Wer keine Betriebe und somit Arbeitsplätze ansiedelt, kann auch keine Kommunalsteuer kassieren.

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An einer Bodenstrategie für Österreich wird nach wie vor verhandelt, ein konkreter Zeitpunkt für eine Präsentation ist noch nicht in Sicht. Die Umweltschutzorganisation WWF bekam kürzlich aber einen Entwurf in die Hände gespielt und schlug sogleich Alarm: Wichtige Abschnitte seien "gegenüber früheren Entwürfen völlig verwässert" worden, verbindliche Ziele abgeschwächt, der Entwurf sei insgesamt zahnlos. Bis zur geplanten Veröffentlichung im März müsse Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig die Strategie massiv verbessern, "damit der Flächenfraß bis 2030 um zumindest 80 Prozent reduziert wird". Aus dem Ministerium heißt es dazu, es werde mit Hochdruck an der Fertigstellung gearbeitet, ein Beschluss soll "im Lauf des Jahres" erfolgen.

Jeder Gemeinde ihr Gewerbegebiet?

Doch nicht nur an der Bodenstrategie wird gearbeitet, heuer ist zudem wieder ein Jahr des Finanzausgleichs (FAG). Dabei wird zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für mehrere Jahre die Aufteilung von Steuereinnahmen vereinbart, und im Detail werden auch die Aufgaben der jeweiligen Gebietskörperschaften verteilt. Für professionelle Beobachter ergibt sich daraus eine riesige Gelegenheit, Dinge zum Besseren zu wenden, um den Bodenschutz endlich manifest zu machen. Denn wie Österreich mit seinem Boden umgeht, ist zumindest unbekümmert zu nennen, manche sagen auch gedanken- und verantwortungslos dazu.

Das gilt nicht nur für die Ausweisung von Einfamilienhaussiedlungen und Supermärkten am Ortsrand, sondern auch für Widmungen von Gewerbegebieten, wie sie mittlerweile in sehr vielen Gemeinden zu finden sind. Der Grund dafür ist ganz einfach: "Die Gemeinden, die das nicht machen, zahlen drauf", sagt Daniel Fügenschuh, seit wenigen Monaten Präsident der Architektenkammer. Denn wer keine Arbeitsplätze im Ort ansiedelt, kann auch keine Kommunalsteuer kassieren.

"Überlebenskampf"

Einer, der davon ein Lied singen kann, ist Bernhard Kerndler. Der gelernte Sozialarbeiter ist seit 2010 Bürgermeister der kleinen Mostviertler Gemeinde Krummnußbaum und hat dem Flächenfraß den Kampf angesagt. In Zusammenarbeit mit dem Raumplaner Hans Emrich, der die Gemeinde dabei berät, wird nun auf Verdichtung geachtet. Man schaut darauf, höchstens noch für Doppel- oder Reihenhäuser neu zu widmen und dafür vorhandene Grundstücke im Ortskern zu mobilisieren. Mitten im Ort ist zudem das neue Gemeindezentrum in Fertigstellung, in dem es Nahversorger, Café, Bankomat, Friseurstudio und Gemeindeamt samt Mehrzwecksaal gibt.

Am östlichen Ortsrand gibt es aber auch in Krummnußbaum seit einigen Jahren ein kleines Gewerbegebiet. Daran sei man schlicht nicht umhingekommen, sagt Kerndler. Bemühungen um ein gemeinsames Gewerbegebiet mit den Nachbargemeinden scheiterten; die Stadt Pöchlarn, an die Krummnußbaum im Osten grenzt, hat ihre eigenen Gewerbegebiete, und nicht zu knapp. Kleine Gemeinden wie die seine müssten schauen, wo sie blieben – ein "Überlebenskampf".

"Interkommunaler Finanzausgleich"

Dieser "kontraproduktive Wettbewerb um Betriebsansiedlungen", wie er seit Jahrzehnten stattfindet, befeuert ebenso lange schon den Flächenfraß, weiß man auch beim WWF. "Während für die bewilligende Gemeinde ein neues Einkaufszentrum an der Peripherie Geld in die Gemeindekasse bringt, leiden benachbarte Orte unter der Abwanderung, dem wirtschaftlichen Aussterben ihrer Ortskerne und oft auch unter zusätzlichem Verkehr", sagt Bodenschutzsprecher Simon Pories. Es brauche deshalb einen "interkommunalen Finanzausgleich", der Planungsverbände unter den Gemeinden begünstigt und innerhalb derer die Kommunalsteuer aufgeteilt wird.

Auch Architektenkammerpräsident Fügenschuh weiß, dass auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern großer Druck lastet, die "Weiterentwicklung" ihrer Gemeinden voranzutreiben. "Diese Konkurrenz zwischen den Gemeinden muss man endlich einmal auflösen."

Verpflichtende Zusammenarbeit

Positivbeispiele gäbe es mittlerweile, oft genannt wird etwa das Projekt Inkoba (Interkommunale Betriebsansiedlung) im oberösterreichischen Bezirk Freistadt, doch dessen häufige Nennung liegt auch daran, dass es noch zu wenige Best-Practice-Modelle gibt. "Die Gemeinden müssten dazu verpflichtet werden, sich in solchen Dingen abzustimmen", meint Fügenschuh. Auch beim WWF fordert man die Pflicht zur Zusammenarbeit.

Diese zu verankern, dazu sei nun mit dem Finanzausgleich die beste Gelegenheit, ein "riesiger Hebel", sagt Fügenschuh. "Die Gemeinden müssen sich mehr abstimmen und dann dafür auch mehr Geld bekommen. Derzeit ist das Gegenteil der Fall." Darunter leide dann auch die Baukultur insgesamt; denn meist seien bei Gewerbegebieten auch keine Gestaltungsbeiräte involviert, "es ist schlicht egal, wie die ausschauen. Nicht umsonst sind wir Europameister beim Bodenverbrauch."

Auch Wohnbauförderung neu regeln

Dass die Themen Klimaschutz und Wohnen in den Finanzausgleichsverhandlungen eine prominente Rolle spielen sollten, dafür tritt auch Wohnbauforscher Wolfgang Amann ein. "Raumordnerische Ziele und Rahmenbedingungen sollten stärker länderübergreifend festgelegt werden, insbesondere in Hinblick auf das absehbare Ziel von Netto-Null-Flächenversiegelung", sagt er zum STANDARD.

Und auch der Wohnbauförderung müsse man sich widmen. Sie sollte stärker mit der Raumordnung verknüpft und zum "zweckgebundenen Gebäudedekarbonisierungsbeitrag" weiterentwickelt werden. Auch dafür sei der Finanzausgleich das ideale Instrument. (Martin Putschögl, 14.2.2023)