Die Jagd auf Sternenzerstörer ist auch nach 30 Jahren ein großer Spaß.

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Und wieder zerschellt der X-Wing an einem Tie-Bomber, weil ich frontal auf ihn zugerast bin und die Kurve nicht gekriegt habe. Die R2-Einheit hat noch einmal zum Abschied gepiepst, und schon treiben die Wrackteile des Raumjägers durchs All, während die Kräfte des Imperiums den Sieg davontragen. Na, so wird das eher nichts mit der Rebellion. Dabei hatte ich das alles irgendwie anders in Erinnerung.

Nostalgie der frühen 90er

Vor exakt 30 Jahren ist "Star Wars: X-Wing" erschienen. Ich erinnere mich, wie ich mit meinem leicht gepanzerten, aber umso schnelleren A-Wing den Weltraum dominierte, selbst gegnerische Zerstörer waren vor mir nicht sicher. Elegant rolle ich durch das Feuer der imperialen Turbolaser, indem ich die Energie auf die Antriebssysteme umleite, eine Wende fliege, die Energie auf die Frontschilde und die Waffensysteme dirigiere und mich in die Raumschlacht stürze. Der Jäger ist am Ende zerbeult, aber die imperiale Flotte wird es sich zweimal überlegen, ob sie sich nochmal mit mir, dem Raumjäger-Ass namens "Topace", anlegt.

Was, das hat eine Kampagne?

Doch wie schlägt sich die Weltraumsimulation drei Jahrzehnte nach ihrer Erstveröffentlichung am 15. Februar 1993? Und wie sehr trügt die Erinnerung nach alle den Jahren? Kann man "Star Wars: X-Wing" heute noch empfehlen?

Um das Phänomen vollständig zu verstehen, muss man ein wenig in den Zeitgeist von damals eintauchen. Jedes Kind kannte anno 1993 die Kilrathi und spielte die legendäre "Wing Commander"-Serie. Die beeindruckten damals mit spektakulärer Grafik, mit einer epischen Story – und später mit dem Idol vieler Kinder und Jugendlicher. Mark Hamill hatte die Robe des Jediritters ausgezogen und spielte Christopher "Maverick" Blair in den epischen, filmreifen Zwischensequenzen von "Wing Commander 3".

Lord Vader ist natürlich auch mit von der Partie.
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Die Space-Sims waren ganz groß, und es zogen Titel wie "Privateer 2", "Descent: Freespace the Great War" und das großartige "Freelancer" nach. Natürlich mischte auch Lucas Arts als damaliger Inhaber der "Star Wars"-Lizenz in der ersten Reihe mit, und nachdem man die Schrecksekunde durch die "Wing Commander"-Spiele verdaut hatte, erschien "Star Wars: X-Wing".

Nicht mehr ganz so prächtig

Aber es war anders als "Wing Commander". Es sah nicht ganz so gut aus, Zwischensequenzen gab es so gut wie nicht, lediglich ein paar animierte Szenen zeigten Shuttles beim Abheben und Landen, mehr gab es nicht. Statt Cut-Scenes gab es langweilige Missionsbesprechungen in Textform.

Das dürfte auch erklären, warum mir als Zehnjährigem nicht auffiel, dass dieses Game eine Kampagne hatte. Ich habe schlicht den englischen Text nicht verstanden. Mit dem heutigen Wissen ausgestattet werfen wir uns also noch einmal in die Schlacht um Yavin und zeigen den imperialen Tyrannen, wo der Protonentorpedo hingehört.

Die Dogfights sind auch nach 30 Jahren noch hervorragend spielbar.
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Die dudelnde Midi-Musik ruft gleich einmal nostalgische Gefühle hervor und versucht redlich so etwas wie "Star Wars"-Feeling aufkommen zu lassen. Ein Zauber, der jüngeren Semestern wohl schwer vermittelbar sein dürfte. Und dann: Schrumm, der typische gelbe Lauftext erscheint auf dem Bildschirm, und erstmals kommen Zweifel auf, ob man den Klassiker nicht besser hätte ruhen lassen sollen. Denn auf modernen Bildschirmen wirkt die 320-x-240-(später: 640x480)-Auflösung nicht mehr ganz so prächtig, wie es die Erinnerung vorgaukelt – vor allem, wenn man versucht, den geschriebenen Text zu entziffern.

Willkommen zurück, Topace

Aber egal, zuerst gilt es, einen Pilotennamen zu vergeben. Wir nannten uns als Zehnjährige natürlich alle "Topace", weil man dann angeblich stärkere Jäger bekam – so lautete zumindest das sich hartnäckig haltende Gerücht im Schulbus. Also die erste Trainingsmission angeworfen, in der man durch seltsam im Raum schwebende Tore fliegen muss – eine Unsitte, die sich bis heute in derartigen Spielen hält. Die erste Überraschung: Das steuert sich mit der Maus gar nicht so schlecht, aber ein echter "Star Wars: X-Wing"-Veteran spielt natürlich mit einem Spielgerät, das heute wohl nur die wenigsten noch zu Hause haben dürften: mit einem Joystick.

Moderne Space-Combat-Games werden ja üblicherweise mit dem Gamepad gesteuert, aber nur mit einem Joystick lässt sich der X-Wing stilecht bedienen. Das funktioniert beim Durchfliegen der Trainingstore so gut, dass langsam die Frage aufkommt, warum dieses wunderbare Eingabegerät aus der Mode gefallen ist. Nicht dass der erste Ausflug in "X-Wing" nach einem guten Vierteljahrhundert nicht sofort in einem peinlichen Crash in eines der Tore geendet hätte.

Naserümpfen im Schulbus

"X-Wing" war im Gegensatz zu "Wing Commander" nicht auf schnelle Action getrimmt, nein, wir "Star Wars"-Fans hatten einen simulationistischen Anspruch, wodurch sich vortrefflich das zehnjährige Näschen über die in ihrem Videospielgeschmack inferioren Schulkollegen rümpfen ließ.

Immerhin musste man Triebwerks-, Laser und Schildenergie managen, während man von Tie-Fightern umkreist wurde. Mit dem Num-Block konnte man aus den Fenstern des Raumschiffs blicken, was heute noch einen einfachen, aber effektiven cineastischen Effekt vermittelt. Dazu kommen noch Spielereien wie das Einklappen der X-Wing-Flügel. Spielerisch machte das keinen Sinn, aber die Liebe zum Detail entfaltet auch heute noch ihre Wirkung.

Bei den eher unspektakulären Zwischensequenzen hatte "X-Wing" das nachsehen gegenüber "Wing Commander".
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Aber genug der technischen Spielereien: Rein in die erste richtige Mission! Dabei fällt die Midi-Musik noch einmal, diesmal aber deutlich angenehmer auf. Diese wird nämlich dynamisch abgespielt, etwa wenn eine neue Gegnerstaffel eintrifft. So wird das Kampfgeschehen gezielt untermalt, statt einfach vor sich hinzududeln. Ein technisches Detail, das sich mir erst 30 Jahre später erschließen sollte.

Die Soundeffekte tun ihr Übriges: Im Vorbeiflug an anderen Jägern ertönen die klassischen Soundeffekte aus den Filmen. Beim ersten Aufeinandertreffen mit Tie-Fightern zeigt auch das detaillierte Schadensmodell seine Muskeln. Trotz der rudimentären Grafik ist es einfach eine Freudem zuzusehen, wie der Pixelgegner nach einigen Blastertreffern ins Trudeln gerät und funkensprühend abschmiert. Kurz: Die Dogfights spielen sich heute noch großartig.

Das Missionsdesign kann gerne in den 90ern bleiben

Über das größte Manko vermag aber auch die rosarote Nostalgiebrille nicht hinwegzutäuschen: das Missionsdesign. Als Jugendlicher fiel es uns nicht so auf, schließlich machten wir Jagd auf die roten Pünktchen auf dem Radar und scherten uns wenig um die Missionsziele.

Das war auch besser so: Im Nachhinein betrachtet sind die meisten Einsätze höchst unkreativ designt und versuchen dies durch einen bisweilen unfairen Schwierigkeitsgrad zu verstecken. Dazu kommt, dass ein sprachliches Verständnis des Missionsbriefings nicht bedeutet, dass man sofort weiß, was in der Mission zu tun ist. Meistens braucht man mehrere Anläufe, um zu durchschauen, was sich die Entwickler nun vom Spieler wünschen und was er wann zu tun hat.

Fazit: Nostalgiepackung mit erstaunlich wenigen Altersflecken

Wer sich mit der blockartigen Grafik und der Midi-Musik leben kann, der bekommt ein pures "Star Wars"-Vergnügen, unverfälscht durch die umstrittenen modernen Einflüsse – und ja, damit meine ich die beiden "modernen" Trilogien. Hier geht es noch um den Kampf der Rebellen gegen das Imperium und schließlich den finalen legendären Trench-Run. Das alles hat sich spielerisch ausgezeichnet gehalten und ist dank der aktuellen GOG-Version sofort spielbar, ohne dass man selbst Hand an die Dox-Box legen muss.

Dabei hat mir das Remake von 1998 fast ein wenig besser gefallen als das fünf Jahre ältere Original, was vor allem am besseren Missionsdesign liegt. Diese Version ist aber nur mit einem Joystick spielbar, lässt sich aber mit ein wenig Tüftelei mit dem Gamepad steuern. Trotz aller Mankos bekommt man hier das pure "Star Wars"-Feeling. Wer sein Spielvergnügen nicht unbedingt vom Jubiläumstag abhängig machen möchte, dem seien auch die Nachfolgespiele "Star Wars: Tie-Fighter" und "X-Wing vs. Tie-Fighter" empfohlen. Diese entwickeln das Spielprinzip deutlich weiter und gelten heute als die besseren Spiele.

Objektiv mag man mit modernen Space-Sims wie dem großartigen "Star Wars: Squadrons" oder dem Roguelite "Everspace" ohnehin besser beraten sein. Aber mein zehnjähriges Ich will Klotzgrafik, Midi-Sound und einen verdammten Joystick, den ich mir extra für den Retro-Test von "Star Wars: X-Wing" gekauft habe. Staffel Rot, ich bin nach 30 Jahren endlich wieder im Cockpit. (Peter Zellinger, 15.2.2023)