US-Kampfjets hatten Ende vergangener Woche über dem US-Bundesstaat Alaska, über Kanada und über dem Huronsee an drei Tagen drei Flugobjekte abgeschossen.

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Washington/Bukarest/Chișinău/Tokio – Das US-Militär hat die Route des abgeschossenen chinesischen Ballons einem Medienbericht zufolge bereits seit seinem Start verfolgt. Der Ballon sei schon gut eine Woche beobachtet worden, bevor er Ende Jänner in den US-Luftraum eingedrungen sei, berichtete die "Washington Post" am Mittwoch (Ortszeit) unter Berufung auf mehrere US-Beamte, die anonym bleiben wollten. Der Ballon startete demnach von seinem Heimatstützpunkt auf der südchinesischen Insel Hainan.

Er habe zunächst eine Flugbahn eingeschlagen, die ihn über das US-Außengebiet Guam zu führen schien, wo sich mehrere US-Militärstützpunkte befinden, hieß es weiter. Doch dann habe er unerwartet einen nördlichen Kurs eingeschlagen. Der Ballon habe später über Alaskas Aleuten-Inseln geschwebt und sei dann über Kanada gedriftet, von wo er anscheinend durch starke Winde auf das Festland der Vereinigten Staaten getrieben sei.

Analysten untersuchten dem Bericht zufolge nun die Möglichkeit, dass China mit seinem "Überwachungsgerät" nicht absichtlich in das amerikanische Kernland eindringen wollte. Ein US-Kampfflugzeug hatte den Ballon am 4. Februar vor der Küste South Carolinas abgeschossen. China hatte die Spionagevorwürfe der USA zurückgewiesen und von einem Forschungsballon gesprochen, der durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei.

Fehlschuss kostete 400.000 Dollar

Nach dem Abschuss des mutmaßlich chinesischen Spionageballons hatten US-Kampfjets Ende vergangener Woche über dem US-Bundesstaat Alaska, über Kanada und über dem Huronsee an drei Tagen drei weitere Flugobjekte abgeschossen.

Beim Abschuss eines dieser rätselhaften Flugobjekte ist am Sonntag nicht alles rund gelaufen: Wie US-Vertreter am Dienstag einräumten, verfehlte der Pilot eines Kampfjets vom Typ F-16 mit der ersten Rakete das Ziel. "Uns ist bekannt, dass die erste am Sonntag abgefeuerte Rakete das Ziel verfehlt hat", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, in Washington zu Journalisten.

Die Rakete sei "direkt" in den Huronsee an der Grenze zwischen den USA und Kanada gefallen. US-Generalstabschef Mike Milley sagte in Brüssel, die Rakete sei "harmlos in das Wasser des Huronsees gefallen". Ganz billig war der Fehlschuss nicht: Eine Rakete vom eingesetzten Typ Sidewinder kostet mindestens 400.000 Dollar, umgerechnet rund 375.000 Euro. Die zweite abgefeuerte Rakete traf dann ihr Ziel.

USA sehen bisher keinen China-Konnex

Über diese drei anderen Flugobjekte ist bisher wenig bekannt, die Überreste konnten bisher noch nicht geborgen werden. Kirby sagte am Dienstag, bisher weise nichts darauf hin, dass die Objekte Teil von Chinas "Spionageballonprogramm" gewesen seien oder dass sie "definitiv" ausländischer Spionage gedient hätten. Es könnte sich letztlich um Ballons handeln, "die ganz einfach mit kommerziellen oder Forschungseinrichtungen verbunden und deswegen harmlos waren".

US-Präsident Joe Biden gerät unterdessen zunehmend unter Druck. Der Präsident solle transparenter sein, forderten Politiker aus beiden politischen Lagern am Dienstag (Ortszeit). Bisher äußerte sich Biden noch nicht zu den drei abgeschossenen Flugobjekten.

Luftraumverletzung für Japan inakzeptabel

Japan erwägt einem Bericht zufolge, nach der Sichtung von mutmaßlichen chinesischen Überwachungsballons entschlossener gegen Verletzungen des japanischen Luftraums vorzugehen. Die Regierung in Tokio ziehe in Betracht, die Vorschriften für den Einsatz von Waffen zur Abwehr zu lockern, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch.

Japan habe China mitgeteilt, dass Verletzungen seines Luftraums durch unbemannte Überwachungsballons absolut inakzeptabel seien, sagte ein Sprecher der Regierung. Japans Verteidigungsministerium hatte am Dienstag erklärt, er habe den "starken Verdacht", dass chinesische Überwachungsballons seit 2019 mindestens dreimal in japanisches Hoheitsgebiet eingedrungen seien.

"Ballonartiges Flugobjekt" über Rumänien und Moldau

Auch die rumänischen und moldauischen Behörden rätseln über ein "ballonartiges" unbekanntes Flugobjekt, das am Dienstag im Luftraum der beiden Nachbarländer aufgetaucht war. Beide Länder gaben an, ein Objekt geortet zu haben, dessen Eigenschaften denen eines Wetterballons ähnlich seien. Wie die Behörden in Chișinău am Abend meldeten, war dies der Grund für eine mehrstündige Luftraumsperre über Moldau am Nachmittag.

Das rumänische Verteidigungsministerium gab am frühen Nachmittag in einer Aussendung bekannt, dass die Luftraumüberwachungssysteme gegen 12.30 Uhr Ortszeit im Südosten des Landes ein "ballonartiges unbekanntes Flugobjekt in etwa 11.000 Meter Höhe" angezeigt haben. Die Merkmale des Objekts hätten weitgehend jenen eines Wetterballons entsprochen. Man habe zwei Kampfjets vom Typ MiG21 Lancer aufsteigen lassen, die das unidentifizierte Flugobjekt jedoch weder sichten noch auf ihren Radaren orten konnten und daher nach dreißig Minuten wieder zum Luftwaffenstützpunkt Fetești zurückkehrten.

Fast zeitgleich ließen die Behörden in Chișinău den Luftraum über Moldau für mehrere Stunden sperren. Am Abend stellte sich heraus, dass die Ursache für die Sperre ein ähnlicher Vorfall war. Die moldauische Behörde für Zivilluftfahrt gab bekannt, die mehrstündige Luftraumsperre wegen eines "unbekannten, einem Wetterballon ähnlichen Flugobjekts" angeordnet zu haben, das unweit der an der Grenze zur Ukraine liegenden Stadt Soroca geortet worden sei.

Herkunft unklar

Woher das rätselhafte Flugobjekt stammt, ist nicht bekannt. Ebenso unklar ist, ob es sich um ein oder mehrere Flugobjekte gehandelt hat, da sich die Vorfälle in beiden Ländern fast zeitgleich, allerdings in einigen hundert Kilometern Entfernung, abspielten.

Zuvor war gemutmaßt worden, die Luftraumsperre hänge mit der Warnung der moldauischen Staatspräsidentin Maia Sandu vor russischen Plänen zur Destabilisierung der demokratischen Ordnung im Land zusammenhängen. (APA, red, 14.2.2023)