Die Konflikte gehen weiter. Es brennt im Gazastreifen, nachdem Israel am frühen Montagmorgen Luftangriffe auf die palästinensische Enklave geflogen hat.

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Jerusalem – Israel hat nach tödlichen palästinensischen Anschlägen in Ost-Jerusalem beschlossen, neun nicht genehmigte Siedlungs-Außenposten im besetzten Westjordanland zu legalisieren. Dies wurde nach offiziellen Angaben bei einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am Sonntagabend entschieden. Die "Jerusalem Post" schrieb, es handle sich um einen "außergewöhnlich seltenen Schritt", der sich auch klar gegen den Willen der USA richte.

Die neun Siedlungen existierten seit vielen Jahren, einige davon sogar seit Jahrzehnten, hieß es in der Mitteilung. In den kommenden Tagen werde ein Planungsausschuss zusammentreten, um neue Wohnsiedlungen zu genehmigen, teilte das Büro von Regierungschef Benjamin Netanyahu am Sonntag mit.

Palästinenserpräsident sieht "eine Provokation"

Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte zudem, dass es sich um 10.000 Wohnungen handeln würde. In einer ersten Reaktion sprach Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas davon, dass die Ankündigung vom Sonntag "zu verurteilen und abzulehnen" sei. "Sie stellt die Bemühungen der USA und der arabischen Staaten in Frage und ist eine Provokation für das palästinensische Volk und wird zu weiteren Spannungen und Eskalationen führen", sagte Abbas' Sprecher Nabil Abu Rudeineh.

Von den USA war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten, doch lehnt die Regierung in Washington jedes Vorgehen – egal von welcher Seite – ab, das einer Zwei-Staaten-Lösung im Wege steht. Der US-Botschafter in Israel, Thomas Nides, bekräftigte dies im vergangenen Monat: "Wir wollen die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung am Leben erhalten. Er (Netanyahu) ist sich bewusst, dass wir wissen, dass ein massives Siedlungswachstum dieses Ziel nicht erreichen wird."

Präsident Herzog kritisiert Regierung scharf

Der israelische Staatspräsident Isaac Herzog hat unterdessen am Sonntagabend vor einem "verfassungsrechtlichen und sozialen Zusammenbruch" des Landes unter der rechtsgerichteten Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gewarnt. In einer seiner seltenen Fernsehansprachen zur Hauptsendezeit appellierte Herzog an die Abgeordneten der Koalition, die bereits für die kommende Woche geplanten Schritte zu einer Justizreform zu verschieben. Zudem legte er einen Kompromissplan zur Befriedung vor."

Wir befinden uns am Rande des verfassungsrechtlichen und sozialen Zusammenbruchs", sagte Herzog. Alle hätten das Gefühl, "dass wir kurz vor einem Zusammenstoß stehen, entfernt sind – sogar von einem gewalttätigen Zusammenstoß."

Präsident Isaac Herzog appellierte an die Abgeordneten eine geplante und stark kritisierte Justizreform zu verschieben.
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In Israel hatten tags zuvor am Samstag erneut zehntausende Menschen gegen die geplante Reform protestiert. Sie werfen Netanyahu vor, die demokratische Kontrolle von Ministern durch Gerichte zu gefährden. Daher stehe die Zukunft der israelischen Demokratie auf dem Spiel. Weitere Proteste und Streiks sind für Montag angekündigt, wenn die erste Lesung des Vorhabens im Parlament angesetzt ist. Netanyahus konservative Partei Likud wirft dem Obersten Gerichtshof vor, von linksgerichteten Richtern dominiert zu werden, die sich aus politischen Gründen in Bereiche einmischen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen. Gegen Netanyahu selbst läuft derzeit ein Prozess wegen Korruptionsvorwürfen.

Siedlungspolitik Israels

Die Siedlungspolitik Israels ist wiederum schon seit langem umstritten. Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Insgesamt leben dort heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

Israel unterscheidet zwischen Siedlungen, die mit Genehmigung der Regierung entstanden, und "wilden Siedlungen", die per Gesetz rückwirkend legalisiert werden sollen. Aus internationaler Sicht sind dagegen alle Siedlungen illegal. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel Ende 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich dem annektierten Ost-Jerusalem aufgefordert.

Israel greift Waffenfabrik im Gazastreifen an

Indes bleibt die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten extrem angespannt. Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen hat die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Montag ein Ziel in dem Palästinensergebiet beschossen. Kampfjets hätten einen unterirdischen Komplex angegriffen, der Rohmaterialien für die Herstellung von Raketen der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas-Organisation enthalte, teilte die israelische Armee Montag Früh mit. Im Süden Israels heulten den Angaben zufolge in der Nacht die Alarmsirenen.

Militante Palästinenser im Gazastreifen hatten am Samstagabend eine Rakete auf das israelische Grenzgebiet abgefeuert. Das Geschoss wurde nach israelischen Militärangaben von der Raketenabwehr abgefangen. Berichte über Opfer oder Schäden gab es nicht. Die israelische Armee erklärte am Montag, die Hamas werde für alle terroristischen Aktivitäten verantwortlich gemacht, die vom Gazastreifen ausgingen. Sie werde die Konsequenzen für die Sicherheitsverletzungen gegen Israel tragen.

Vor gut einer Woche hatte die israelische Luftwaffe nach einem ähnlichen Angriff Ziele in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer beschossen. Neun Israelis und eine Ukrainerin wurden seit Jahresbeginn bei palästinensischen Anschlägen getötet. Seit Beginn einer Terrorwelle vor fast einem Jahr unternimmt die israelische Armee fast täglich Razzien im Westjordanland. Dabei kommt es immer wieder zu Konfrontationen. Allein in diesem Jahr wurden mehr als 40 Palästinenser bei Zusammenstößen getötet. (APA, 13.2.2023)