Whistleblower Raphael Halet wurde einer Geldstrafe verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah darin einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.

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Google, Apple, Amazon, Ikea und die Deutsche Bank waren nur einige wenige der zahlreichen Konzerne, die ihre Namen 2014 in brisanten Dokumenten wiederfanden. Raphael Halet, ein früherer Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, hatte gemeinsam mit weiteren Whistleblowern Unterlagen geleakt, die belegten, wie Konzerne über Firmenkonstrukte in Luxemburg Steuern sparten. Die "Lux Leaks" warfen ein Schlaglicht auf die Abgründe der internationalen Finanzwelt und gingen in die Geschichte des investigativen Journalismus ein.

Für Whistleblower Halet blieb das Datenleak aber nicht ohne Konsequenzen: Ein Luxemburger Gericht verurteilte ihn wegen der Verletzung von Berufsgeheimnissen zu einer Geldbuße in der Höhe von 1000 Euro. Halet könne sich nicht darauf berufen, dass er im Interesse der Öffentlichkeit gehandelt habe. Er war nach Antoine Deltour, der nach einer Anklage im Jahr 2018 freigesprochen wurde, nämlich nur der zweite Whistleblower. Sein Leak habe kaum neue Informationen zutage gebracht, so das Gericht.

Halet legte gegen das Urteil Berufung ein. In Luxemburg fanden seine Beschwerden jedoch kein Gehör. Erst jetzt, rund fünf Jahre später, hat ihm der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) recht gegeben. Das Leak sei von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, das Urteil gegen Halet ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

55.000 Euro Ersatz

Laut den Straßburger Richterinnen und Richtern hat das öffentliche Interesse an den Informationen den dadurch entstandenen Schaden überwogen. Auch wenn die Informationen, die Halet leakte, größtenteils bereits bekannt waren, haben sie laut EGMR zur öffentlichen Debatte beigetragen. Luxemburg muss nun 15.000 Euro Schadenersatz und 40.000 Euro Gerichtskosten bezahlen.

Aus den mehr als 28.000 Seiten, die die Whistleblower dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zugespielt hatten, ging hervor, wie die Luxemburger Steuerbehörden Deals mit Konzernen abschlossen. Erdacht wurden die Steuersparmodelle zunächst von Beraterinnen und Beratern, darunter Mitarbeiter von PwC. Die zuständigen Behörden sicherten den Konzernen dann mit staatlichen Stempeln zu, dass das jeweilige Konstrukt legal ist. Die Steuerlast ließ sich so zum Teil auf unter ein Prozent senken.

Brisant waren die Lux Leaks auch deshalb, weil viele der aufgedeckten Steuerdeals auf die Amtszeit des Luxemburger Premierministers Jean-Claude Juncker zurückgingen, der kurz nach der Veröffentlichung der Leaks zum Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt wurde.

Neue Transparenzregeln

Luxemburg hatte sich nach den Leaks stets darauf berufen, dass die Steuerdeals legal gewesen seien. Ein häufiges Argument: Böte das Land die Steuervorteile nicht an, würden sich die Konzerne schlichtweg in anderen Ländern ansiedeln. Luxemburg wird bis heute wegen seiner laxen Steuerpolitik kritisiert.

Im Nachgang des Lux-Leaks-Skandals legte die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket vor, das die internationale Steuertransparenz erhöhen soll. Das Paket sieht unter anderem ein "Country-by-Country-Reporting" vor. Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz müssen künftig angeben, wie viel Steuern sie in einzelnen Staaten bezahlen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben noch bis Juni 2023 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu gießen. (Jakob Pflügl, 16.2.2023)