Die USA haben den abgeschossenen Ballon aus China geborgen und untersuchen ihn nun.

Foto: EPA/U.S. Navy/Mass Communication Specialist 1st Class Ryan Seelbach

Die Affäre um die Spionageballons dämpft weiterhin die chinesisch-amerikanischen Beziehungen. Am 4. Februar hatte die US-Luftwaffe einen chinesischen Ballon abgeschossen. Dann aber tauchten am vergangenen Wochenende drei weitere unbekannte Flugobjekte im US-amerikanischen und kanadischen Luftraum auf, woraufhin in den sozialen Medien über Außerirdische spekuliert wurde. Die Objekte waren kleiner als der erste Ballon und flogen niedriger. Sie wurden am Wochenende ebenfalls abgeschossen. Ob diese ebenfalls chinesische Spionageinstrumente waren, wird noch untersucht. Vieles aber deutet darauf hin. Die US-Regierung beschuldigt Peking, mit solchen Ballons nicht nur die USA, sondern über 40 Staaten ausspioniert zu haben.

Die chinesische Regierung scheint sich unterdessen eine neue Strategie ausgedacht zu haben. Bezeichnete man den Ballon noch vor einigen Tagen als Gerät zur Wetteraufzeichnung, kontert man nun, die USA täten ja genau dasselbe. Mindestens zehn amerikanische Spionageballons seien im vergangenen Jahr im chinesischen Luftraum gesichtet worden, so das chinesische Außenministerium. "Die USA haben ihre technologische Überlegenheit lange Zeit missbraucht, um in allen Teilen der Welt, einschließlich ihrer Verbündeten, Abhör- und Geheimdienstoperationen durchzuführen", hieß es weiter. Dies wiederum wies das amerikanische Außenministerium scharf zurück.

Konsens über Konfrontation

Einiges deutet zumindest darauf hin, dass chinesische Ballons schon seit längerer Zeit über den USA und anderen Ländern fliegen. Zumindest hatte ein chinesischer Wissenschafter dies laut "New York Times" schon 2019 angekündigt. Auch sollen solche Ballons und Drohnen schon öfter gesichtet worden sein. Das legt den Schluss nahe, dass man solche Vorfälle, anders als heute, damals für nicht so wichtig erachtete und einen diplomatischen Eklat vermeiden wollte. Mittlerweile aber ist ein konfrontativer Kurs gegenüber China zwischen Republikanern und Demokraten Konsens.

Insgesamt dürfte das Ballondesaster Peking ungelegen kommen. Nach dem Gipfeltreffen in Bali im vergangenen November suchte man Entspannung. Die Gründe sind innenpolitischer Natur. Der Konsum und der Servicesektor sind durch die rigide Zero-Covid-Politik der vergangenen Jahre stark angeschlagen. Zudem schwelt die Immobilienkrise weiter im Land. Der Sektor ist für gut ein Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung verantwortlich, und solange die Chinesen nicht wieder Wohnungen kaufen wie vor der Pandemie, kommt die Wirtschaft nicht in Fahrt. Eine zumindest vorübergehende Einigung mit dem größten Handelspartner USA hätte Peking eine Verschnaufpause verschafft. Danach sieht es aber nicht aus.

Sanktionen und schwarze Liste

US-Präsident Biden setzte umgehend eine Handvoll chinesischer Unternehmen, die an dem Ballonprogramm beteiligt sein sollen, auf eine schwarze Liste. Ende vergangener Woche kündigte Biden weitere Sanktionen gegen den chinesischen Halbleitersektor an. US-amerikanischen Firmen soll es künftig unmöglich gemacht werden, in chinesische Tech-Firmen zu investieren, die in diesen sensiblen Bereichen tätig sind. Erst im vergangenen Oktober hatte der "Chips-Act" für große Aufregung gesorgt: Das Gesetz hat es zum Ziel, China von modernster Halbleitertechnologie abzuschneiden und somit ein schnelles Aufholen des Landes bei Waffentechnologien und künstlicher Intelligenz zu verhindern. China ist derzeit noch stark von Importen aus den USA und aus Taiwan abhängig, nahm dies aber zum Anlass, in den kommenden Jahren die heimische Halbleiterindustrie mit 140 Milliarden US-Dollar zu subventionieren.

Für ein Minimum an Entspannung dagegen könnte die Münchner Sicherheitskonferenz kommendes Wochenende sorgen. Dort trifft der chinesische Chefdiplomat und ehemalige Außenminister Wang Yi auf den amerikanischen Außenminister Antony Blinken. Der hätte eigentlich vor zwei Wochen in Peking sein sollen, aber dem Gipfeltreffen machten die chinesischen Ballons einen Strich durch die Rechnung. (Philipp Mattheis, 14.2.2023)