Katharina Müller und Martin Melzer, beide Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, schildern im Gastblog, wie die Unternehmensnachfolge geregelt werden kann.

Aus rechtlicher Sicht ist die Gestaltung einer Unternehmensnachfolge schon deshalb eine Herausforderung, weil eine Vielzahl von Rechtsgebieten betroffen sein kann. Die erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Themen stehen dabei meist im Vordergrund. Zu beachten sind daneben aber etwa auch miet-, gewerbe-, haftungs-, steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte. Besonderes Augenmerk ist stets auf die Abdeckung der Pflichtteile der weichenden Erben und Erbinnen – die also nicht am Unternehmen beteiligt werden sollen – durch eine umsichtige Gestaltung zu legen, da dem Pflichtteilsrecht sowohl bei der Nachfolge von Todes wegen als auch bei jener unter Lebenden – über die pflichtteilsrechtliche Schenkungsanrechnung – regelmäßig eine große Bedeutung und ein hohes Konfliktpotenzial zukommt.

Pflichtteilsrecht als Gefahr für das Unternehmen

Eine häufige Problemstellung bei der Weitergabe von Unternehmen im Familienkreis ist, dass das Unternehmen oft einen hohen Wert darstellt und dieser – nach dem Ableben des Übergebers oder der Übergeberin – durch eine Unternehmensbewertung ermittelte Wert als Bemessungsgrundlage für die Pflichtteile herangezogen wird. Dies führt dann zu schwierigen Situationen, wenn dem hohen Wert des Unternehmens keine entsprechende Liquidität im Unternehmen oder private Vermögenswerte des Übergebers oder der Übergeberin gegenüberstehen, die zur Deckung der Pflichtteile verwendet werden können.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen eine Unternehmensnachfolge, bei der der Pflichtteil nicht sofort ausgezahlt werden muss.
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Im schlimmsten Fall kann diese Situation zu Notverkäufen und zur Zersplitterung des Unternehmens führen. Dies kann negative Auswirkungen über die Sphäre der Unternehmerfamilie hinaus haben, etwa den Verlust von Arbeitsplätzen.

Mit dem seit 1. Jänner 2017 in Kraft getretenen Erbrechtsänderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) wurden neue Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen, die bei Unternehmensnachfolgeplanungen angewendet werden können.

Pflichtteilsdeckung durch Einräumung einer Rechtstellung

Eine dieser neuen Gestaltungsmöglichkeiten ist die Pflichtteilsdeckung durch Einräumung einer Rechtsstellung. Während nach alter Rechtslage der Pflichtteil stets in Geld zu leisten war, kann dieser nunmehr auch durch Einräumung einer (vermögenswerten) Rechtstellung gedeckt werden, zum Beispiel durch Einräumung eines Fruchtgenussrechts am Unternehmen.

Der Vorteil für den Unternehmensnachfolger oder die Unternehmensnachfolgerin ist evident: Die pflichtteilsberechtigte Person muss sich einen sukzessiven Zufluss ihres Pflichtteiles über das Fruchtgenussrecht gefallen lassen, welcher durch die unternehmerische Tätigkeit finanziert wird. Genauso evident ist der Nachteil, denn der Pflichtteil wird nicht sofort, sondern über einen längeren Zeitraum gestaffelt erhalten. Zudem lauern Fallstricke bei der konkreten Ausgestaltung solcher pflichtteilsdeckenden Rechtstellungen. So gilt es etwa die am Unternehmen Fruchtgenussberechtigten mit bestimmten Rechten auszustatten, die vor einer "Aushungerung" durch den Unternehmensnachfolger oder die Unternehmensnachfolgerin (etwa durch Vermeidung von Gewinnausschüttungen) schützen.

Stundungsmöglichkeit

Daneben wurden im Zuge des ErbRÄG 2015 auch mehrere Möglichkeiten zur Stundung des Pflichtteils geschaffen.

Der oder die letztwillig Verfügende kann die Stundung des Pflichtteils auf höchstens fünf Jahre anordnen. Aber auch ohne letztwillige Verfügung kann das Gericht eine Stundung anordnen, wenn dem Pflichtteilsschuldner oder der Pflichtteilsschuldnerin die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart treffen würde. Der Pflichtteilsschuldner oder die Pflichtteilsschuldnerin kann eine solche gerichtliche Stundung unter anderem dann verlangen, wenn ein Unternehmen, das die wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußert werden müsste. Weiters auch dann, wenn die sofortige Entrichtung des Pflichtteils den Fortbestand eines Unternehmens erheblich gefährden würde. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, kann das Gericht die Stundung sogar auf bis zu zehn Jahre verlängern.

Zu guter Letzt sei darauf hingewiesen, dass der gestundete Pflichtteil mit vier Prozent pro Jahr verzinst wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich freilich die Frage, ob die fremdfinanzierte Entrichtung des Pflichtteils eine bessere Lösung für den Pflichtteilsschuldner oder die Pflichtteilsschuldnerin darstellt.

Vorteile für beide Seiten?

Durch das ErbRÄG 2015 wurde die Übergabe von Unternehmen an die nächste Generation erleichtert. Zusammengefasst wurden durch die Stundungsmöglichkeit und durch die Möglichkeit der Deckung der Pflichtteile durch Einräumung einer Rechtsstellung größere Spielräume hinsichtlich der Art und Weise der Pflichtteilsdeckung geschaffen. In erster Linie profitieren von den Neuregelungen die Unternehmensnachfolgenden und die Unternehmen.

Die pflichtteilberechtigten weichenden Erben und Erbinnen müssen sich hingegen in Zukunft mit Verfügungen abfinden, die ihnen den Pflichtteil erst sukzessive über einen längeren Zeitraum zukommen lassen. Gleichzeitig profitieren sie aber allenfalls auch von der weiteren positiven Entwicklung des Unternehmens. Im Detail gilt es bei der Ausgestaltung derartiger Verfügungen vieles zu beachten. Mögliche Angriffspunkte solcher Verfügungen sind vor allem bewertungstechnischer Natur, etwa wenn der errechnete Gesamtwert der eingeräumten Rechtstellung nicht dem Pflichtteil entspricht. (Katharina Müller, Martin Melzer, 20.2.2023)