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Immer mehr Menschen verorten sich außerhalb oder zwischen den Geschlechtern Mann und Frau.

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"Männlich" oder "weiblich" – zwischen diesen beiden Kategorien musste man sich lange Zeit entscheiden, wenn ein Formular nach dem Geschlecht fragte. Und das ist häufig der Fall. Beim Antrag für den Reisepass, bei Umfragen oder der bloßen Eröffnung eines Kundenkontos: Ständig wird von uns verlangt, das eigene Geschlecht zu deklarieren. Für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau definieren, kann das enorm belastend sein.

"Nichtbinär" ist inzwischen ein bekannter Begriff, um das eigene Geschlecht auszudrücken. Andere wiederum verwenden aber auch die Kategorie "genderfluid". Das heißt, dass ihre Geschlechtsidentität nicht festgeschrieben, sondern veränderbar ist. Sie können sich wechselnd sowohl als Mann oder Frau und damit innerhalb des binären Geschlechtermodells verorten, als auch außerhalb, also als nichtbinär oder agender. Auch mehrere Geschlechter gleichzeitig können ausgedrückt werden, die Geschlechtsidentität befindet sich somit im Fluss.

Immer mehr Menschen verorten sich außerhalb oder zwischen den Geschlechtern Mann und Frau – und kämpfen für ihre Anerkennung. In Wien gab das Verwaltungsgericht kürzlich einer klagenden Person recht und ließ den Geschlechtseintrag "nichtbinär" zu, wofür auch die Initiative "Genderklage" kämpft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verein Venib bezeichnet es dennoch als "Etappensieg für die rechtliche Anerkennung von nichtbinären Menschen".

Vielfalt im Fluss

Einzelne Unternehmen versuchen der Vielfalt der Geschlechter schon länger Rechnung zu tragen. 2014 erweiterte Facebook in Deutschland die Auswahl bei der Angabe des Geschlechts, Nutzer:innen konnten fortan zwischen sechzig Optionen wählen. Ein Schritt, der vielerorts mit Häme bedachtet wurde. Geschlechtervielfalt, ein Luxusproblem – so der Tenor.

Entsprechend groß ist nach wie vor der Druck, der auf Menschen lastet, die hinsichtlich Geschlecht und sexueller Identität nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen. Das US-amerikanische Trevor Project veröffentlicht regelmäßig Berichte zur psychischen Gesundheit queerer Jugendlicher, die überdurchschnittlich suizidgefährdet sind. 26 Prozent der untersuchten LGBTQ-Jugend in den USA bezeichneten sich 2021 als nichtbinär. Innerhalb des Labels nichtbinär sind es wiederum 24 Prozent, die sich als genderfluid definieren.

Vermehrt depressive Symptome

Die Studie zeigt außerdem: Nichtbinäre Menschen, die von ihrem Umfeld akzeptiert werden, mit korrektem Namen und Pronomen angesprochen werden, sind weniger psychisch belastet. 42 Prozent der LGBTQ-Jugend haben im vergangenen Jahr ernsthaft über Suizid nachgedacht, so ein alarmierendes Ergebnis. Ähnliche Ergebnisse lieferte ein kürzlich in der Schweiz veröffentlichter Gesundheitsbericht. LGBT-Personen in der Schweiz leiden vermehrt an depressiven Symptomen und unter Suizidgedanken. Wesentlich verantwortlich dafür seien die häufigeren Diskriminierungserfahrungen wie auch verminderte psychische und soziale Schutzfaktoren.

"Geschlecht ist nicht das, wie Menschen für andere Menschen aussehen; es ist das, was wir selbst wissen, was wir sind. Niemand sollte dir sagen können, wer du bist; das musst du selbst entscheiden", formuliert es Alok Vaid-Menon, nichtbinäre:r Autor:in und Performance-Künstler:in. (Brigitte Theißl, 15.2.2023)