In Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze kommt per Pipeline Gas aus Russland an.

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Österreichs Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland zu reduzieren ist das deklarierte Ziel der Bundesregierung. Bis vorigen September stimmte die Richtung, seit Oktober nicht mehr. Nicht nur der relative Anteil von russischem Gas geht nach oben, auch die bezogenen Mengen steigen an.

Frage: Wie hoch ist der Anteil von russischem Gas in Österreich?

Antwort: Laut den letzten veröffentlichten Zahlen, die den Monat Dezember umfassen, liegt der Anteil bei 71 Prozent und ist damit fast wieder so hoch wie vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022. Damals entfielen 79 Prozent des inländischen Gasbedarfs auf Lieferungen aus Russland, im Jänner 2022 waren es sogar 81 Prozent.

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Frage: Wie kann es sein, dass der Anteil von russischem Gas wieder steigt, wenn es doch deklariertes Ziel der Bundesregierung ist, die Abhängigkeit zu verringern?

Antwort: Es ist auch eine Frage von absolut, relativ und letztlich auch eine Frage der Zeit. Die Importmengen sind von Mai bis September 2022 insgesamt zurückgegangen, und auch der relative Anteil Russlands ist gesunken. Seit Beginn der Heizsaison im Oktober steigt der Anteil Russlands an den Gasimporten nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen. Durch die stark verringerten Gesamtimportmengen, die letztlich auch Ausdruck einer gesteigerten Spargesinnung sind, wirken sich die etwas höheren Gasliefermengen aus Russland prozentuell entsprechend stärker aus.

Frage: Wie stark ist Österreich also noch abhängig von russischem Gas?

Antwort: Wenn man nicht einzelne Monate herausgreift, sondern einen längeren Zeitraum betrachtet, liegt die Abhängigkeit im Schnitt bei etwa 50 Prozent. Auch im Jänner und Februar dieses Jahres, für die es noch keine statistisch erhärteten Daten gibt, dürfte nach Einschätzung von Experten Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas hoch geblieben sein, zumal Gazprom seine Lieferverpflichtungen gegenüber der OMV zuletzt zu hundert Prozent erfüllt hat.

Frage: Was beinhalten diese Lieferverpflichtungen?

Antwort: Die OMV hat 1968 als erstes Unternehmen einen Langfristvertrag mit Russland zur Lieferung von Erdgas in ein westeuropäisches Land unterzeichnet. Die Mengen wurden mehr und mehr, zuletzt sind die Langfristverträge – einer für OMV-Kunden in Österreich, einer für Kunden in Deutschland – im Juni 2018 anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Gaslieferungen während eines Staatsbesuchs von Wladimir Putin in Wien bis 2040 verlängert worden. Der Vertrag sah zunächst die Lieferung von fünf Milliarden Kubikmeter (m3) Erdgas pro Jahr vor und wurde im Herbst desselben Jahres durch einen Vertragszusatz auf sechs Milliarden m3 aufgestockt.

Frage: Gazprom Export, Vertragspartner der OMV, hat nach dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine zum Teil deutlich weniger Gas geliefert als vereinbart. Ist das nicht ein Vertragsbruch?

Antwort: Dazu müsste man die Vertragsdetails kennen, die werden aber geheim gehalten. Üblicherweise werden Maximal- und Minimalmengen vereinbart, die zu liefern sind und in einem gewissen Zeitraum ausgeglichen werden können. Die OMV hat davon gesprochen, dass teilweise nur 30 Prozent oder weniger der vereinbarten Menge am österreichischen Übergabepunkt in Baumgarten angekommen sind. Ob Russland damit schon Vertragsbruch vorgeworfen werden kann, ist eine Frage, die viele Juristen seit geraumer Zeit schon beschäftigt.

Frage: Wie teuer ist das Gas, das die OMV für Kunden in Österreich aus Russland bezieht?

Antwort: Auch das ist geheim. Tatsache ist, dass Pipelinegas, insbesondere jenes aus Russland, immer eine Spur günstiger war als beispielsweise verflüssigtes Erdgas (LNG), auf das in der Vergangenheit vor allem Mittelmeer-Anrainerstaaten gesetzt haben. Das war letztlich auch ein Wettbewerbsvorteil für große industrielle Gasverbraucher in Österreich genauso wie in Deutschland und erklärt zum Teil den fast einmütigen Zuspruch, den der Gasbezug aus Russland viele Jahre lang gefunden hat.

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Frage: Ist eine Reduzierung der Gasbezüge aus Russland Richtung null realistisch, wie das Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) anstrebt?

Antwort: Das ist dann realistisch, wenn Russland selbst tatkräftig mithilft und von sich aus den Hahn zudreht. Oder aber es gelingt der teilstaatlichen OMV, vorzeitig aus den Langfristverträgen auszusteigen. Wenn Russland aber seine Lieferverpflichtungen vertragskonform über die Zeit erfüllt, wird es so rasch wohl nichts mit einem vollständigen Ausstieg aus russischem Gas. Die Crux ist, dass es sich um sogenannte Take-or-Pay-Verträge handelt.

Frage: Was heißt das?

Antwort: Das heißt, die OMV kann zwar sagen, wir nehmen das Gas nicht, sie muss aber trotzdem dafür bezahlen.

Frage: Die Gaspreise im Großhandel sind zuletzt stark gefallen, wann werden die Haushalte das spüren?

Antwort: Wer mit seinem oder ihrem Lieferanten einen sogenannten Float-Tarif vereinbart hat, der die Entwicklung des Börsenpreises nachzeichnet, spürt das jetzt schon. In den kommenden Monaten ist damit zu rechnen, dass zunehmend mehr Anbieter mit günstigeren Tarifen auf den Markt kommen. (Günther Strobl, 14.2.2023)