Shahin K. fürchtet im Fall einer Rückkehr in den Iran um sein Leben – auch weil er an manchen Demonstrationen gegen das dortige Regime in Wien teilgenommen hat.

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Die menschenrechtliche Lage im Iran ist schon lange schlimm. Aber seit Beginn der Protestbewegung im vergangenen September hat die Repression gegen Oppositionelle, aber auch gegen Menschen, die sich den herrschenden Regeln widersetzen, weiter zugenommen.

Das macht Abschiebungen in die Islamische Republik eigentlich zu einem No-Go. Hinzu kommt, dass die dortigen Behörden keine Rückreisezertifikate ausstellen, weshalb schon seit mehreren Jahren keine Abschiebungen aus Österreich in den Iran mehr stattgefunden haben. Freiwillige Rückkehrer hingegen gibt es. 2022 reisten auf dieser Grundlage bis Ende August 63 Personen in den Iran.

Zuletzt zwei Abschiebeversuche

Den heimischen Asylbehörden und der Fremdenpolizei ist also bekannt, dass zwangsweise Rückführungen in den Iran nicht klappen. Dennoch wurden laut dem NGO-Zusammenschluss Asylkoordination in den vergangenen Wochen zwei solche Versuche gestartet. Sie dokumentieren ein behördliches Bestreben, zwangsweise Rücktransporte in die religiöse Diktatur mit grenzwertigen Mitteln doch zu ermöglichen.

Ein Betroffener ist Shahin K. (Name geändert), ein seit fünf Jahren in Österreich lebender 40-jähriger Mann. Sein Asylantrag wurde Ende Dezember 2020 vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig abgelehnt, was eine Abschiebung ermöglicht. Die Richterin glaubte ihm nicht, dass er aufgrund einer außerehelichen Affäre im Iran in Gefahr sei. Seinen Übertritt vom Islam zum Katholizismus beurteilte sie als Scheinkonversion.

Iraner in Waldviertler Gemeinde gut integriert

Eine freiwillige Rückkehr schloss K. für sich aus – und tut es auch heute. Seit Beginn der Protestbewegung im vergangenen September hat er an Demonstration gegen das Mullah-Regime in Wien teilgenommen. Auch deshalb wäre er im Iran in Todesgefahr, beteuert er. Aufenthaltsrechtlich ohne Absicherung lebt er im Waldviertel, wo er eine Reihe von Unterstützerinnen und Unterstützern hat. In seiner Wohngemeinde ist er inzwischen gut bekannt und bei den meisten beliebt.

Vor diesem Hintergrund fasste er den Plan, einen Antrag auf humanitären Aufenthalt – alias Bleiberecht – in Österreich zu stellen. Sein Anwalt Gregor Klammer riet ihm davon ab, aber K. bekam einen Termin. "Sie werden ersucht, für die persönliche Antragstellung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Außenstelle Wiener Neustadt, zu erscheinen", teilte ihm der dortige Referent "mit freundlichen Grüßen" mit.

Fremdenpolizei wartete schon

Doch als der Iraner wie aufgefordert am 2. Februar zur angegebenen Zeit am Amt erschien, war alles anders. "In zwei Tagen werden Sie in den Iran abgeschoben", eröffnete ihm der Referent gleich zu Beginn – und ließ mehrere Fremdenpolizisten ins Zimmer. "Sie haben mich ausgelacht und dann in die Schubhaft überstellt", schildert Shahin K..

Tatsächlich werden Antragstermine für humanitären Aufenthalt auf diese Art immer wieder zweckentfremdet. Die betreffenden Ausländer sind in den meisten Fällen potenziell abschiebbar, die Fremdenbehörden nutzen die Möglichkeit, ihrer habhaft zu werden. Das bestätigt auf Befragen auch ein Mitarbeiter der BFA-Außenstelle Wiener Neustadt. Man mache es aber nur, wenn die Rücknahme im Heimatstaat garantiert sei.

Einreise in den Iran nicht abgesichert

Genau das aber war bei K. nicht der Fall. Zwar hatte er sich auf Anraten des BFA – und, wie ihm Glauben gemacht wurde, in Vorbereitung seines Bleiberechtsantrags – von der iranischen Botschaft in Wien einen Pass ausstellen lassen. Der allein aber ermöglicht die Wiedereinreise eines Abgeschobenen in Teheran nicht. Der Iran – siehe oben – nimmt nur freiwillige Rückkehrer auf.

Shahin K.s Abschiebung war für Samstag, 4. Februar geplant. In einer Linienmaschine nach Teheran war für ihn ein Einzelplatz gebucht. Er wurde zum Flughafen gebracht. Was dort geschah, schildert er folgendermaßen: Die Fremdenpolizisten hätten ihm ein Formular zum unterschreiben unterbreitet, dessen Inhalt er in der Hektik nicht verstanden habe. Er habe sich geweigert und betont, dass er nicht in den Flieger steigen werde.

Freilassung statt Schubhaft

In diesem Fall werde er in die Schubhaft zurückgebracht, und man werde einen neuerlichen Abschiebetermin vereinbaren, diesmal aber mit polizeilichen Begleitern, habe es daraufhin geheißen. Das nehme er in Kauf, habe er entgegnet. "Dann musste ich eine halbe Stunde im Polizeiauto warten – danach wurde ich vor dem Abschiebeterminal freigelassen. Pass und E-Card haben sie behalten."

Was hat dazu geführt, dass das Flugticket nach Teheran verfiel und die vorbereitete Abschiebung in letzter Minute abgeblasen wurde? Das Papier, das K. im Flughafen hätte unterschreiben sollen, sei eine Einverständniserklärung zur freiwilligen Rückkehr gewesen, vermuten der Iraner und sein Anwalt Klammer. Genau wissen sie es nicht. Möglicherweise habe aber auch K.s Ankündigung, nicht ins Flugzeug steigen zu wollen, zu dem Abbruch geführt.

Innenministerium: Prüfung im Einzelfall

Im Innenministerium werden Einzelfälle nicht kommentiert. Einen generellen Abschiebestopp in den Iran gebe es nicht, jeder Einzelfall werde genau geprüft, heißt es dort. Anwalt Klammer hat Beschwerde gegen die Schubhaft und den Entzug der E-Card eingelegt. Auch seinen Pass hat Shahin K. bis dato nicht zurückbekommen. Ein Rückführungsabkommen mit dem Iran ist angesichts der aktuellen Zustände dort ferner denn je. (Irene Brickner, 19.2.2023)