Jakob Pöltl ...

Foto: Reuters/Sokolowski

... auf Balljagd gegen die Orlando Magic.

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Beim letzten Mal waren die Vorhänge schwarz. Und hingen in einem Hotelzimmer in Sacramento. Diesmal, im Hotelzimmer in Toronto, sind sie grau. Das Leben als Basketballprofi in der NBA kann ziemlich eintönig sein. Für Jakob Pöltl beginnt mit dem Trade von den San Antonio Spurs zu den Toronto Raptors immerhin ein neues Abenteuer. Es ist zwar ein Wechsel in eine bekannte Umgebung, Pöltl spielte bereits zwei Jahre für die Kanadier (2016 bis 2018), das ist aber Schnee von vorgestern. "Es fühlt sich gut an, wieder hier zu sein, ist aber auch stressig, es gibt keine Eingewöhnungsphase", sagt der 27-jährige Wiener.

Topscorer gegen Orlando

Bereits am Dienstag präsentierte sich Pöltl in bester Wurflaune. Beim 123:113 der Toronto Raptors gegen Orlando Magic war er mit 30 Punkten der Topscorer. Neun Rebounds, sechs Blocks, zwei Assists und ein Steal rundeten eine starke Leistung beim dritten Auftritt nach der Rückkehr an den Ontariosee ab. Der Center war 36:55 Minuten im Einsatz. "Ich fühle mich wohler und wohler", sagte er.

Toronto Raptors

30 Punkte bedeuteten Bestleistung im Dress der Kanadier für Pöltl (bisher 18 gegen die Indiana Pacers am 2. Dezember 2017). Lediglich ein Zähler fehlte auf den persönlichen Karrierehöchstwert in der NBA vom 15. November 2022 (für die San Antonio Spurs bei den Portland Trail Blazers). Nie zuvor hatte der heimische NBA-Pionier 15 Würfe aus dem Spiel verwandelt, nur zwei Versuche fanden gegen Orlando nicht ihr Ziel. Das bedeutete eine Trefferquote von 88,2 Prozent. Mit sechs Blocks egalisierte Pöltl zudem seinen Bestwert vom 23. März 2022, ebenfalls für die Spurs in Portland.

Mit zwei Koffern an die Ostküste

Aber wie läuft ein Wechsel mitten in der Saison genau ab? Als Spieler hat man keinen Einfluss darauf, ob man in der Liga morgen in Los Angeles oder in New York angestellt ist. Am 8. Februar, dem Abend des Transferschlusses, spielten die Spurs in Toronto. Pöltl reist mit zwei Koffern an die Ostküste, "es gab Gerüchte, ich war schon vorbereitet". Um kurz vor Mitternacht bekam er einen Anruf von Spurs-Trainer Gregg Popovich, der Trade war durch. Es folgten drei weitere kurze Telefonate mit Pöltls Agenten und den General Managern beider Teams.

Auf dem Heimweg von einem gemeinsamen Abendessen mit der Mannschaft konnte sich Pöltl sogar noch von allen Mitspielern persönlich verabschieden. Popovich, einer der besten Trainer aller Zeiten, hält bei 1358 gewonnen Spielen, kein Coach hat mit einer Franchise mehr Siege eingefahren. Der Abschied von einer der charismatischsten Führungsfiguren im Sport war herzlich. "Er hat mich gelobt, als Mensch, als Profi. Ich habe mich bei ihm und bei den Vereinsmitarbeitern bedankt dafür, was sie alles für mich getan haben. Es war schön."

Zweite Geige

Noch lebt Pöltl im Hotel. Sein weniges Hab und Gut aus San Antonio wird ihm nachgeschickt, die Wohnungssuche in Toronto sollte sich nicht allzu schwierig gestalten, der Wiener kennt sich ja hier schon aus. Das Essen ist schon einmal wesentlich besser als in San Antonio. Auf dem Parkett wird sich Pöltl wohl noch mehr in Zurückhaltung üben als eh schon üblich, die erste Geige in der Offensive der Raptors spielen andere. Realistisch gesehen, ist ein Spiel wie das aktuelle mit 30 Punkten wohl ein Ausreißer nach oben.

Herzlicher Spurs-Abschied.
San Antonio Spurs

Pöltls Stärken liegen in der Verteidigung. Sein neuer Trainer, der US-Amerikaner Nick Nurse, vertraut auf einen Kern von sieben, acht Spielern, die spielt er rauf und runter bis zur Ermüdung. Pöltl wird diesem inneren Zirkel angehören, ansonsten hätten die Kanadier ihn nicht geholt. Während bei den Spurs die Weiterentwicklung der Mannschaft im Vordergrund stand, wollen die Raptors trotz aktuell negativer Bilanz (28:31 Siege) in der Eastern Conference unbedingt noch den Sprung ins Play-off schaffen.

Im Niemandsland

Torontos General Manager Masai Ujiri stand zuletzt in der Kritik, weil er das Team zum Transferschluss nicht radikal genug umgebaut hat. Die Raptors sind im "no man’s land" gefangen, sprich zu gut für eine Chance auf einen hohen Draftpick, zu schlecht für eine Rolle im Titelkampf. Der Albtraum jedes Klubbesitzers. Die Leistungen der Topspieler wie Pascal Siakam oder Fred VanVleet sind schwankend, der Ausfall von Topverteidiger OG Anunoby wegen einer Handgelenksverletzung tut weh. Im Osten hat man so keine Chance gegen die Titelanwärter Boston, Milwaukee und Philadelphia.

Auf dem Tisch liegen werden die Karten für Pöltl im Sommer, wenn sein Dreijahresvertrag ausläuft und er erstmals selbst über seinen Arbeitgeber entscheiden kann. Die Raptors würden den 2,13-Meter-Mann wohl gerne halten, sonst hätten sie nicht unter anderem drei Auswahlrechte in künftigen Drafts für ihn hergegeben. "Wissen tue ich es nicht, aber sie werden sich etwas dabei gedacht haben", sagt Pöltl. Sein Marktwert ist auch den Kanadiern bekannt, laut NBA-Analysten könnte Pöltl ab Sommer 20 Millionen Dollar (18,7 Millionen Euro) jährlich verdienen.

Verlässlichkeit in Person

Damit würde er zum bestbezahlten Sportler Österreichs aufsteigen, vor David Alaba. Die Antwort, ob ihn diese Zahlenspiele beschäftigen, ist für den Basketballer typisch. "Für mich ist das nicht mehr als ein Fun-Fact." Pöltl, auch das ein Fakt, ist die Verlässlichkeit in Person. Eine durchschnittliche NBA-Karriere währt viereinhalb Jahre. Der Wiener ist bereits sieben Jahre im großen Basketballzirkus unterwegs.

Ein unerfüllter Wunsch bleibt: Dass sein Wirken dem österreichischen Basketball einen höheren Stellenwert beschert. Pöltl-Auftritte für das Nationalteam dürfte es im Sommer aber dennoch nicht geben. Zu groß ist das Verletzungsrisiko vor einer Vertragsunterschrift. (Florian Vetter, 15.2.2023)