Der SPÖ-Abgeordnete und Fraktionsführer im U-Ausschuss Jan Krainer ist da sehr bestimmt: "Undenkbar", sagt er, "das wäre eine erhebliche Einschränkung der Pressefreiheit." Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen, hielte das für einen "harten Schlag gegen den Investigativjournalismus in Österreich". Das wäre ein falsches Zeichen, "wir brauchen die vierte Macht im Staat".

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat einen abschließenden Bericht zum parlamentarischen U-Ausschuss übermittelt, der mit seinen Vorschlägen bei den anderen Parteien und Medien für Aufregung sorgt.
Foto: APA/Jaeger

Die Abgeordneten beziehen sich auf den Abschlussbericht von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zum parlamentarischen U-Ausschuss zur ÖVP-Korruption. In diesem Bericht sind in den Empfehlungen Formulierungen enthalten, die einem Zitierverbot für Medien gleichkommen. Zur Wahrung der Grund- und Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten sollte ein Straftatbestand geschaffen werden, der unter anderem die Veröffentlichung der Anklageschriften oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens verbietet, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen wurde. Wenn Akten nicht mehr öffentlich verwendet werden dürfen, gilt das folglich auch für Medien.

Der Bericht basiert auf einem Vorschlag von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl.

Journalisten vor dem Kadi

Krainer spricht sich im Gespräch mit dem STANDARD klar gegen ein generelles Verbot der Veröffentlichung aus. "Medien gehen sehr sorgfältig damit um, außerdem gibt es ein strenges Medienrecht. Journalisten müssen immer das öffentliche Interesse und die Persönlichkeitsrechte gegeneinander abwägen, sonst stehen sie vor dem Kadi."

"Die Politik sollte sich weniger auf den medialen Umgang mit Chats und Strafakten konzentrieren, sondern mehr damit, die darin ersichtlichen Missstände zu beheben", meint die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. "Medien unterliegen ohnehin sowohl rechtlich als auch in ihrer Selbstkontrolle strengen Regeln, was den Umgang mit strafrechtlichen Vorwürfen angeht."

Nichts von diesem Vorschlag hält auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. "Man untersucht seit über einem Jahr umfassende Korruptionsfälle in der gesamten Republik – und die dritte Empfehlung von Vorsitz und Richter dazu ist lediglich: 'Medien sollen weniger darüber berichten können.' Das riecht leider sehr nach Bananenrepublik."

Heikle Kommunikation

In dem Abschlussbericht werden auch gesetzliche Schutzmaßnahmen für private Nachrichten (Chats) und Handydaten empfohlen. "Sobotka und die ÖVP verwechseln privat mit dem, was sie nicht öffentlich haben wollen", sagt Tomaselli. Sie will sich nicht generell einer Diskussion verschließen, wie man mit Kommunikationsdaten umgeht, weist aber darauf hin, dass Gespräche, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, für strafrechtliche Ermittlungen sehr wohl relevant sein können. Was die Grüne vermisst, sind Vorschläge für Archivierungsregeln, die der neuen Form der Kommunikation angepasst sind.

Krainer meint, er kenne keine privaten Chats, die den Abgeordneten im U-Ausschuss vorgelegt worden seien. "Diese Kommunikation zwischen Amtsträgern ist nicht privat, auch wenn die Form der Sprache oftmals nicht angebracht ist", sagt er. Private Chats seien ohnedies geschützt und würden in der Regel auch nicht den Weg an die Öffentlichkeit finden.

In Luft aufgelöst

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger findet den Bericht generell gut, er sieht die Vorwürfe gegen seine Partei "in Luft aufgelöst". Dem widerspricht Verfahrensrichter Pöschl im Ö1-"Mittagsjournal": "Es wurde sicherlich Korruption festgestellt, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß." Die Opposition sieht in dem Bericht keine Entlastung für die ÖVP.

Korruption sei überall wahrzunehmen, so auch bei Postenbesetzungen und Inseratenvergabe, sagt Pöschl. Der Bericht konnte hier aber nicht in die Tiefe gehen, weil das Strafverfahren zuständig sei und man nicht vorverurteilen wolle. ÖVP-Fraktionsführer Hanger, der sich durch den Bericht "fast zu einhundert Prozent bestätigt" fühlte, empfiehlt der Verfahrensrichter, "den Bericht noch ein bisschen genauer zu lesen". (Michael Völker, 16.2.2023)