 2023 erschienen ist. 

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