Der Oligarch Ewgeny Prigoschin dirigiert Trollfabriken und Söldner.

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Sankt Petersburg – Auf die Anfrage des SPIEGEL reagierte Ewgeny Prigoschin so, wie man ihn kennt: erstens, indem er Anfragen und Antworten auf ihm nahestehenden Telegram-Kanälen verbreiten ließ, den Journalisten aber nicht direkt antwortete. Zweitens, indem er die Reporter mit derben Beleidigungen überzog. Die "Informationshooligans" der westlichen Medien hätten wohl "eine unterentwickelte Gehirnfunktion", lässt der Oligarch verlautbaren.

VIDEO: Ewgeny Prigoschin ist auch Chef der ultranationalistischen, paramilitärische Wagner-Gruppe an Bedeutung.
DER STANDARD

Er beantworte aber "mit Freude" die Frage, ob er der Finanzier der Internet Research Agency, also der berüchtigten russischen Trollfabrik in Sankt Petersburg, sei: Er sei nicht nur ihr Geldgeber, sondern sogar deren Erfinder und Betreiber. Nun habe er einer "Gruppe patriotischer Blogger" ein Büro zur Verfügung gestellt. Die sollen Informationskampagnen rund um den Ukraine-Krieg betreiben.

Prigoschin ist so etwas wie der moderne Großmeister der Desinformation im Netz. Seine Internet Research Agency hat es zu weltweiter Bekanntheit gebracht, weil sie im US-Wahlkampf 2016 bisher ungekannte Manipulationstaktiken zum Einsatz brachte. Dutzende Russen und Russinnen sollen sich in sozialen Medien als US-Amerikaner ausgegeben und mit ihren Beiträgen Zwietracht gesät und Stimmung für Donald Trump betrieben haben.

Im Rahmen des Projekts "Storykillers", das von Forbidden Stories koordiniert wird und dessen Recherchen in Österreich exklusiv im STANDARD erscheinen, haben sich die teilnehmenden Journalisten auch mit Prigoschin befasst. Der gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

"Putins Koch"

Der 61-jährige Russe soll in der Sowjetunion fast ein Jahrzehnt im Gefängnis verbracht haben – unter anderem wegen Raubes und Diebstahls. Nach seiner Entlassung und dem Zusammenbruch der UdSSR wurde Prigoschin zum Betreiber mehrerer Restaurants in Sankt Petersburg, so will er auch Putin kennengelernt haben.

Vor allem durch Regierungsaufträge wurde Prigoschin später zum Milliardär. Neben der Internet Research Agency, die anfangs gegen russische Oppositionelle aktiv war, gründete "Putins Koch" im Jahr 2012 die Söldnergruppe Wagner. Sie gelangte nun vor allem aufgrund ihres brutalen Einsatzes in der Ukraine wieder in die Schlagzeilen. Als Kämpfer wurden großteils Häftlinge rekrutiert, die nach ihrer Zeit an der Front als freie Männer nach Russland zurückkehren dürfen. Erst vergangenes Jahr bekannte sich Prigoschin öffentlich zur Wagner-Gruppe, die zuvor vor allem in Afrika und Syrien aktiv war.

Und nun verteidigt er die Erfolge der Söldner rund um das umkämpfte Bachmut sogar gegen das russische Verteidigungsministerium. Würde die ukrainische Stadt fallen, sei es alleine der Verdienst von Wagner-Truppen. Es war nicht das erste Mal, dass Prigoschin die Verantwortlichen für Russlands Militäreinsatz kritisierte. Im Jänner soll deshalb laut Berichten Putin persönlich den Wagner-Chef zurückgepfiffen haben. Dass die Söldnergruppe nicht mehr in den russischen Haftanstalten rekrutiert, könnte auch von oberster Stelle im Verteidigungsministerium angeordnet worden sein – ein mögliches Zeichen dafür, dass ihm der Kreml die Flügel stutzt.

Verdacht nicht erst seit gestern

Bereits im Jahr 2016 war der Oligarch von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt worden. Der Vorwurf: Er soll hohen russischen Beamten weitreichende Unterstützung zukommen lassen. Unter anderem, um eine Militärbasis nahe der ukrainischen Grenze aufzubauen. Von dort sollen russische Truppen in den Kampf geschickt worden sein.

Im Report des US-Sonderberichterstatters Robert S. Mueller 2018 wurde bereits eine Verbindung von Prigoschin zu den Trollfabriken hergestellt, die in die Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen involviert gewesen sind. Damals sagte er noch, dass die US-Amerikaner leicht zu beeinflussen seien und nur sehen würden, was sie sehen wollen: "Ich bin nicht wütend, dass ich auf dieser (Sanktions-)Liste gelandet bin. Wenn sie den Teufel sehen wollen, dann lasst sie ihn sehen."

Was Prigoschin nun vom Vorwurf halte, Desinformationskampagnen zu betreiben? Man solle überlegen, ob "die Bevölkerung" im Westen nicht "die von Ihnen propagierte Ideologie für falsch" halte und daher "bereitwillig die Thesen, die von den Russen sporadisch auch in Ihr Informationsumfeld geworfen werden", unterstützt. (bbl, fsc, 16.2.2023)