Im Gastblog zeigt Stefan Czurda anhand des Fotografen Alex Webb, welche Herausforderungen sich bei der Bildkomposition stellen – und welche tollen Bilder schließlich gelingen können.
In meinem heutigen Beitrag möchte ich mir wieder etwas Inspiration von einem der großen Meister der Straßenfotografie holen und ebenso eine interessante Technik für den Bildaufbau thematisieren, die Tiefe im Bild erzeugen soll. Tiefe soll hier nicht nur als Hilfsmittel im Bildaufbau verstanden werden, um ein zweidimensionales Bild mehr dreidimensional wirken zu lassen, sondern auch im Sinne von emotionaler Tiefe, um ein Foto spannender zu gestalten.
Konkret geht es in meinem Beitrag um das Layering, also um das Aufteilen eines Bildes in verschiedene Schichten und wie man es gekonnt für seine Fotografie nutzen kann. Ebenso möchte ich in diesem Kontext einen großartigen Straßen- und Reportagefotografen vorstellen, der diese Technik in seinen mysteriösen Fotos perfekt umsetzt.
Die komplexe Welt von Alex Webb
Alex Webb ist ein mehrfach ausgezeichneter Fotojournalist, dessen Werke in der New York Times, im Geo, im National Geographic und in vielen weiteren renommierten Magazinen und Zeitungen publiziert wurden. Der Magnum-Fotograf ist für seine lebendig-farbenfrohen und äußerst komplexen Fotos bekannt. Seine rätselhaft-mysteriösen Szenen sind oft in Regionen mit soziopolitischen Spannungen entstanden.
Er selbst sagt über sein Schaffen folgendes: "Meine Arbeit ist fragend und forschend" und "Ich glaube an Fotografien, die ein gewisses Maß an Zweideutigkeit vermitteln, die eher Fragen stellen als Antworten geben".
Das Konzept des Layering
Alex Webb weckt in seinen Fotos vor allem darum Interesse, weil er seine Motive gekonnt in verschiedene Ebenen platziert, diese klar ersichtlich darstellt und so verschiedene Geschichten in einem einzelnen Foto erzählt. Dieses Schichten von Bildelementen wird in der Straßen- und Reportagefotografie oft als Layering bezeichnet.
Die Kunst dahinter ist, Bildelement gekonnt im Vordergrund, in der Mitte und im Hintergrund zu platzieren, also im ganzen Bild zu verteilen und so eine gewisse Dreidimensionalität zu schaffen. Geht man mit der Kamera zusätzlich noch nahe an eine Szene heran, dann können sehr intensive Fotos entstehen und der Betrachter oder die Betrachterin sieht sich als Teil einer Szene. So wird eine unglaubliche Spannung und eine große emotionale Tiefe erzeugt.
In diesem Kontext möchte ich ein paar weitere Fotos von Alex Webb ansehen und versuchen zu interpretieren.
Das bekannte Bild stammt aus Mexiko und wurde 1996 von Alex Webb fotografiert. Ich finde, es ist ein perfektes Beispiel für Layering. Die drei Szenen befinden sich wunderbar isoliert vom Hintergrund in unterschiedlichen Bildbereichen. Die Isolierung der Menschen durch Farbe und Kontraste ist wichtig, da das Bild ansonsten unruhig wirkt und für den Betrachter oder die Betrachterin nicht harmonisch wahrgenommen wird. Die unglaubliche Nähe zu den abgebildeten Personen verstärkt die intensive Stimmung dieser Straßenszene.
Dieses Bild ist etwas neuer und stammt aus Istanbul aus dem Jahre 2001. Auf diesem Foto befinden sich wenige Personen, allerdings ist die Bildsprache von Alex Webb mit dem Layering klar zu erkennen. Die Tiefe im Bild entsteht wieder durch das Isolieren der Motive und wird durch die zwei dominanten Farben verstärkt.
Alex Webb galt zwar als Pionier der Farbfotografie in der USA, hier habe ich allerdings bewusst ein schwarz-weiß Fotos ausgesucht, das vom Stil der bisher gezeigten Fotos etwas abweicht, um zu zeigen, dass Layering natürlich auch ohne Farben funktioniert.
Das Bild stammt aus dem Jahre 1981 aus dem Vereinten Königreich und erinnert ein wenig an die Arbeiten von Henri Cartier-Bresson. Auch hier ist das Layering perfekt umgesetzt.
Layering in der Praxis umsetzen
Ich selbst bin sicher keiner, der diese Technik annähernd perfekt beherrscht, aber mir hilft das Konzept dahinter zu verstehen, wie interessante Fotos entstehen können und wie man es für seinen Bildaufbau nutzt. Als fortgeschrittene Technik in der Straßen- und Reportagefotografie benötigt es vor allem viel Geduld und ein wirklich gutes Gespür, wo interessante Szenen auf der Straße entstehen können.
Um sein Bild mit unterschiedlichen Elementen zu füllen, sollte man eine belebte Gegend in der Stadt aufsuchen. Denn, ganz banal, nur dort wo etwas los ist findet man auch Personen, mit denen man seine Szenen füllen kann. Viele Fotografen und Fotografinnen planen das Layering akribisch, indem sie an bestimmten Orten, die schöne Farben, Kontraste oder Lichtstimmungen bieten, endlos lange verweilen, bis Menschen in ihre komponierte Szene eintreten und den Raum komplementieren. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen, denn dazu bin ich viel zu ungeduldig. Vielschichtige Fotos können aber auch ganz zufällig entstehen, in dem man sich in der Stadt viel bewegt, beobachtet und dann, oft ganz unerwartet, sich zum richtigen Zeitpunkt vor oder bereits inmitten einer interessanten Szene befindet.
Dann sollte man natürlich schnell sein und so viele Fotos wie möglich machen, denn die isolierte Erscheinung der einzelnen Personen hält nur einen Bruchteil einer Sekunde an und das Ziel soll es sein, den Moment festzuhalten. Überlappen die einzelnen Elemente in einem Bild zu sehr und zeigen keine Isolierung, hat das Foto nicht die gewünschte Wirkung, die es spannend macht.
Als ich im Dezember auf den Straßen von Salzburg mit meiner Kamera unterwegs war, ist mir ein Bild gelungen, mit dem ich ganz zufrieden bezüglich des Layerings bin und das ich an dieser Stelle herzeigen möchte.
Man darf sich allerdings nichts vormachen, die meisten Fotos, die bei solchen Versuchen entstehen, kann man getrost löschen. Alex Web sagt selbst, dass 99 Prozent der Straßenfotografie aus Misserfolgen besteht. In diesem Sinne bin ich sicher schon in bester Gesellschaft!
Fazit
Ich hoffe, Sie fanden das Konzept des Layering spannend und ich konnte Sie mit den komplex-mysteriösen Fotos von Alex Webb ein wenig für die Straßenfotografie begeistern.
Für meine eigene Fotografie habe ich diese Technik noch viel zu wenig verwendet, aber beim Schreiben dieses Artikels habe ich wieder große Lust bekommen, mein Layering weiter zu üben. Ich freue mich wie immer auf einen Erfahrungsaustausch in den Kommentaren und auf einen Besuch meines Instagram-Profils zum Thema Straßenfotografie. (Stefan Czurda, 17.2.2023)