Gerettete Flüchtlinge sollen laut dem umstrittenen Dekret an Bord der Rettungsschiffe ihren Asylantrag an den Flaggenstaat des jeweiligen Schiffes stellen.

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Rom – Das von Ärzte ohne Grenzen (MSF) betriebene Rettungsschiff Geo Barents hat 48 Menschen vor der libyschen Küste gerettet. Die italienischen Behörden haben dem NGO-Schiff am Dienstag den norditalienischen Hafen Ancona zugewiesen. "Der Hafen ist fünf Seetage von unserem Standort entfernt", kritisierte die Hilfsorganisation am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter.

NGOs protestieren gegen die neue Strategie der Rechts-Regierung von Giorgia Meloni, Schiffen mit im Mittelmeer geretteten Flüchtlingen Landungshäfen in Norditalien zuzuweisen. Damit will das Kabinett, dass die Rettungsschiffe längere Seewege in Kauf nehmen müssen, um Flüchtlinge sicher an Land zu bringen. Dadurch reduziert sich die Zahl der Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer.

Vertrauensabstimmung für umstrittenes Dekret

Die Regierung Meloni unterzieht sich am Dienstagnachmittag in der Abgeordnetenkammer einer Vertrauensabstimmung. Damit hofft sie, ein umstrittenes Dekret durchzusetzen, das die Einsätze der im Mittelmeer aktiven Rettungsschiffe privater Seenotretter einschränkt. Gerettete Flüchtlinge sollen laut dem umstrittenen Dekret an Bord der Rettungsschiffe ihren Asylantrag an den Flaggenstaat des jeweiligen Schiffes stellen.

NGO-Schiffe, die Rettungseinsätze durchführen, müssen zudem "die Anforderungen an die technisch-nautische Eignung für eine sichere Navigation erfüllen", heißt es im Einwanderungsdekret. Nach einer weiteren Bestimmung der Vorlage müssen die Retter im Falle eines Einsatzes in internationalen Gewässern einen Hafen anfordern, den das Schiff unmittelbar nach der Rettung anlaufen muss. Damit soll verhindert werden, dass die Hilfsorganisationen auf ihrem tagelangen Einsatz mehrere Rettungseinsätze durchführen und mit mehreren Hundert Menschen an Bord in Süditalien eintreffen. NGOs, die sich nicht an die Regeln halten, sollen nach den Plänen der seit Oktober amtierenden Rechtsregierung mit einer Strafe von 50.000 Euro sanktioniert werden.

Gericht erklärt Erlass für rechtswidrig

Ein italienisches Gericht hat indes eine von der Regierung erlassene Verordnung für rechtswidrig erklärt, wonach nur die schutzbedürftigsten Migranten eines Rettungsschiffes an Land gehen dürfen. Wie aus dem am Montag von der Hilfsorganisation SOS Humanity veröffentlichten Urteil vom 6. Februar hervorgeht, erklärte ein Gericht in Catania das Dekret für rechtswidrig.

Zu den internationalen Verpflichtungen, die Italien übernommen habe, gehöre auch die, "jedem Schiffbrüchigen Hilfe zu leisten, ohne Unterscheidung des Gesundheitszustands, wie es in dem Regierungsdekret der Fall ist", hieß es in dem Urteil. Das Urteil bezieht sich auf Einschränkungen, die die italienischen Behörden im November für das unter deutscher Flagge fahrende Schiff Humanity 1 verhängt hatten.

Das Rettungsschiff hatte 179 in Not geratene Menschen im zentralen Mittelmeer aufgenommen. Es durfte dann zwar im sizilianischen Hafen Catania anlegen, allerdings nur so lange, bis die 144 schutzbedürftigsten Passagiere von Bord gehen konnten. Weiteren 35 Migranten wurde die Aufnahme hingegen verweigert. SOS-Humanity-Vertreterin Mirka Schaefer begrüßte das Urteil. Die neue italienische Regierung sei nun "verpflichtet, das internationale Recht zu befolgen", sagte sie. (APA, red, 14.2.2023)