Airbus, heute mit Abstand der größte Flugzeugbauer, kämpft sich aus dem Luftloch. Vor zweieinhalb Jahren hatte das deutsch-französisch-spanische Unternehmen noch 15.000 Arbeitsplätze – mehr als zehn Prozent seines Bestandes – abgebaut. Die Bestellungen brachen ein, einzelne Fluggesellschaften holten ihre früher sehnlichst erwarteten Maschinen nicht einmal mehr ab – und Konzernvorsitzender Guillaume Faury zweifelte sogar, wie er sagte, am "Überleben" des Konzerns. Kein Trost war es für die Europäer, dass es dem US-Rivalen Boeing noch dreckiger ging.

Nun rappeln sich die Europäer wieder auf. Davon zeugt der Jahresabschluss 2022, den Faury am Donnerstag präsentierte. Der Umsatz steigt um 13 Prozent auf 58,8 Milliarden Euro, der Reingewinn auf rekordhohe 4,25 Milliarden, was den Aktienkurs hochtrieb – und auch den am Mittwoch nominierten neuen Financhef Thomas Töpfer freuen dürfte. Airbus lieferte im letzten Jahr 661 Flugzeuge aus.

Weiterhin Störungen

Das Plansoll von 720 Rollouts muss Faury aber von diesem auf das nächste Jahr verschieben. Der Airbus-Chef räumte ein, dass der Konzern auch 2023 noch unter "Störungen" leiden werde. Es mangelt an Fachkräften und vor allem an Materialien – neuerdings auch Stahl. Faury konnte nicht verhehlen, dass die Auslieferungen im Jänner sogar auf 20 Flugzeuge absackten. "Das darf nicht mehr vorkommen!", soll der sonst so gelassene Franzose seinen Direktoren wütend eingebläut haben, wie Insider erzählen.

Die Airbus-Auftragsbücher sind mit mehr als 7.000 Orders prallgefüllt. Viele Kunden warten bis zu fünf Jahre auf die bestellten Flugzeuge.
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Immerhin sind die Lieferengpässe nicht mehr existenzbedrohend. Faury kann die Kadenz des Erfolgsmodells A320 neo erst 2024 auf 65 und 2026 auf 75 pro Monat erhöhen. Das heißt ein Jahr später als geplant.

Fast vier dieser Bestsellermaschinen sollen dann täglich die Hangars in Hamburg und Toulouse verlassen. Und vor allem bleiben die Airbus-Auftragsbücher mit mehr als 7.000 Orders prallgefüllt. Viele Kunden warten bis zu fünf Jahre auf die bestellten Flugzeuge. Faury muss zu verhindern suchen, dass die Airlines und Leasingfirmen zu Boeing abwandern. Nach den Pannen ihres Krisenmodells 737 Max machen die Amerikaner langsam wieder Boden gut. 2022 lieferte Boeing 480 Maschinen aus, dreimal mehr als in seinem Katastrophenjahr 2020.

Flugverkehr zieht wieder an

In Zukunft wird es für beide Flugzeugriesen genug Arbeit geben. Wie der Weltairlineverband IATA vor wenigen Tagen mitgeteilt hat, erreicht der Flugverkehr wieder 68,5 Prozent des Vorkrisenvolumens. Ohne den chinesischen Rückstand sähe die Lage noch besser aus: In Amerika und Europa werden fast wieder gleich viele Passagierkilometer geflogen wie 2019. Ein deutlicher Rückstand besteht noch auf Langstreckenflügen: Sie haben erst wieder 62,2 Prozent des Umfangs von 2029 erreicht.

Faury schätzt, dass der Vorkrisenstand bis zum Jahr 2025 wieder erreicht sein sollte. Auch danach wird es noch aufwärts gehen: Laut dem letzten globalen Marktausblick von Airbus wird der Himmel 2041 nicht voller Glocken, sondern voller Flugzeuge hängen: 34.490, um genau zu sein. Heute sind es noch knapp 20.000. Binnen weniger als zwanzig Jahren soll sich die Zahl großer Zivilflugzeuge also nahezu verdoppeln.

Für die Flugzeugriesen gibt es jedenfalls genug Arbeit: In Amerika und Europa werden fast wieder gleich viele Passagierkilometer geflogen wie 2019.
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Die Region Asien-Pazifik wird der treibende Markt sein, noch vor Europa und den USA. Einen Vorgeschmack auf die gewaltigen Zuwachsraten gab Anfang der Woche Air India, als sie bei Airbus und Boeing auf einen Schlag 470 Maschinen orderte. Airbus-Verkaufschef Christian Scherer deutete an, diese "historische" Bestellung sei wohl nicht die letzte aus Indien, das bald einmal das bevölkerungsreichste Land der Welt sein wird. Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich Air India auch noch 370 Kaufoptionen gesichert hat.

Das Problem ist der CO2-Ausstoß des zivilen Luftverkehrs. Faury relativiert, er betrage "nur" 2,5 Prozent der weltweiten Klimaemissionen. Bis 2035 verspricht er die serienmäßige Produktion eines wasserstoffbetriebenen, also dekarbonisierten Mittelstrecken-Carriers. Bedingung ist, dass die Energieindustrie dann auch genug grünen Wasserstoff anbieten kann.

Für die besonders schadstoffreichen Langstreckenflugzeuge hat Airbus keine probate Lösung. Nachhaltiger Treibstoff (SAF), effizientere Triebwerke, Kompositstoffe und die Aerodynamik sollen immerhin eine CO2-Reduktion von rund 25 Prozent gegenüber heute ermöglichen. Faury versprach am Donnerstag einen massiven Forschungseinsatz. So intensiv er auch ausfallen wird: Unter dem Strich dürfte der zivile Luftverkehr in zwanzig Jahren nicht weniger, sondern mehr CO2 ausstoßen, falls sich die Zahl der herumfliegenden Flugzeuge wirklich verdoppeln sollte. (Stefan Brändle aus Paris, 16.2.2023)