Vorgestreckter Kopf, hochgezogene Schultern, so sieht die typische Haltung beim Smartphone-Surfen aus. Dabei lasten aber bis zu 25 Kilo auf der Halswirbelsäule, das wirkt sich langfristig auf den ganzen Körper aus.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Nackenschmerzen und verspannte Schultern sind ein Riesenproblem unserer Gesellschaft. Ungefähr jede zweite Person in Österreich spürt sie zumindest einmal pro Woche. Mit ein Grund dafür ist der intensive Gebrauch des Computers und vor allem des Smartphones. Auf welchem Device lesen Sie gerade diesen Artikel? Spüren Sie die steifen Schultern beim Lesen dieses Satzes schon? Am besten gleich ein paar Mal die Schultern kreisen, um da etwas Lockerheit reinzubringen. Das ist ein erster Ansatz, doch dauerhaft wird das nicht genug sein. Mittlerweile gibt es sogar ein eigenes Krankheitsbild, den Handybuckel, den der exzessive Gebrauch des Smartphones auslösen kann.

Dieser entsteht dadurch, dass man bei der Nutzung des Devices das Handy unterhalb vor sich hält, die Arme sind dabei am Körper angelegt, der Kopf ist nach vorne gebeugt. Auch die Schultern hängen dabei nach vorne – das ist zusammengenommen eine enorme Belastung für die Wirbelsäule, vor allem weil man diese Haltung ja oft über längere und wiederholte Zeiträume täglich einnimmt, weiß Anita Grassel, leitende Physiotherapeutin im Medizinzentrum Alserstraße. "Wenn man kurz Mails liest oder schnell etwas googelt, ist das absolut unbedenklich. Das ist ja auch aus unserem täglichen Leben gar nicht mehr wegzudenken. Aber der stundenlange Konsum kann wirklich problematisch werden."

Denn der Kopf, der etwa fünf Kilo wiegt, ist dabei nach vorne gebeugt, je nachdem wie weit, lasten dann 20 bis 25 Kilogramm auf der Nackenwirbelsäule. Das ist eine enorme Belastung für Sehnen, Muskeln und Gelenke. Mit der Zeit kommt es zuerst zu Verspannungen und Kopfschmerzen, in weiterer Folge schlafen bei vielen die Arme ein. "Verharrt man immer wieder in dieser Position, können irgendwann die Sehnen verknöchern, der Nacken versteifen, es kommt zu Kalkifizierung der Sehnen, die Brustwirbelsäule entwickelt eine verstärkte Krümmung nach vorne und fixiert so, wenn man nicht gegensteuert. Und irgendwann kann man sich nicht mehr aufrichten", weiß Grassel.

Flachere Atmung bis Bandscheibenvorfälle

So schlimm ist die Diagnose selten, aber in Ansätzen sind viele davon betroffen – auch jene, die am Computer arbeiten, die typische Haltung dabei sind hochgezogene Schultern und ein vorgestreckter Kopf. Und beides zusammen kann zu teils recht heftigen Beschwerden führen mit Auswirkungen auf das gesamte System, betont Grassel: "Man ist nicht mehr so beweglich, wenn der Brustkorb nicht aufrecht ist. Dadurch hat man eine flachere Atmung, die Sauerstoffsättigung ist schlechter, das kann zu Kopfschmerzen, Schwindel und mehr führen."

In weiterer Folge versucht der Körper außerdem, die in der oberen Wirbelsäule beeinträchtigte Beweglichkeit aus der Lendenwirbelsäule zu generieren. Diese falschen Belastungen können sogar einen Bandscheibenvorfall nach sich ziehen. Außerdem verkürzt sich die Hüftbeugemuskulatur vom vielen Sitzen, dadurch neigt sich der Oberkörper nach vorne. Muss der Bewegungsapparat das ausgleichen, kann das wiederum zu Knieproblemen oder sogar Fersensporn führen– der gesamte Bewegungsapparat ist also beeinträchtig, weil nichts mehr harmonisch abläuft. Grassel betont: "Man muss den Körper als Ganzes betrachten, über Muskeln, Sehnen und Faszien hängt alles zusammen."

Pausieren und Dehnen

Doch was tun gegen diese Verkettung an schlechten Haltungsnoten? Handy und Computer zu entsorgen ist keine Lösung, wir müssen lernen, damit umzugehen. Der erste Schritt ist, sich der Tatsache überhaupt einmal bewusst zu werden. Der nächste: Pausen einlegen. Grassel empfiehlt: "Machen Sie regelmäßig kurze Pausen, stehen Sie auf, strecken Sie sich, und halten Sie den Kopf hoch." Ein paar Lockerungsübungen helfen auch, wie Schulter kreisen, Arm kreisen, die Schultern zu den Ohren hochziehen und dann fallen lassen, den Kopf kreisen, nach links und rechts dehnen, die Schultern nach hinten und unten absenken. Das dehnt den Brustmuskel auf und verbessert die Sauerstoffsättigung wieder, deshalb hilft es auch gegen Kopfschmerzen oder leichten Schwindel.

Gerade die Schultern zieht man ja oft ganz unbewusst hoch, wenn man vor dem Computer sitzt. Fällt einem das auf, hilft es, den Kopf aufrecht zu halten, leicht nach hinten zu schieben und etwas abzusenken in eine leichte Doppelkinnposition. Die Physiotherapeutin rät weiter, beim Telefonieren aufzustehen und herumzugehen, idealerweise mit Headset. Eine schnelle Übung zwischendurch ist es auch, sich so an eine Wand zu stellen, dass die gesamte Wirbelsäule an der Wand anlehnt. Im Anschluss beugt man sich nach vorne und lässt den Oberkörper nach unten aushängen.

Auch die normale Bewegung im Alltag hilft, das Handyproblem abzumildern: zu Fuß gehen, Treppen steigen, Besorgungen mit dem Fahrrad erledigen. Und jede Art von Sport tut gut. Beim Schwimmen etwa hat man durch den Auftrieb im Wasser nur zehn Prozent des eigenen Körpergewichts, das entlastet die Wirbelsäule. Und besonders zu empfehlen sind Dehnungsübungen, Pilates und Yoga. Denn dabei wird die richtige Haltung automatisch mitgeübt.

Richtig sitzen am Arbeitsplatz

Schließlich hat Grassel auch noch einige Tipps zur richtigen Gestaltung des Arbeitsplatzes. Diese gelten für Kinder und Jugendliche genauso wie für Erwachsene im Büro. Denn der Nachwuchs sitzt ja auch regelmäßig vor Computer oder Handy, während des Wachstums kann es außerdem vorübergehend zu Fehlhaltungen kommen. Diese könnten sich fixieren, wenn man sich insgesamt zu wenig bewegt.

Zum Sitzen sind Sessel mit Nackenstützen ideal, damit man den Kopf zwischendurch anlehnen kann. Auch Armstützen für die Ellbogen machen Sinn. Der Sessel sollte außerdem leicht nach hinten beweglich sein. Beim Sitzen bilden Knie und Hüften idelaerweise jeweils einen Winkel von circa 90 Grad, die Tischhöhe ist dann passend, wenn die Unterarme locker aufliegen können, damit die Schultern entspannt bleiben. Der Bildschirm wiederum sollte so hoch platziert werden, dass der Blick die Oberkante trifft und man nicht nach unten schauen muss – was beim Arbeiten am Laptop viel zu oft der Fall ist.

Schließlich ist auch der richtige Lichteinfall wichtig, am besten indirekt, sodass man nicht geblendet wird. Entsprechend sollte auch der Bildschirm gut beleuchtet sein. Und damit es nicht allzu langweilig wird bei allem, auf das man achten soll, empfiehlt Grassel, zwischendurch wie ein König oder eine Königin zu schreiten: "Da nimmt man automatisch eine aufrechte, zentrierte Haltung ein. Und gerade für die Kinder ist das ein lustiges Spiel."

Skeptisch ist sie dagegen bei Hilfsgegenständen wie Mieder oder Haltungsgurten und -shirts, wie sie vielfach beworben werden. "Solche Hilfsmittel gibt man in der Therapie nur bei Wirbeleinbrüchen und ähnlich schweren Schädigungen. Für an sich Gesunde ist das kontraproduktiv, weil die Muskulatur dann gar nichts mehr machen muss, und man baut eher ab als auf. " Und die Bewegung im Alltag kann man so ohnehin nicht ersetzen. (Pia Kruckenhauser, 21.2.2023)