Aloy – die Heldin aus den anderen "Horizon"-Spielen – ist in diesem Abenteuer nur Gast. Die Charaktermodelle zeigen aber sehr gut, auf welchem grafischen Niveau das Spiel tänzelt.

Foto: Sony

Als einziger Exklusivtitel zum Start der neuen VR-Brille von Sony liegt eine große Last auf den Schultern von "Horizon: Call of the Mountain". Das VR-Spin-off der mittlerweile bekannten und beliebten Playstation-Franchise wurde erkennbar für die neue Hardware entwickelt und zeigt eindrucksvoll, was man sich wohl in den kommenden Jahren in virtuellen Welten erwarten darf.

Auffe aufn Berg

Im Gegensatz zu den anderen Spielen der Franchise wird man als Spieler diesmal in die Haut des ehemaligen Soldaten Ryas geworfen. Dieser darf sich auf die Suche nach einem dunklen Geheimnis machen, das in den steilen Gipfeln des Carja-Sonnenreiches liegt. Tatsächlich ist diese Story allerdings nur schmuckes Beiwerk, die immer wieder während der etwa acht Stunden langen Spieldauer eingestreut wird. Der Star dieses virtuellen Abenteuers ist stattdessen die von Roboterwesen bevölkerte Dschungel- und Berglandschaft, die es dank der neuen Hardware sehr intensiv zu erleben gibt.

Da wäre zum einen die sehr lebendige und interaktive Welt. Man kann mit der Hand ins Wasser greifen und damit ebenso eine optische Reaktion auslösen, wie wenn man Gras berührt. Richtig interagieren kann man dann vor allem mit Kisten oder Fässern, die man mit einem beherzten Griff öffnen kann, aber auch von Äpfeln kann zur Energieregeneration abgebissen werden, oder man greift ein Seil, an dem man sich hochziehen kann.

Generell ist der Kletteraspekt einer der stärksten im Spiel, gilt es doch einen Berg zu erklimmen. Da greift man nach Felsvorsprüngen, den erwähnten Seilen oder auch knarrenden Planken, die manchmal unter unserem Gewicht zu zerbrechen drohen. Dank der neuen Sense-Controller erkennt das Spiel sehr gut, wie und wo wir in der virtuellen Welt hingreifen, und so machen die Kletterpassagen tatsächlich großen Spaß. Im späteren Verlauf gibt es noch zusätzliche Ausrüstung, etwa Eispickel, mit denen man sich dann auch glatter Steinwände annehmen darf. Mit einer schwungvollen Bewegung wird der Pickel dann in die Wand gerammt, und so zieht man sich nach und nach die gewünschte Wand hinauf.

Die Auseinandersetzungen sind intensiv und fordern Spielerinnen und Spieler zunehmend.
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Wilde Natur

Der zweite große Aspekt im Spiel sind die Auseinandersetzungen mit den diversen Roboterwesen, die man schon aus den anderen "Horizon"-Spielen kennt. Egal ob im Wasser, in der Luft oder einfach am feuchten Waldboden – die Gegnerschaft ist mannigfaltig und fordert der Spielerin einiges an Geschicklichkeit ab. So ist die Waffe der Wahl ein Bogen, an den man diverse Pfeile anlegen kann. Brand, Gift oder Elektro – mit den richtigen Objekten können starke Verbündete im Kampf gegen Riesenbestien schnell zusammengebastelt werden.

Die Kämpfe selbst laufen ungewohnt in einer Art Kreis statt, den man um die Gegner laufen kann. Diese Entscheidung fiel wohl aufgrund der Hauptwaffe – des Bogens – und der Tatsache, dass man mit den Angriffen schon genug zu tun hat und die Entwickler offenbar nicht wollten, dass man sich zusätzlich um die Distanz zum Widersacher kümmern muss. Hat man sich damit einmal abgefunden, kann man die intensiven Auseinandersetzungen richtig genießen. Man zieht den Bogen vom Rücken, genau wie die Pfeile. Schnell bekommt man eine Routine im Ziehen und Anlegen der Geschosse, die dann im Idealfall auf die Schwachstellen der Feinde abgefeuert werden.

Ausgewichen wird je nach Steuerungs-Setup mit einer schnellen Bewegung oder dem Analogstick. Das ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, geht aber schnell in Fleisch und Blut über. Dank unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und diverser Hilfen braucht man sich auch als Anfänger keine großen Sorgen machen. Wer allerdings die Herausforderung sucht, wird ebenfalls bedient.

Sprungpassagen warten ebenfalls – auch auf durch die Welt laufende Tiere, wie hier den Langhals.
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Grips anstrengen

Zu guter Letzt haben sich auch noch ein paar Rätsel ins Spiel gemogelt, die vom anstrengenden Kletter- und Kampfalltag ablenken sollen. Da müssen Schlüssel gefunden, bestimmte Dinge abgeschossen oder aber Zahnräder an die richtige Position gesetzt werden. Das ist alles nicht neu, durch den VR-Aspekt aber durchaus unterhaltsam.

Das ist auch nötig, denn die Welt selbst kann nicht groß erkundet werden. So bewegt man sich auf sehr linearen Pfaden in Richtung Zielort und kann nur gelegentlich kleine Abzweigungen nutzen, um ein paar zusätzliche Geheimnisse zu entdecken. So klettert, kämpft und rätselt man sich sehr direkt von einem Abschnitt zum nächsten, was eine ganz andere Erfahrung ist als jene der klassischen Controller-gestützten "Horizon"-Spiele. So wiederholen sich natürlich viele Dinge, werden allerdings immer wieder durch neue Aspekte ein wenig aufgelockert oder erweitert. Deshalb ist die Entscheidung, das Spiel nicht offen, sondern linear zu gestalten, keine falsche, allerdings sollte man sich mit der richtigen Erwartungshaltung ins Abenteuer stürzen, damit man nicht enttäuscht wird.

PlayStation

Schöne Welt

Auch wenn man das Spiel sicher auch als Anfänger irgendwie bestreiten kann, allein durch das Einstellen diverser Hilfen, fordert das Spiel schon einiges an Geschick und Vertrautheit mit den Controllern, um sicher ans Ziel zu kommen. Ein Blick in die Menüs wird deshalb empfohlen, da man in den Steuerungseinstellungen zahlreiche Rädchen zum Nachjustieren findet.

Zum Schluss soll noch ein Wort über die audiovisuelle Brillanz des Titels verloren werden. Selten zuvor hat man eine solch hübsche VR-Welt erleben dürfen, in der immer wieder mit Dingen interagiert werden kann. Wenn sich die Bäume im Wind wiegen oder man in der Ferne einen Wasserfall bestaunen kann, dann fühlt man sich in diese zauberhafte Welt tatsächlich versetzt. Auch wenn ein riesiger Langhals über einen stapft und das VR-Headset vibriert oder ein Flugwesen über einen braust und man instinktiv zusammenzuckt, dann zeigt das einmal mehr, wie stark VR-Welten sein können.

Die neue Hardware zeigt sich deshalb sowohl in der hohen Auflösung des Spiels als auch dank der Vibrationsmotoren in Headset und Controllern. Das Spannen eines Bogens wirkt deshalb genauso befriedigend wie das Versenken eines Eispickels in einer Steinwand.

Wer die Welt zudem ohne großen Stress erleben will, der schaltet recht flott einen Safari-Modus frei, bei dem man mit einem Ruderboot sanft einen Fluss entlanggleitet und die Flora und Fauna von "Horizon" bestaunen darf.

"Horizon: Call of the Mountain" erscheint am 22. Februar 2023 und kostet 69,99 Euro. Im Bundle mit der PS VR2 zahlt man 649 Euro.

Das Muster für den Test wurde dem STANDARD von Sony Deutschland zur Verfügung gestellt.

Endlich geschafft – zahlreiche Kletterpassagen warten darauf, gemeistert zu werden.
Foto: Sony

Fazit

"Call of the Mountain" ist ein beeindruckendes, unterhaltsames VR-Erlebnis geworden. Selten zuvor hat man eine solch lebendige Welt virtuell erleben dürfen, die mit Kämpfen, Rätseln und Kletterpassagen die Spielerin beziehungsweise den Spieler rund acht Stunden derart gelungen in solch schwindlige Höhen entführt. Mit dem Eispickel schwungvoll in eine Steinwand dreschen, im Kampf schnell neue Pfeile erstellen oder den eigenen Grips bei den kleinen Rätseln einsetzen müssen – all das, in Kombination mit der wirklich wunderschönen Optik, zeigt gut, was in der neuen Hardware steckt.

Dass die Auseinandersetzungen gegen die Roboterwesen nur im Kreis laufend funktionieren, schränkt die Abwechslung deutlich ein, da das Bogenschießen aber derart gelungen inszeniert ist, stört das nur bedingt. Was meinem Gefühl nach ein wenig fehlt ist eine mich fesselnde Story, und tatsächlich gibt es andere Playstation-Welten, die mich in dieser technischen Grazie mehr interessiert hätten als die von "Horizon". Für mich ist deshalb dieser Titel vor allem ein Blick in die Zukunft, eine Spielwiese die zeigt, was wir hoffentlich in den nächsten Jahren mit PS VR2 erleben dürfen. Dafür sage ich danke. (Alexander Amon, 16.2.2023)