Im Film "Her" verliebt sich Joaquin Phoenix alias Theodore in eine künstliche Intelligenz – eine Utopie, die mit Chatbots wie ChatGPT immer realer wird.

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Vielleicht erinnern Sie sich an den Film "Her" aus dem Jahr 2013: Theodore, dargestellt von Joaquin Phoenix, lässt sich von seiner Jugendliebe scheiden. Es geht ihm nicht besonders gut, und zur Ablenkung besorgt er sich ein neues und intensiv beworbenes Betriebssystem, das sich mit weiblicher Identität und angenehmer Stimme auf seinem Rechner installiert. Über Headset und Videokamera kommuniziert er bald permanent mit Samantha, wie sich das System selbst nennt. Samantha – ihre Stimme kommt im Original von Scarlett Johansson – lernt durch Theodore, entwickelt sich permanent weiter und verhält sich immer menschlicher. Theodore ist fasziniert von Samanthas Einfühlsamkeit, die beiden bauen während langer und intensiver Gespräche zuerst eine freundschaftliche, dann eine intimere Beziehung zueinander auf.

Was 2013 noch recht utopisch geklungen hat, ist mittlerweile ein gutes Stück realer geworden. Denn seit Herbst 2022 gibt es die Gratissoftware ChatGPT, ein Prototyp eines Chatbots, der auf maschinellem Lernen beruht. Mit jeder Anfrage lernt dieses System mehr und passt seine Antworten entsprechend an. Und auch wenn das noch weit von der Darstellung in "Her" entfernt ist, die Richtung der Entwicklung stimmt.

Tatsächlich ist Einsamkeit für nicht wenige Menschen ein großes Thema. Da drängt sich die Frage fast schon auf, ob einsame Menschen in ChatGPT einen Gesprächspartner finden könnten – und was das bedeuten würde?

Sich Entwicklungen nicht verschließen

Wichtig sei, dass man sich diesen Entwicklungen nicht verschließe, betont Kerstin Schuller, klinische Psychologin bei der psychologischen Online-Beratungsplattform Instahelp: "Es gibt diese Technologien, sie entwickeln sich weiter. Ich halte es für wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt und womöglich Chancen nutzt, auch in der Therapie, die sich dadurch bieten." Man habe ja auch schon bisher positive Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz (KI) gemacht, etwa in der Unterstützung von Alzheimer-Betroffenen. Gesundheitsuhren mit Pulsmesser helfen Menschen mit medizinischen Problemen. Und es gibt Apps, die über Algorithmen feststellen, ob jemand womöglich depressive Züge hat, und im Falle des Falles Alarm schlagen.

Das sei definitiv eine Chance, aber: "Das kann nie ein Ersatz für andere Menschen und für soziale Interaktion sein." Denn eine Maschine kann keine Körpersprache oder Mimik lesen, versteht Ironie nicht und kann auf viele menschliche Bedürfnisse nicht reagieren. Schuller betont, man müsse unterscheiden. Sie findet es absolut in Ordnung, theoretisches Wissen von einer KI zu beziehen, wenn man eine im Grunde gefestigte Persönlichkeit ist. So könne man etwa während einer Panikattacke durchaus die KI um Hilfe fragen, diese könne praktische Ratschläge oder Akuthilfe wie Atemübungen liefern.

Ist eine Person aber in sich nicht sehr gefestigt, könne es womöglich passieren, dass man in eine Abhängigkeit abrutscht, weil eine KI ja auch lernen kann, Empathie zu simulieren. Man fühle sich dann besser verstanden als von der Außenwelt, vermenschliche sie womöglich. Außerdem sei eine KI ständig verfügbar: "Da könnte es passieren, dass man sich von den echten Menschen immer mehr zurückzieht."

Kein Ersatz für körperliche Nähe

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil soziale Interaktion ja nicht nur miteinander reden oder sich austauschen bedeutet. Dazu gehört auch, sich körperlich nahe zu sein – und das geht mit einem Chatbot definitiv nicht. Genau das war ja auch eines der Probleme, bei dem der Protagonist in "Her" an seine Grenzen gestoßen ist. "Gleichzeitig zeigt der Versuch, diese Sehnsucht zu stillen, wie irrational der Mensch wird, wenn er seine Bedürfnisse erfüllen will", sagt Schuller.

Die klinische Psychologin rät, auch sich selbst zu beobachten, wenn man merkt, dass man sich einsam fühlt oder es einem nicht gutgeht. Ändert man das eigene Verhalten? Zieht man sich über Wochen zurück, geht nicht mehr hinaus, ist unmotiviert und lustlos? "All das sind Anzeichen, dass man sich Hilfe holen sollte. Und dafür braucht es definitiv mehr als eine Computerstimme." (Pia Kruckenhauser, 17.2.2023)