Wie gut können Lehrerinnen und Lehrer ukrainische Schülerinnen und Schüler integrieren?

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Seit knapp einem Jahr sind Kinder, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, in Österreichs Schulklassen. Wie steht es um die Integration der rund 13.000 Schülerinnen und Schülern? Das fragte der Österreichische Bundesverlag ÖBV, der Schulbücher herausgibt, 318 Lehrkräfte aus allen Bundesländern und Schulformen.

Das Ergebnis der nichtrepräsentativen Umfrage: Fast drei Viertel der Lehrenden fühlen sich bei der Integration der Kinder nicht ausreichend unterstützt. Ebenso viele sind der Meinung, dass Österreich die Herausforderung, ukrainische Kinder zu integrieren, bisher nicht gut gemeistert habe. Demnach fehlten vor allem Personal, Unterrichtsmaterialien, Sprachförderkurse, psychologische Unterstützung, finanzielle Ressourcen und entsprechende Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer.

Laut den Befragten wurde nicht einmal der Hälfte von ihnen Unterstützung beim Sprachtraining der Kinder angeboten. 29 Prozent gaben an, Hilfe bei der Integration von nichtdeutschsprachigen Kindern erhalten zu haben. 16 Prozent fühlten sich explizit bei der Integration von Kindern aus Kriegsgebieten und weitere 14 Prozent beim Umgang mit traumatisierten Kindern unterstützt. 18 Prozent geben an, gar keine Unterstützungsangebote erhalten zu haben.

Zu einem ähnlichen Schluss kam eine Studie der Universität Wien. Laut dieser fehlt es an qualifiziertem Personal, um Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten, auch eine Traumabegleitung durch Schulsozialarbeiter und Schulpsychologinnen sei essenziell.

Unterschiedliche Umsetzungen

In der Praxis sieht die Unterstützung so aus: Rund jede vierte Lehrkraft hat im Unterricht Schulbücher für die ukrainischen Kinder im Rahmen der erweiterten Schulbuchaktion im Einsatz. Am häufigsten – 27 Prozent – verwenden die Lehrenden Unterrichtsmaterial von anderen Anbietern. Lediglich 18 Prozent nutzen das Unterrichtsmaterial des Bildungsministeriums beziehungsweise der Eduthek, die vom Ministerium betrieben wird.

Der geringe Einsatz könnte auch an den Fächern der befragten Lehrenden liegen, vermutet ÖBV-Geschäftsführer Maximilian Schulyok mit Blick auf die Zusatzkommentare der Befragung. Die meisten Materialien in der Eduthek beispielsweise stehen zur Sprachförderung zur Verfügung. Aber auch zum Thema "Krieg in der Ukraine". Die Unterlagen seien daher vermutlich im Deutsch- und Geschichtsunterricht hilfreich.

Der Deutschunterricht für die ukrainischen Schülerinnen und Schüler gestaltet sich sehr unterschiedlich. Bei 60 Prozent der befragten Lehrenden lernen die Kinder integrativ in deutschsprachigen Klassen und haben zusätzliche Sprachförderung. Etwas mehr als ein Viertel unterrichtet die ukrainischen Schülerinnen und Schüler in eigenen Deutschförderklassen. 42 Prozent haben eine zusätzliche deutschsprachige Lehrkraft und 17 Prozent eine zusätzliche Ukrainisch sprechende Lehrkraft im Klassenzimmer zur Verfügung, neun Prozent haben anderes zusätzliches Personal. 14 Prozent der ukrainischen Kinder und Jugendlichen sitzen in Regelklassen ohne zusätzliche Sprachförderung.

Österreichische Schule, ukrainisches E-Learning

Für Daniel Landau, Bildungskoordinator der Bundesregierung, bedeute es eine "enorme Herausforderung für das Schulsystem", ohne lange Vorlaufzeit traumatisierte Schülerinnen und Schüler, die nicht Deutsch sprechen, zu integrieren: "Dieses System ist nicht darauf ausgerichtet, so vielen Menschen auf einmal zu helfen: Wir müssen ihnen nicht nur bei der Sprache helfen, sondern sie auch in das Schulsystem, in ihren entsprechenden Jahrgang, integrieren und noch dazu darauf achten, dass sie nicht allzu viel Zeit verlieren."

Dass viele ukrainische Kinder parallel am ukrainischen Onlineunterricht teilnehmen, sei zwar verständlich, führe aber zu Überlastung und erschwere so die Eingliederung in die österreichische Schule. Landau ist laut ÖBV-Aussendung überzeugt, dass das Sommersemester hier Klarheit bringen werde. Einige Schülerinnen und Schüler seien bereits in die Westukraine zurückgekehrt – andere rechnen damit, noch länger in Österreich zu bleiben. (set, 15.2.2023)